Schon in dieser Zeit setzte mein persönlicher Kampf gegen die wahnwitzige Verhetzung der deutschen Stämme untereinander32 ein.

Ich glaube, ich habe in meinem Leben noch keine unpopulärere Sache begonnen als meinen damaligen Widerstand gegen die Preußenhetze. In München hatten schon während der Räteperiode die ersten Massenversammlungen stattgefunden, in denen der Haß gegen das übrige Deutschland, insbesondere aber gegen Preußen, zu solcher Siedehitze aufgepeitscht wurden#1929: wurden ersetzt durch: wurde [sic!], daß es nicht nur für einen Norddeutschen mit Todesgefahr verbunden war, einer solchen Versammlung beizuwohnen, sondern daß der Abschluß derartiger Kundgebungen meist ganz offen mit dem wahnsinnigen Geschrei endigte: »Los von Preußen!« – »Nieder mit Preußen!« – »Krieg gegen Preußen!«33, eine Stimmung, die ein besonders glänzender Vertreter bayerischer Hoheitsinteressen im Deutschen Reichstag in den Schlachtruf zusammenfaßte: »Lieber bayerisch sterben als preußisch verderben.«34

Man muß die damaligen Versammlungen miterlebt haben, um zu verstehen, was es für mich selbst bedeutete, als ich mich zum ersten Male, umringt von einer Handvoll Freunde, in einer Versammlung im Löwenbräukeller zu München gegen diesen Wahnsinn zur Wehr setzte.35 Es waren Kriegskameraden, die mir damals Beistand leisteten, und man kann sich vielleicht in unser Gefühl hineinversetzen, wenn eine vernunftlos gewordene Masse36 gegen uns brüllte und uns niederzuschlagen drohte, die während der Zeit, da wir das Vaterland verteidigt hatten, zum weitaus größten Teil als Deserteure und Drückeberger sich in Etappen oder in der Heimat herumgetrieben hatte.37 Für mich freilich hatten diese Auftritte das Glück, daß sich die Schar meiner Getreuen erst recht mit mir verbunden fühlte und bald auf Leben und Tod auf mich eingeschworen war.38

Diese Kämpfe, die sich immer wiederholten und durch das ganze Jahr 191939 hinzogen, schienen sich gleich zu Beginn des Jahres 1920 noch zu verstärken.40 Es gab Versammlungen – ich erinnere mich besonders an eine im Wagnersaal#1937: Wagnersaal ersetzt durch: Wagner-Saal;
1939: Wagnersaal
an der Sonnenstraße in München –, in denen meine unterdes größer gewordene Gruppe schwerste Kämpfe zu bestehen hatte, die nicht selten damit endeten, daß man