Die Arbeit als Spekulationsobjekt <span class="pagenumber">[248]</span>

46 Hitler reproduziert auch hier ein antisemitisches Klischee. Theodor Fritsch warf dem deutschen Adel schon in seinem erstmals 1887 publizierten Antisemiten-Katechismus vor, durch die Bereitschaft zu »Judengeld-Heirathen« sein »Zucht-Ideal verloren« zu haben. Adolf Bartels schlug 1908 in dieselbe Kerbe, als er den Adel bezichtigte, sich »im Banne [des] modernen Mammonismus, mit minderwertigen Elementen vermischt« zu haben, vor allem »mit Juden«. 1912 erschien schließlich der Semi-Gotha, ein denunziatorisches Handbuch, das eine starke »Verjudung« des Adels anprangern sollte. Auch der in der NS-Bewegung hochgeschätzte Hans F. K. Günther betonte in seiner Rassenkunde des deutschen Volkes: »Wenn Adel wieder einen rassischen Sinn erhalten soll, so ist ihm die Erzielung nordischer Rassenreinheit als erste Aufgabe zugewiesen.«

Der Hintergrund dieser Äußerung war die steigende Zahl großbürgerlich-adeliger Ehen nach 1871, die auch jüdische Unternehmerfamilien mit einschlossen. Insgesamt blieben jedoch auch im Kaiserreich inneradelige und innerbürgerliche Ehen die Regel, großbürgerlich-adelige Heiraten waren selten, altadlig-jüdische Heiraten noch seltener. Gleichwohl warfen völkische Autoren dem reichen Adel immer wieder vor, sich aus eigenem Verschulden »verjudet« zu haben. Wie ernst diese Vorwürfe im Adel genommen wurden, zeigte sich im Juni 1920, als auf dem 34.  Adelstag in Berlin die Aufnahme eines »Arierparagraphen« in die Statuten der Deutschen Adelsgenossenschaft (DAG) beschlossen wurde. Künftig konnte niemand mehr Mitglied der DAG werden, der »unter seinen Vorfahren im Mannesstamme einen nach dem Jahre 1800 geborenen Nichtarier hat oder zu mehr als einem Viertel anderer als arischer Rasse entstammt, oder mit jemanden verheiratet ist, bei dem dies zutrifft«.

Vgl. Lagarde, Schriften, S. 366; Fritsch, Antisemiten-Katechismus, Zitat S. 248 f.; Bartels, Rassenzucht, Zitat S. 156; Vietinghoff, Adel, S. 270 f.; Günther, Rassenkunde (1923), Zitat S. 325; Hufenreuter, Semi-Gotha; Malinowski, König, bes.S. 122 – 124, 336 – 340, Zitat S. 337.

47 Aufgrund von spektakulären Renditen stieg während der Hochkonjunkturphase 1867 – 1873 die Attraktivität des Wertpapierhandels. Die Investitionen auf dem Aktienmarkt stiegen von 1871 bis 1873 sprunghaft um 2,8 auf 5,2 Milliarden Mark. 928 neue Aktiengesellschaften entstanden. Zur großen Zäsur wurde der Börsenkrach von 1873, als massive Wertverluste den Optimismus und die Investitionsbereitschaft der Gründerzeit nachhaltig erschütterten. Laut zeitgenössischen Berechnungen des Preußischen Statistischen Büros sank der Kurswert von 444 Aktiengesellschaften zwischen Ende 1872 und Ende 1874 von 4,5 auf 2,4 Milliarden Mark. Von 1872 bis 1878 fiel das Volumen neu ausgegebener Aktien von 106 auf 13 Millionen Mark. In dem von abwechselnden Wachstums- und Depressionsphasen geprägten Zeitraum 1874 – 1895 wurden mit insgesamt 2,4 Milliarden Mark rund 400 Millionen Mark weniger investiert als in den Jahren 1871 – 1873.  Doch begann, abgesehen von den Krisenjahren 1900 – 1902 und 1907/08, der Aktienmarkt während der Hochkonjunkturperiode seit Mitte der 1890er Jahre wieder zu florieren. Damals wurden insgesamt 3.768 neue Aktiengesellschaften mit einem Gesamtkapital von fast 5,8 Milliarden Mark gegründet.

Vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3, S. 81 f., 97 – 102, 555, 598 f.; Eube, Aktienmarkt, bes.S. 28 – 74; Burhop, Wirtschaftsgeschichte, S. 172 – 190. 

48 Dieser an marxistischen Sprachduktus erinnernde Passus weist auffällige Parallelen zu einem 1921 in der Zeitschrift Deutschlands Erneuerung veröffentlichten Aufsatz Paul Bangs auf, den Hitler als Autor von Judas Schuldbuch kannte und schätzte. Der Aufsatz wurde vom Münchner Lehmann-Verlag, der schon seit 1919 in enger Verbindung zu Hitler stand, auch als Sonderdruck verbreitet. Bang schrieb darin mit Blick auf die Börse: »Heute sind die meisten Aktien zum reinen Spielpapier geworden. Das in ihnen verkörperte Stück deutscher Arbeit wird damit zum bloßen Spekulationsgegenstande […]. So findet im Aktienrecht die Entfremdung zwischen Kapital und Arbeit ihren stärksten Ausdruck. Das unpersönliche Kapital und die unpersönliche Aktie haben sich verbunden, um […] die Werteschaffung zu entpersönlichen und sie zum Spekulationsobjekt zu machen.«

Für antisemitische Autoren war die Börse ein zentrales Feindbild. Schon 1861 erklärte der preußische Gutsbesitzer Heinrich Gottlieb Nordmann in dem anonym veröffentlichten Pamphlet Die Juden und der Deutsche Staat die »Börsenplätze« in Wien, Berlin und Frankfurt zu »jerusalemitischen Vororten«. 1894 porträtierte Theodor Fritsch die Börse als jüdisch kreierten und dominierten »Wert-Verschiebungs- und Volks-Plünderungs-Apparat«. Auch Gottfried Feder führte das gesamte »Börsenwesen« auf den »raffenden Geist des Juden« zurück und behauptete, im »Bank- und Börsenkapital« habe sich »die ungeheuerste Machtfülle zusammengeballt, die der Erdkreis je getragen hat«. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts arbeiteten tatsächlich vergleichsweise viele Juden im Finanz-, Banken- und Börsengeschäft. Seit dem Börsenkrach von 1873 sahen sie sich als die vermeintlichen Hauptprotagonisten und Nutznießer des modernen Kapitalismus und Wirtschaftsliberalismus vermehrt antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt. Dabei wurde gern übersehen, dass die Mehrheit der Juden (zumeist selbständig) im Kleinhandel tätig war und von Inflation und Rezession genauso hart betroffen war wie ihre nichtjüdischen Mitbürger.

Vgl. Nordmann, Juden, Zitat S. 61; Fritsch, Grundübel, S. 212 – 234; Sombart, Juden, S. 69, 99, 115; Fritsch (Hrsg.), Handbuch, S. 524; Bang, Entedelung, Zitat S. 74 (Herv. i. Orig.); Feder, Staat (1924), Zitate S. 20 f.; Gassert/ Mattern, Library, S. 24; Zehnpfennig, Kampf (2000), S. 114; Reitmayer, Abgrenzung, S. 152 – 154; Schäfer, Vermessen, S. 328 – 343; Bartal, Geschichte, S. 127; Plöckinger, Geschichte, S. 38 f., 333; Penslar, Entwicklung, S. 256 f.

50 Anspielung auf den Dawes-Plan, der am 29. 8. 1924 vom Reichstag angenommen wurde und der die deutschen Reparationszahlungen vorläufig zu regeln versuchte, indem er sie der realistischen Leistungsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft anpasste. Die Zahlungen sollten bis 1927/28 zunächst pro Jahr 1 – 1,75 Milliarden betragen, danach 2,5 Milliarden Reichsmark. Auf eine endgültige Festlegung der Reparationssumme wurde verzichtet. Finanziert werden sollten die Reparationen nicht nur aus dem Reichshaushalt, sondern auch aus Leistungen der Industrie und der Deutschen Reichsbahn. Zur Sicherung der Ansprüche wurden Reichsbahn und Reichsbank internationaler Kontrolle unterstellt. Verbunden mit dem Dawes-Plan war für Deutschland eine internationale Anleihe von 800 Millionen Reichsmark, an die sich bis 1929 Kredite ausländischer Banken und Firmen über weitere 21 Milliarden Reichsmark anschlossen. Der Dawes-Plan besaß gegenüber vorherigen Plänen klare Vorteile, sodass auch der Reichsverband der Deutschen Industrie auf seine Annahme drängte. Er ermöglichte es dem Deutschen Reich, seine Reparationen zu bezahlen und sich wirtschaftlich zu erholen, während Frankreich, Großbritannien und Italien wiederum ihre Kriegskredite an die USA zurückzahlen konnten. Als weiterer Vorzug verzichtete Frankreich auf sein bis dahin verbrieftes Sanktionsrecht, sodass für den Fall eines deutschen Leistungsverzugs künftig einseitige Pfandnahmen, wie sie Frankreich und Belgien im Januar 1923 durch die Besetzung des Ruhrgebiets vorgenommen hatten, ausgeschlossen blieben. Der Dawes-Plan regelte zudem die Räumung des Ruhrgebiets binnen Jahresfrist. Sie erfolgte im Juli/August 1925.

Nach einem Bericht Walter Stangs, Mitarbeiter der Deutschen Zeitung und häufiger Besucher Hitlers während dessen Landsberger Festungshaft, beschäftigte sich Hitler im Mai 1924 intensiv mit der »Reichsbahn-Frage«. Demnach deutete Hitler den »schärfste[n] Kampf gegen dieses letzte im Sachverständigen-Gutachten vorgesehene nationale Verbrechen« als »eine der vornehmsten Aufgaben der Völkischen Bewegung«. Es sei »einfach, einzusehen, dass die feinverstrickten, von unerbittlicher Lebensnotwendigkeit über das Gebiet unseres Volkes geworfenen Bahnlinien, die unerläßlichen Blut- und Nervenstränge seiner Existenz bilden« würden.

Vgl. RGBl. 1924/II, S. 289 – 357; Link, Stabilisierungspolitik, bes.S. 201 – 222, 260 – 337; Krüger, Außenpolitik, S. 218 – 269; Büttner, Weimar, S. 350 – 366; Plöckinger, Geschichte, Zitat S. 44 f.; Kap. II/15, Anm. 47.

51 Die Regelungen des Dawes-Plans zur Reichsbahn als eine von langer Hand vorbereitete Politik der SPD zu deuten, ist absurd. Der Gedanke, die Reichsbahn als Sicherung der deutschen Reparationsleistungen zu verwenden, entstand erst vor dem Hintergrund der verheerenden Staatskrise, in die Deutschland 1923 durch die Ruhrbesetzung, die Hyperinflation und den »passiven Widerstand« stürzte. Der Dawes-Plan wurde gerade nicht von einer sozialdemokratischen Reichsregierung ausgehandelt, sondern von einer Koalition aus Zentrum, DDP und DVP. Auch die deutsche Delegation der Londoner Konferenz, auf der das Dawes-Abkommen im Juli und August 1924 vorbereitet wurde, war nicht von Sozialdemokraten geführt, sondern von Reichskanzler Wilhelm Marx (Zentrum), Außenminister Gustav Stresemann (DVP), dem parteilosen Finanzminister Hans Luther und Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht. Das Konzept, die Reichbahn als Reparationspfand zu betrachten, geht auf eine Denkschrift Franz Kempners vom 15. 4. 1923 zurück, einem Ministerialrat der Reichskanzlei, der politisch der DNVP nahestand. Eingang fand die Idee dann in ein offizielles Memorandum der Reichsregierung vom 7. 6. 1923.  In diesem wurde unter anderem vorgeschlagen, als »Garantie für die Durchführung des endgültigen Reparationsplanes« die Reichsbahn »mit allen Anlagen und Einrichtungen von dem sonstigen Reichsvermögen« loszulösen und in ein »Sondervermögen« zu verwandeln, das »von der allgemeinen Finanzverwaltung unabhängig« sein sollte.

Vgl. Ursachen und Folgen, Bd. 5, Dok. 1048, Zitat S. 146; Kolb, Reichsbahn, S. 109 – 124; Lichter, Reichsbahn-Gesellschaft; Pyta, Hindenburg, S. 679; Büttner, Weimar, S. 350 f.

auch Staatsmann nun# 1930: gestrichen: nun in Beziehung zum nächstbesten Bankjuden gebracht zu werden, so daß der# 1930: werden, so daß der ersetzt durch: werden: der wirklich verdienstvolle Mann# 1930: eingefügt: konnte kein Interesse an der Verleihung solcher billigen# 1930: solcher billigen ersetzt durch: billiger Dekorationen mehr besitzen konnte# 1930: gestrichen: konnte , sondern# 1930: eingefügt: lehnte dankend für sich ablehnte# 1930: ablehnte ersetzt durch: ab . Rein# 1930: Rein ersetzt durch: Aber auch rein blutsmäßig betrachtet aber war ein solches Vorgehen# 1930: aber war ein solches Vorgehen ersetzt durch: war eine solche Entwicklung tief traurig; der Adel verlor immer mehr die rassische Voraussetzung zu seinem Dasein. Für ihn wäre# 1930: Dasein. Für ihn wäre ersetzt durch: Dasein, und zu einem großen Teile# 1930: eingefügt: wäre viel eher die Bezeichnung »Unadel«# 1930: eingefügt: für ihn am Platze gewesen.46

Eine schwere wirtschaftliche Verfallserscheinung war das langsame Ausscheiden des persönlichen Besitzrechtes und allmählige# 1926: allmählige ersetzt durch: allmähliche [sic!] Übergehen der gesamten Wirtschaft in das Eigentum von Aktiengesellschaften.47

Damit erst war so recht die Arbeit zum# 1926: war so recht die Arbeit zum ersetzt durch: war die Arbeit so recht zum Spekulationsobjekt gewissenloser Schacherer herabgesunken, die Entfremdung des Besitzes gegenüber dem Arbeitnehmer aber wurde nun# 1930: gestrichen: nun in das# 1937: in das ersetzt durch: ins;
1939: in das;
1944: ins unendliche# 1944: unendliche ersetzt durch: Unendliche gesteigert. Die Börse begann zu triumphieren und schickte sich an, langsam aber sicher, das Leben der Nation in ihre Obhut und Kontrolle zu nehmen.48

Die Verinternationalisierung der deutschen Wirtschaft war schon vor dem Kriege über dem Umwege# 1944: Umwege ersetzt durch: Umweg der Aktie in die Wege geleitet worden. Freilich versuchte ein Teil der deutschen Industrie, sich noch mit Entschiedenheit vor diesem Schicksale zu bewahren49; dafür aber verfiel diese dann# 1930: bewahren; dafür aber verfiel diese dann ersetzt durch: bewahren. Sie fiel schließlich aber auch dem vereinigten Angriff des gierigen Finanzkapitals, das diesen Kampf besonders mit Hilfe seines treuesten Genossen, der marxistischen Bewegung, ausfocht# 1930: ausfocht ersetzt durch: ausfocht, zum Opfer .

Der dauernde Krieg gegen die deutsche »Schwerindustrie«, war der sichtbare Beginn der durch den Marxismus erstrebten Verinternationalisierung der deutschen Wirtschaft, die allerdings erst durch den Sieg des Marxismus in der Revolution zu dem ersehnten Ende gelangen# 1930: zu dem ersehnten Ende gelangen ersetzt durch: ganz zu Ende geführt werden konnte. Während ich dieses niederschreibe, ist endlich ja auch# 1926: endlich ja auch ersetzt durch: ja endlich auch der Generalangriff gegen die deutsche# 1944: deutsche ersetzt durch: Deutsche Reichsbahn gelungen, die nun zu Händen des internationalen Finanzkapitals überwiesen wird.50 Die »internationale« Sozialdemokratie hat damit wieder eines ihrer Hochziele erreicht.51