endlich Deutschland sich in zwei Machtbereiche zu trennen begann, wurde eben diese Trennung zur deutschen Geschichte.57

Die zu Wien bewahrten Kaiserinsignien58 einstiger Reichsherrlichkeit scheinen als wundervoller Zauber weiter zu wirken, als Unterpfand einer ewigen Gemeinschaft.

Der elementare Aufschrei des deutschösterreichischen Volkes in den Tagen des Zusammenbruches des Habsburgerstaates nach Vereinigung mit dem deutschen Mutterland war ja nur das Ergebnis eines tief im Herzen des gesamten Volkes schlummernden Gefühls der Sehnsucht nach dieser Rückkehr in das nie vergessene Vaterhaus.59 Niemals aber würde dies erklärlich sein, wenn nicht die geschichtliche Erziehung des einzelnen Deutschösterreichers Ursache einer solchen allgemeinen Sehnsucht gewesen wäre. In ihr liegt ein Brunnen, der nie versiegt; der besonders in Zeiten des Vergessens als stiller Mahner, über augenblickliches Wohlleben hinweg, immer wieder durch die Erinnerung an die Vergangenheit von neuer Zukunft raunen wird.

Der Unterricht über Weltgeschichte in den sogenannten Mittel­schulen liegt ja# 1930: gestrichen: ja nun freilich auch heute noch sehr im Argen# 1937: Argen ersetzt durch: argen . Weni­ge Lehrer60 begreifen, daß das Ziel gerade des geschichtlichen Unter­richtes# 1944: Unterrichtes ersetzt durch: Unterrichts nie und nimmer im Auswendiglernen und Herunterhaspeln geschichtlicher Daten und Ereignisse liegen kann; daß es nicht darauf ankomme# 1930: ankomme ersetzt durch: ankommt , ob der Junge nun genau weiß, wann diese oder jene Schlacht geschlagen, ein Feldherr geboren wurde, oder gar ein (meistens sehr unbedeutender) Monarch die Krone seiner Ahnen auf das Haupt gesetzt erhielt. Nein, wahrhaftiger Gott, darauf kommt es wenig an.61

Geschichte »lernen« heißt die Kräfte suchen und finden, die als Ursachen zu jenen Wirkungen führen, die wir dann als geschichtliche Ereignisse vor unseren Augen sehen.

Die Kunst des Lesens wie des Lernens ist auch hier: Wesentliches behalten, Unwesentliches vergessen.

Es wurde vielleicht bestimmend für mein ganzes späteres Leben, daß mir das Glück einst gerade für Geschichte einen Lehrer gab, der es als einer der ganz wenigen verstand, für Unterricht und Prüfung diesen Gesichtspunkt zum beherrschenden zu machen. In meinem