Die Forderungen hierzu <span class="pagenumber">[357]</span>

42 Der Begriff »nationale Verteidigung« galt als Chiffre für ein letztes, entscheidendes Massenaufgebot, für eine »levée en masse«, mit der Deutschland den Ersten Weltkrieg angeblich doch noch hätte gewinnen können. Während der letzten Kriegsmonate propagierten nicht nur die Alldeutschen ein solches Konzept. Auch Walther Rathenau setzte sich damals entschieden dafür ein und plädierte für die Errichtung eines zentralen Verteidigungsamts sowie für die Ablösung Ludendorffs, dem Rathenau vorwarf, die Nerven verloren zu haben. Mit Hinweis auf diese Äußerungen Rathenaus wollte die Reichsregierung am 9. 10. 1918 von Ludendorff wissen, ob er von einer »levée en masse« einen entscheidenden Kräftezuwachs erwarte, was Ludendorff kurz und bündig verneinte. Dessen ungeachtet etablierte sich im Denken der völkischen Bewegung – in völliger Verkennung der aussichtslosen militärischen Situation nach der gescheiterten deutschen Frühjahrsoffensive (März – Juli 1918) – die Vorstellung, eine letzte, rettende Massenerhebung sei möglich gewesen, jedoch durch die Revolutionäre von 1918 bewusst unterbunden worden. Rudolf Heß kleidete diese Chimäre am 12. 9. 1921 gegenüber Alfred von Tirpitz in die Worte: »Die Zusammenfassung aller Volksteile in einheitlichem Kriegs- und Siegeswillen hätte Deutschland retten können. Dies entsprach aber nicht den Zielen des Judentums.«

Vgl. BA Freiburg, NL Tirpitz, N 253/251: Brief Heß an Tirpitz vom 12. 9. 1921; Münchener Beobachter vom 28. 6. 1919, »23. 6. 1919«; Geyer, Welt, S. 96; Gall, Rathenau, S. 206 f.; Nebelin, Ludendorff, S. 473; Leicht, Claß, S. 254; Volkov, Rathenau, S. 182 – 185; Kap. I/7, Anm. 49; Kap. II/13, Anm. 50.

43 Eine haltlose Behauptung. In Wirklichkeit unterstützten nach Kriegsbeginn auch die sozialdemokratischen Freien Gewerkschaften die Politik des »Burgfriedens«: Auf Lohn- und Arbeitskämpfe wurde bewusst verzichtet, einige Teilorganisationen zeichneten sogar symbolträchtig Kriegsanleihen. 1916 verkündete der Gewerkschaftsführer Carl Legien: »Eine Niederlage für Deutschland heißt auch eine Niederlage der deutschen Arbeiterbewegung. Bei einer Niederlage würden wir nicht mehr ein exportierendes Land sein, sondern ein menschenexportierendes Land werden, und exportiert werden dann nicht die Kapitalisten, sondern die Arbeiter.« Dass die Burgfriedenspolitik auch die Interessen der Unternehmer unterstützte, nahmen die Gewerkschaften hin – auch weil sie davon ausgingen, dass ihre Kooperationsbereitschaft später politisch und sozial honoriert werden würde. Mit dem Hilfsdienstgesetz vom 5. 12. 1916 wurde zwar die Arbeitspflicht eingeführt und die freie Arbeitsplatzwahl beschränkt, es gewährte den Gewerkschaften aber gleichberechtigten Zugang zu den neu eingerichteten Schlichtungsausschüssen und den anderen staatlichen Gremien. Unumstritten war diese kooperative Politik indes spätestens seit Ende 1915 nicht mehr. Ähnlich wie in der SPD gab es auch in den Freien Gewerkschaften eine Opposition gegen die Politik des »Burgfriedens« – anders als in der SPD kam es jedoch nicht zur Spaltung der Freien Gewerkschaften. Gleichwohl verlor die Führung deutlich an Autorität, sodass sich die Opposition zunehmend in der Unterstützung von Protesten bemerkbar machte, die schließlich 1917/18 in den großen Streikbewegungen kulminierten. Auch mit Blick auf die deutschen Kriegsziele grenzten sich die Gewerkschaften freilich von den maßlosen, expansionistischen Forderungen der radikalen Rechten ab.

Vgl. Bieber, Gewerkschaften, Teil 1, S. 220 – 248, 270 – 302, Zitat S. 221; Schönhoven, Gewerkschaften (1987a), S. 249 – 278; Kap. I/5, Anm. 66; Kap. I/6, Anm. 9; Kap. II/12, Anm. 2.

44 Hitlers wirtschaftspolitische Position war zwiespältig. Fragen dieser Art waren für ihn sekundär, auch wenn sie für die Umsetzung seiner späteren Politik dann zentrale Bedeutung haben sollten. Entscheidend waren für ihn vor allem zwei Aspekte: die Sicherung des Wohlstands der deutschen Gesellschaft, insbesondere der Arbeiter, sowie die Instrumentalisierung der deutschen ökonomischen Leistungskraft für seine weitgreifenden politisch-militärischen Ziele. In Hitlers Vorstellungen finden sich sowohl ständestaatliche als auch staatssozialistisch-planwirtschaftliche und liberale Ansätze, die aus seiner Sicht einander nicht widersprachen, sondern sich seinen ideologischen und politischen Prämissen entsprechend gegenseitig ergänzten.

Vgl. Ritschl, Verhältnis; Kap. I/8, Anm. 18; Kap. II/14, Anm. 24.

Hätten die deutschen Gewerkschaften im Kriege die Interessen der Arbeiterschaft auf das rücksichtsloseste gewahrt, hätten sie# 1930: eingefügt: selbst während des Krieges dem damaligen dividendenhungrigen Unternehmertum tausendmal mit# 1930: mit ersetzt durch: durch Streik selbst während des Krieges die# 1930: selbst während des Krieges die ersetzt durch: die Bewilligung der Forderungen der von ihnen vertretenen Arbeiter abgepreßt, würden# 1930: würden ersetzt durch: hätten sie aber in den Belangen der nationalen Verteidigung42 sich ebenso fanatisch zu ihrem Deutschtum bekannt haben# 1930: gestrichen: haben , und hätten sie mit gleicher Rücksichtslosigkeit dem Vaterlande gegeben, was des Vaterlandes ist, so wäre der Krieg nicht verloren gegangen# 1933: verloren gegangen ersetzt durch: verlorengegangen .43 Wie lächerlich aber würden alle und selbst die größten wirtschaftlichen Konzessionen gewesen sein gegenüber der ungeheuren Bedeutung des gewonnenen Krieges.# 1939: Punkt ersetzt durch: Ausrufezeichen

So hat eine Bewegung, die beabsichtigt, den deutschen Arbeiter wieder dem deutschen Volke zu geben, sich darüber klar zu werden# 1937: klar zu werden ersetzt durch: klarzuwerden;
1939: klar zu werden;
1944: klarzuwerden , daß wirtschaftliche Opfer bei dieser Frage überhaupt keine Rolle spielen, solange eben# 1930: gestrichen: eben nicht die Erhaltung und Unabhängigkeit der nationalen Wirtschaft dadurch bedroht wird# 1930: dadurch bedroht wird ersetzt durch: durch sie bedroht werden .44

2. Die nationale Erziehung der breiten Masse kann nur über dem# 1933: dem ersetzt durch: den Umweg einer sozialen Hebung stattfinden, da ausschließlich durch sie jene allgemein wirtschaftlichen# 1937: allgemein wirtschaftlichen ersetzt durch: allgemeinwirtschaftlichen;
1939: allgemein wirtschaftlichen Voraussetzungen geschaffen werden, die dem einzelnen gestatten, auch an den kulturellen Gütern der Nation teilzunehmen.45

3. Die Nationalisierung der breiten Masse kann niemals erfolgen durch Halbheiten, durch schwaches Betonen eines sogenannten Objektivitätstandpunktes# 1930: Objektivitätstandpunktes ersetzt durch: Objektivitätsstandpunktes 46 [sic!], sondern durch rücksichtslose und fanatisch einseitige Einstellung auf das nun einmal zu erstrebende Ziel. Das heißt also, man kann ein Volk nicht »national« machen im Sinne unseres heutigen Bürgertums, also mit soundso viel# 1926: soundso viel ersetzt durch: soundsoviel;
1937: soundso viel;
1939: soundsoviel;
1944: soundso viel Einschränkungen, sondern nur nationalistisch mit der ganzen Vehemenz, die dem Extrem innewohnt. Gift wird nur durch Gegengift gebrochen, und nur die Schalheit eines bürgerlichen Gemüts kann die mittlere Linie als den Weg ins Himmelreich empfinden# 1930: empfinden ersetzt durch: betrachten .47

Die breite Masse eines Volkes besteht weder aus Professoren noch aus Diplomaten. Das geringe abstrakte Wissen, das sie besitzt, weist ihre Empfindungen mehr in die Welt des Gefühls. Darin beruht# 1930: Darin beruht ersetzt durch: Dort ruht ihre entweder positive oder negative Einstellung. Sie ist nur emp-