Die »wirtschaftsfriedliche« Eroberung – der größte Unsinn <span class="pagenumber">[151]</span>

114 England bzw. Großbritannien führte in seiner Geschichte lediglich zweimal die allgemeine Wehrpflicht ein: von 1916 bis 1920 und von 1939 bis 1960.  Dafür gibt es historische Gründe: Zum einen galt das Heer seit dem Englischen Bürgerkrieg (1642 – 1649) als eine potenzielle Gefahr für die innere Stabilität des Landes; daher sollte es möglichst klein bleiben. Zusätzlich kam es unter die Kontrolle des Parlaments und nicht der Krone. Dies erklärt auch die Bezeichnung »British Army«, im Gegensatz zur »Royal Navy« und später der »Royal Air Force«. Seit der Bill of Rights von 1689 muss das Parlament alle fünf Jahre im Armed Forces Act die Existenz der Armee legal bestätigen. Zum anderen war die Royal Navy lange Zeit die bevorzugte Teilstreitkraft, galt sie doch als Garant für den weltweiten Handel sowie für die Eroberung des Empires. Erst bei der Expansion ins Binnenland der Kolonien sowie bei der Sicherung des Empires wurde das Heer dann seit dem 19. Jahrhundert wichtiger. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs rekrutierte sich das britische Heer ausschließlich aus Freiwilligen. Am 1. 8. 1914 besaß es eine Gesamtstärke von 733.514 Mann: 247.432 aktive Soldaten, 145.347 Reservisten, 63.933 Spezialreservisten, 5.613 Milizionäre von den Kanalinseln, 270.859 Angehörige der Territorial Army sowie 330 Freiwillige von der Isle of Man und vom Bermuda-Regiment. Trotz der großen Zahl an Freiwilligen sah sich die Regierung aufgrund hoher Verluste gezwungen, im Mai 1916 die allgemeine Wehrpflicht für alle Männer zwischen 18 und 41 Jahren einzuführen. Lediglich in Irland behielt das Heer aus Sorge vor innenpolitischen Unruhen das Prinzip der Freiwilligkeit bei.

Vgl. Statistics of the Military Effort of the British Empire, S. 30; Simkins, Army; French, Way; Chandler/ Beckett (Hrsg.), History; Leonhard, Büchse, S. 360 – 363, 490 – 492. 

115 Der Begriff »Söldner« ist hier irreführend. Wie alle europäischen Staaten griff zwar auch England in den Kriegen der Frühen Neuzeit auf Söldner zurück, allerdings nicht in stärkerem Maße als andere Großmächte. Richtig ist allerdings, dass die englische bzw. britische Armee verstärkt ausländische Kontingente in ihre Reihen integrierte, so etwa die King’s German Legion während der napoleonischen Kriege. Auch waren die großen englischen bzw. britischen Siege häufig Siege einer Koalitionsstreitmacht. So kämpften etwa am 18. 6. 1815 in der Schlacht von Waterloo 25.000 Soldaten aus dem Vereinigten Königreich, aber 33.000 Deutsche und Niederländer unter Wellingtons Kommando. Im Ersten Weltkrieg mobilisierte das Vereinigte Königreich auch seine Kolonien; ebenso kämpften die Commonwealth-Staaten an der Seite des »Mutterlands«. Am 1. 11. 1918 bestand das britische Heer an der Westfront aus 1.966.727 Mann – davon 1.561.370 Briten, 93.708 Australier, 25.287 Neuseeländer, 153.828 Kanadier, 6.003 weiße sowie 3.008 schwarze Südafrikaner und 16.042 Inder (davon 433 Briten). Hinzu kamen 107.481 farbige Soldaten aus den Kolonien, die hauptsächlich in verschiedenen Etappenfunktionen ihren Dienst versahen. Auf den restlichen Kriegsschauplätzen (Italien, Ägypten, Mazedonien, Afrika, Mesopotamien und Aden) dienten 508.689 Briten (einschließlich der Briten der Indian Army), 17.085 Australier, 4.544 Neuseeländer, 3.945 Südafrikaner, 238.378 Inder und 482.728 farbige Soldaten aus den Kolonien. Im Gegensatz zu den Armeen »weißer« Commonwealth-Staaten wollte die britische Führung in Europa keine farbigen Kolonialsoldaten gegen Deutsche einsetzen. 30.000 Mann der Indian Army sowie etwa 5.000 weitere Kolonialsoldaten kamen aber an der Westfront bzw. in Mazedonien zum Kampfeinsatz. Im Vergleich zu den hohen Verlusten der britischen Truppen (11,6 %) lagen die der Kolonialtruppen (3,7 %) deutlich darunter. Unter den Commonwealth-Staaten verzeichneten nur Australien (14,2 %) und Neuseeland (12,6 %) höhere Verluste. Dennoch glaubte man auf deutscher Seite noch im Zweiten Weltkrieg, die britische Armee würde bevorzugt Commonwealth-Truppen opfern, um »englisches Blut zu sparen«.

Vgl. Statistics of the Military Effort of the British Empire, S. 62 f., 756; Perry, Commonwealth; Lieb, Krieg, Zitat S. 132; Simms, Nachmittag; Leonhard, Büchse, S. 159 f.

entschloß man sich auch zum Bau einer Flotte, jedoch auch wieder nicht zum Angriff und zur Vernichtung Englands, sondern zur »Verteidigung« des schon benannten »Weltfriedens« und der »friedlichen« Eroberung der Welt. Daher wurde sie auch in allem und jedem etwas bescheidener gehalten, nicht nur der Zahl, sondern auch dem Tonnengehalt der einzelnen Schiffe sowie der Armierung nach, um auch so wieder die letzten Endes doch »friedliche« Absicht durchleuchten zu lassen.112

Das Gerede# 1944: eingefügt: von der »wirtschaftsfriedlichen« Eroberung der Welt war wohl der größte Unsinn, der jemals zum leitenden Prinzip einer# 1930: einer ersetzt durch: der Staatspolitik erhoben wurde. Dieser Unsinn wurde noch größer dadurch, daß man sich nicht scheute, England als Kronzeugen für die Möglichkeit einer solchen Leistung anzurufen. Was dabei unsere professorale Geschichtslehre und Geschichtsauffassung mitverbrochen hat113, kann kaum wieder gutgemacht werden und ist nur der schlagende Beweis dafür, wie viele Leute Geschichte »lernen«, ohne sie zu verstehen oder gar zu begreifen. Gerade in England hätte man die schlagende Widerlegung dieser Theorie erkennen müssen; hat doch kein Volk mit größerer# 1933: größerer ersetzt durch: größter;
1937: größerer;
1939: größter;
1944: größerer Brutalität seine wirtschaftlichen Eroberungen mit dem Schwerte besser vorbereitet und# 1937: und ersetzt durch: oder;
1939: und später rücksichtsloser# 1937: rücksichtsloser ersetzt durch: rücksichtslos;
1939: rücksichtsloser;
1944: rücksichtslos verteidigt, als das englische. Ist es nicht geradezu das Merkmal britischer Staatskunst, aus politischer Kraft wirtschaftliche Erwerbungen# 1937: Erwerbungen ersetzt durch: Eroberungen;
1939: Erwerbungen zu ziehen und jede wirtschaftliche Stärkung sofort wieder in politische Macht umzugießen? Dabei welch ein Irrtum, zu meinen, daß England etwa persönlich zu »feige«# 1926: »feige« ersetzt durch: feige wäre, für seine Wirtschaftspolitik auch das eigene Blut einzusetzen.# 1930: Punkt ersetzt durch: Ausrufezeichen Daß das englische Volk kein »Volksheer« besaß114, bewies hier in keiner Weise das Gegenteil; denn nicht auf die jeweilige militärische Form der Wehrmacht kommt es hierbei an, als vielmehr auf den Willen und die Entschlossenheit, die vorhandene einzusetzen. England besaß immer die Rüstung, die es eben nötig hatte. Es kämpfte immer mit den Waffen, die der Erfolg verlangte. Es schlug sich mit Söldnern, solange Söldner genügten115; es griff aber auch tief hinein in das wertvollste# 1937: wertvollste ersetzt durch: wertvolle Blut der ganzen Nation, wenn nur# ein solches Opfer den Sieg mehr# 1926: eingefügt: mehr; 1926: gestrichen: mehr bringen konnte; immer aber blieb die Entschlossenheit zum