Der Sprechabend <span class="pagenumber">[375]</span>

126 Dass eine Splitterpartei wie die DAP und die frühe NSDAP nicht im Zentrum des öffentlichen Interesses stand, kann kaum überraschen. Immerhin berichtete seit Oktober 1919 jedoch der Völkische Beobachter, der damals noch dem Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund (DVSTB) und der DsP nahestand, über die Versammlungen der DAP. Wenn Hitler dabei nicht immer erwähnt wurde, so liegt das schlicht daran, dass er bis zum Frühjahr 1920 keineswegs im Zentrum der Parteipropaganda stand. Seit Herbst 1919 gewann die DAP zusehends einflussreiche völkische Aktivisten als Mitglieder und Unterstützer – darunter Ernst Boepple, Dietrich Eckart, Gottfried Feder, Erich Kühn, Ernst Röhm und Paul Tafel. Dementsprechend galt die DAP bereits im Herbst 1919 als potenzieller Partner für Parteizusammenschlüsse. Von einer »vollständigen Nichtbeachtung« kann keine Rede sein. Dietrich Eckart erwähnte Hitler und die NSDAP in seiner Zeitschrift Auf gut deutsch allerdings tatsächlich erst relativ spät, im Januar 1921 – sicherlich zur Enttäuschung Hitlers, der Eckart sehr verehrte. Eckart vertrat in seiner Zeitschrift aber stets sehr ähnliche Positionen wie die NSDAP.

Vgl. IfZ-Archiv, MA 1217: Mitgliederverzeichnis der NSDAP (um Mai 1920); Eckart, Vorspiel, S. 33 f.; Jäckel/ Kuhn (Hrsg.), Hitler, Dok. 63, 66; Auerbach, Lehrjahre, S. 10; Plöckinger, Soldaten, S. 144 f., 158 – 160; Kap. I/9, Anm. 29; Anm. 186 in diesem Kapitel; Kap. II/15, Anm. 113.

130 Die DAP kannte vier Formen von Veranstaltungen: »Ausschusssitzungen«, also Sitzungen des Parteivorstands; kleinere Sprech- bzw. Diskussionsabende, die nicht extra beworben wurden; Versammlungen mit offiziell angekündigten Rednern als größte Veranstaltungsform sowie als Mischform die Mitgliederversammlungen. Die Unterschiede der Veranstaltungsformen waren zunächst freilich gering. So erschienen am 18. 7. 1919 zu einer öffentlichen Veranstaltung 22, zur Mitgliederversammlung am 28. 7. 1919 dann 18 Personen. Erst mit den extra beworbenen größeren Versammlungen seit September 1919 weitete sich der Rahmen merklich aus, die Sprechabende wurden daneben bis Frühjahr 1920 beibehalten. Ob die angesprochenen Veranstaltungen tatsächlich wöchentlich stattfanden, lässt sich nicht belegen.

Vgl. IfZ-Archiv, MA 733: Anwesenheitslisten; BA Berlin, NS 26/1923 b: Bericht Josef Fueß; Plöckinger, Soldaten, S. 146 f., 151, Anm. 58.

131 Bis zum Sommer 1919 war dies tatsächlich der Fall. Zum Zeitpunkt von Hitlers Eintritt in die DAP im September 1919 war der Kreis der Mitglieder und Interessenten – zwischen denen in dieser Phase nicht deutlich unterschieden wurde, da keine Mitgliederkarten, sondern nur Anwesenheitslisten geführt wurden – allerdings bereits deutlich größer als die Zahl der Angehörigen des Parteiausschusses. Die Fluktuation war jedoch beträchtlich, wie die Anwesenheitslisten der DAP aus diesen Monaten belegen. Auch einige Bekannte Hitlers besuchten nur ein- oder zweimal die Treffen der DAP, während andere der Partei beitraten. Laut einem Bericht des ersten Geschäftsführers der DAP, Rudolf Schüßler, versuchte die Partei die Anzahl ihrer Mitglieder und Sympathisanten auf verschiedene Weise zu steigern: »Eine der wirksamsten Werbemaßnahmen in den Anfängen war die Anweisung, daß jeder Besucher zum nächsten Sprechabend mindestens einen neuen Gast mitzubringen habe, und so wuchs unser kleiner Kreis bald immer stärker an.«

Vgl. Unser Schicksalsweg zu Hitler, Zitat S. 19; Plöckinger, Soldaten, S. 144 mit Anm. 30, 150 f.

133 Maschinenschriftliche Einladungen wurden von der DAP schon zu früheren Versammlungen hergestellt und verteilt – 400 Stück allein für eine Veranstaltung am 14. 8. 1919, auf der Dietrich Eckart sprach. Auch für eine Versammlung am 12. 9. 1919 wurden solche Blätter verteilt. Dabei konnten Hitler und die DAP im Herbst 1919 über Rudolf Schüßler auf die Infrastruktur des 2.  Infanterie-Regiments zurückgreifen, was gegen einen Erlass des Reichswehrministeriums vom 12. 6. 1919 verstieß. Demnach durften das »Vorgesetztenverhältnis, die Dienstgewalt, die Diensträume und -plätze, die dienstlichen Schreib- und Druckmittel und dienstlichen Sachen jeder Art […] zu Zwecken parteipolitischer Betätigung von Angehörigen der Reichswehr nicht ausgenutzt werden«.

Vgl. IfZ-Archiv, MA 733: Schreiben Drexlers vom 14. 8. 1919; Die neue Rechts- und Wirtschaftsordnung, Bd. 8, Zitat S. 1961; VB vom 8. 11. 1933 (Sonderbeilage), »Die Anfänge der Bewegung«; Dresler (Hrsg.), Dokumente, S. 81; Unser Schicksalsweg zu Hitler, S. 19 f.; Joachimsthaler, Weg, S. 253; Plöckinger, Soldaten, S. 177, 332 mit Anm. 37.

Am meisten galt dies für meine Person.# 1930: gestrichen: Am meisten galt dies für meine Person. 126

Als ich in den Kreis der paar Männer eintrat, konnte weder von einer Partei noch von einer Bewegung die Rede sein. Ich habe meine Eindrücke anläßlich meines ersten Zusammentreffens mit diesem kleinen Gebilde schon geschildert.127 Ich hatte in den damals folgenden Wochen dann Zeit und Gelegenheit, die zunächst unmögliche Erscheinung dieser sogenannten Partei zu studieren. Das Bild war, wahrhaftiger Gott, ein beklemmend niederdrückendes. Es war nichts, aber auch schon rein gar nichts vorhanden. Der Name einer Partei, deren Ausschuß praktisch die ganze Mitgliedschaft repräsentierte, die# 1944: die ersetzt durch: war so oder so das war# 1944: gestrichen: war , was sie zu bekämpfen versuchte, ein Parlament im kleinsten. Auch hier herrschte die Abstimmung128, und wenn sich die großen Parlamente dann noch# 1926: gestrichen: dann noch wenigstens# 1926: eingefügt: noch über größere Probleme monatelang die Kehlen heiser schreien, dann ging# 1926: gestrichen: dann ging in diesem kleinen Zirkel# 1926: eingefügt: ging schon über die Beantwortung eines glücklich eingelaufenen Briefes endloses Zwiegespräch los!

Die Öffentlichkeit wußte von dem allen# 1930: allen ersetzt durch: allem;
1933: allen;
1939: allem natürlich überhaupt nichts. Kein Mensch in München kannte die Partei auch nur dem Namen nach, außer ihren paar Anhängern und den wenigen Bekannten derselben.

Jeden Mittwoch fand in einem Münchner# 1937: Münchner ersetzt durch: Münchener;
1939: Münchner;
1944: Münchener Café129 eine sogenannte Ausschußsitzung statt, einmal in der Woche ein Sprechabend.130 Da die gesamte Mitgliedschaft der »Bewegung« zunächst im Ausschuß vertreten war, waren die Personen natürlich immer dieselben.131 Es mußte sich jetzt darum handeln, endlich den kleinen Zirkel zu sprengen, neue Anhänger zu gewinnen, vor allem aber den Namen der Bewegung um jeden Preis bekanntzumachen.

Die Technik dieses Vorgangs war dabei folgende# 1930: Die Technik dieses Vorgangs war dabei folgende ersetzt durch: Wir bedienten uns dabei folgender Technik :

Wir versuchten alle Monate# 1930: Wir versuchten alle Monate ersetzt durch: In jedem Monat , später alle vierzehn Tage eine# 1930: Tage eine ersetzt durch: Tage, versuchten wir eine »Versammlung« abzuhalten.132 Die Einladungen hierzu wurden auf einer Schreibmaschine oder zum Teil auch mit der Hand auf Zettel geschrieben und die ersten Male von uns selber verteilt bzw. ausgetragen.133 Jeder wendete sich an seinen Bekanntenkreis, um den einen oder anderen zu bewegen, eine dieser Veranstaltungen zu besuchen.