4. Kapitel
München

Im Frühjahr 1912 kam ich endgültig nach München.1

Die Stadt selber war mir so gut bekannt, als ob ich schon seit Jahren in ihren Mauern geweilt hätte. Es lag dies begründet in meinem Studium2, das mich auf Schritt und Tritt ja auf diese Metropole der deutschen Kunst 3 hinwies. Man hat nicht nur Deutschland nicht gesehen, wenn man München nicht kennt, nein, man kennt vor allem die deutsche Kunst nicht, wenn man München nicht sah.4

Jedenfalls war diese Zeit vor dem Kriege die glücklichste und weitaus zufriedenste meines Lebens.5 Wenn auch mein Verdienst immer noch sehr kärglich war, so lebte ich ja auch# 1926: gestrichen: auch nicht, um malen zu können, sondern malte, um mir dadurch nur die Möglichkeit meines Lebens zu sichern, besser, um mir damit mein weiteres Studium zu gestatten.6 Ich besaß die Überzeugung, mein Ziel, das ich mir gesteckt hatte, einst eben dennoch zu erreichen. Und dies ließ mich allein schon alle sonstigen kleinen Sorgen des täglichen Daseins leicht und unbekümmert ertragen.

Dazu aber kam noch die innere Liebe, die mich zu dieser Stadt mehr als zu einem anderen mir bekannten Orte fast schon von der ersten Stunde meines Aufenthaltes# 1933: Aufenthaltes ersetzt durch: Aufenthalts erfaßte. Eine deutsche Stadt!# 1933: Stadt! ersetzt durch: Stadt!! Welch ein Unterschied gegen Wien.# 1939: Punkt ersetzt durch: Ausrufezeichen Mir wurde schlecht, wenn ich an dieses Rassenbabylon auch nur zurückdachte.7 Dazu der mir viel näher liegende Dialekt, der mich besonders im Umgang mit Niederbayern an meine einstige Jugendzeit erinnern konnte.8 Es gab wohl tausend und mehr Dinge, die mir innerlich lieb und teuer waren oder wurden. Am meisten aber zog mich die wunderbare Vermählung von urwüchsiger Kraft und feiner künstlerischer Stimmung, diese einzige Linie vom Hofbräuhaus 9 zum Odeon 10,# 1939: eingefügt: vom; 1944: wieder gestrichen: vom Oktoberfest 11 zur Pynakothek# 1930: Pynakothek ersetzt durch: Pinakothek 12 [sic!] usw. an. Daß ich heute an dieser Stadt hänge, mehr als