<span class="pagenumber"></span>13. Kapitel Deutsche Bündnispolitik nach dem Kriege

1 Der Vorwurf der »Zerfahrenheit« verweist auf die häufigen Kabinettswechsel seit Gründung der Weimarer Republik: Im August 1923 trat mit Gustav Stresemann bereits der neunte Minister des Auswärtigen seit 1919 ins Amt. Nach einer Phase der Unsicherheit stabilisierte sich jedoch die deutsche Außenpolitik unter Stresemann und führte auch zu klaren außenpolitischen Erfolgen – so zum Dawes-Abkommen vom 16. 8. 1924, das die Reparationszahlungen auf ein Maß verringerte, das der Leistungsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft entsprach, zur darin ebenfalls geregelten vorzeitigen Räumung des besetzten Ruhrgebiets, zum Eintritt Deutschlands in den Völkerbund am 10. 9. 1926 sowie zum deutsch-französischen Han-delsabkommen vom 17. 8. 1927, das Deutschland de facto Meistbegünstigung gewährte. Hitler ignorierte jedoch nicht nur diese Früchte einer zielstrebigen und glaubwürdigen Verständigungspolitik, sondern auch die überaus kleinen Handlungsspielräume der deutschen Außenpolitik nach dem Ende des Ersten Weltkriegs. Die Auflagen der Siegermächte konnten zunächst weder umgangen noch ignoriert werden und erforderten eine völlige Neuausrichtung der Außenpolitik. Alle Energien konzentrierten sich in der Folgezeit darauf, die als besonders belastend empfundenen Bestimmungen des Versailler Vertrags abzubauen. Im Vordergrund standen dabei die Reduktion der Reparationszahlungen, die Rückgabe besetzter Gebiete und die Aufhebung wirtschaftlicher und militärischer Restriktionen. Die außenpolitischen Optionen des Deutschen Reichs blieben indes zunächst sehr gering. Dynamisierend wirkte der Vertrag von Rapallo vom 16. 4. 1922 mit dem ebenfalls international isolierten Russland, in dem sich beide Seiten Meistbegünstigung gewährten und auf den Ersatz von Kriegskosten und -schäden verzichteten.

Vgl. Linke, Beziehungen, S. 198 – 214; Krüger, Außenpolitik, S. 77 – 372; Grupp, Außenpolitik, S. 8 f., 172 – 184; Hildebrand, Reich (2008), S. 383 – 432; Kap. I/10, Anm. 50, 79; Anm. 159 in diesem Kapitel; Kap. II/15, Anm. 11, 12.

2 Hitler begreift Souveränität in einem rein machtpolitischen Sinn, als höchste Gewalt nach innen und als Unabhängigkeit nach außen, einschließlich der Befähigung des Staates, jederzeit Kriege führen zu können. In dieser Hinsicht hatte der Versailler Friedensvertrag dem deutschen Staat enorme Beschränkungen auferlegt, vor allem hinsichtlich der Entwaffnungsbestimmungen, aber auch durch den Verlust eines Achtels seines Territoriums und eines Zehntels der Bevölkerung. Trotz der Einschränkungen besaß der deutsche Staat jedoch im Inneren weiterhin seine Hoheitsrechte, sodass er in dieser Hinsicht keiner »Wiederaufrichtung« bedurfte.

Vgl. Randelzhofer, Staatsgewalt, S. 692; Boldt u. a., Staat, S. 3, 107 f., 149 – 151; Büttner, Weimar, S. 120 – 130; Kolb/ Schumann, Republik, S. 28 – 32; Kap. II/15, Anm. 11.

13. Kapitel
Deutsche Bündnispolitik nach dem Kriege

Die Zerfahrenheit der außenpolitischen Leitung des Reiches in der Fassung#1929: Fassung ersetzt durch: Aufstellung grundsätzlicher Richtlinien für eine zweckmäßige Bündnispolitik setzte sich nach der Revolution nicht nur fort, sondern wurde noch übertroffen. Denn wenn vor dem Kriege in erster Linie allgemeine politische Begriffsverwirrungen als Ursache unserer verfehlten Staatsleitung nach außen gelten durften, dann war es nach dem Kriege#1944: Kriege ersetzt durch: Krieg ein Mangel an ehrlichem Wollen.1 Es war natürlich, daß die Kreise, die durch die Revolution endlich ihre destruktive Absicht verwirklicht#1929: destruktive Absicht verwirklicht ersetzt durch: destruktiven Ziele erreicht sahen, kein Interesse an einer Bündnispolitik besitzen konnten, deren Endergebnis die Wiederaufrichtung eines freien Souveränitätsstaates der deutschen Nation#1929: Souveränitätsstaates der deutschen Nation ersetzt durch: deutschen Staates sein mußte.2 Nicht nur, daß eine solche Entwicklung dem inneren Sinne des Novemberverbrechens3 widersprechen würde#1929: widersprechen würde ersetzt durch: widersprochen;
1933: widersprechen [sic!];
1937: widersprochen, nicht nur, daß sie die Internationalisierung der deutschen Wirtschaft und Arbeitskraft4 unterbrochen oder gar beendet hätte: es wäre auch die politische Auswirkung im Inneren#1929: Inneren ersetzt durch: Innern;
1930: Inneren;
1944: Innern als Folgeerscheinung einer außenpolitischen Freiheitserkämpfung für die Träger der heutigen Reichsgewalten in der Zukunft verhängnisvoll#1929: eingefügt: gewesen. Man kann sich eben die Erhebung einer Nation nicht denken ohne eine vorhergegangene Nationalisierung derselben, sowie#1930: sowie ersetzt durch: so wie umgekehrt jeder gewaltige außenpolitische Erfolg zwangsläufig Rückwirkungen im gleichen Sinne ergibt. Jeder Freiheitskampf führt erfahrungsgemäß zu einer Steigerung des Nationalgefühls, des Selbstbewußtseins und damit aber auch zu einer schärferen Empfindlichkeit antinationalen Bestrebungen#1929: Bestrebungen ersetzt durch: Elementen und ebensolchen Elementen#1929: Elementen ersetzt durch: Bestrebungen gegenüber.5 Zustände und Personen, die in friedsamen Zeiten geduldet, ja oft nicht einmal beachtet werden, finden in Perioden auf-

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