Ludendorff über die Schwäche des Dreibundes <span class="pagenumber">[154]</span>

135 Hitlers Bemerkung zielt vor allem auf die tschechische Bevölkerung der ehemaligen Habsburgermonarchie. Die Stimmung in Böhmen gegenüber der Habsburgermonarchie war während des Ersten Weltkriegs geprägt von einer »Mischung aus Loyalität und Skepsis«. Zugleich verstärkte sich der Wunsch nach Bildung eines unabhängigen tschechischen Staats. So verließ der Reichsratsabgeordnete Tomáš Garrigue Masaryk 1914 seine Heimat und wurde im Exil zu einer der Schlüsselfiguren des tschechischen Nationalismus. Masaryk vertrat damals allerdings »noch keine Mehrheitsposition in Böhmen«. Gleichwohl kämpfte mit der Tschechoslowakischen Legion das größte Kontingent von Bürgern aus Österreich-Ungarn seitens der Entente gegen die Mittelmächte: Bis Kriegsende formierten sich rund 11.000 Mann in Frankreich, 23.500 Mann in Italien und 77.000 Soldaten in Russland als tschechoslowakische Einheiten. Diese Ereignisse aber auch das Stereotyp der tschechischen Unzuverlässigkeit gipfelten am 5. 12. 1917 in einer offiziellen Anfrage deutschnationaler Reichsratsabgeordneter an den k. k. Minister für Landesverteidigung, Karl Czapp von Birkenstetten, über das »Verhalten der Tschechen im Weltkriege« – ein über 400 Seiten umfassendes Dokument, in dem den Tschechen kollektiv mangelndes Engagement, Verrat oder Subversion unterstellt wurde. Als Beispiele galten etwa die Vernichtung des Infanterie-Regiments 28 am 3. 4. 1915 sowie die Niederlage der Infanterie-Regimenter 35 und 75 am 1. /2. 7. 1917, für die es – wie inzwischen geklärt ist – in Wirklichkeit militärische Gründe gab; die Nationalität der dort eingesetzten Soldaten besaß auf den Ausgang der Kämpfe keinen Einfluss. Die Opfer, die auch »das österreichische Slawentum« im Ersten Weltkrieg für Österreich-Ungarn brachte, sind sehr genau dokumentiert. Der Anteil der Kriegstoten an der männlichen Zivilbevölkerung der Doppelmonarchie betrug bis Ende 1917 insgesamt 4,8 %. Diese Gesamtverluste verteilten sich wie folgt auf die Länder der Monarchie: Niederösterreich: 3,5 %; Oberösterreich: 6,0 %; Salzburg: 5,2 %; Kärnten: 7,7 %; Krain: 5,5 %; Küstenland: 2,8 %; Tirol: 5,2 %; Vorarlberg: 5,6 %; Böhmen: 5,8 %; Mähren: 6,4 %; Schlesien: 5,2 %; Galizien: 3,5 %; Bukowina: 3,8 %; Dalmatien: 3,7 %; Ungarn: 5,2 %; Kroatien-Slawonien: 4,1 %; Bosnien-Herzegowina: 3,4 %. Im Hinblick auf ihre militärischen Verluste waren Länder wie Böhmen und Mähren demnach sogar überrepräsentiert. Allein die Zahl der böhmischen und mährischen Kriegstoten bis Ende 1917 (189.015 bzw. 80.248 Tote) überstieg bei weitem die Zahl der Tschechen, die auf der anderen Seite der Front kämpften.

Vgl. Thunig-Nittner, Legion, S. 3 – 44; Hadler, Tschechoslowakei; Bullock, Legion; Lein, Pflichterfüllung, bes.S. 9; Leonhard, Büchse, bes.S. 390 – 395, 529 – 533, Zitate S. 395; Rumpler/ Schmied-Kowarzik (Hrsg.), Weltkriegsstatistik, S. 166 – 180, bes.S. 172 f.

Der Wert des Dreibundes war aber# 1926: gestrichen: aber auch schon psychologisch ein bescheidener, da die Festigkeit eines Bundes in eben dem Maße zunimmt, in dem die einzelnen Kontrahenten zu hoffen vermögen, durch ihn bestimmte, greifbare, expansive Ziele erreichen zu können# 1930: zunimmt, in dem die einzelnen Kontrahenten zu hoffen vermögen, durch ihn bestimmte, greifbare, expansive Ziele erreichen zu können ersetzt durch: abnimmt, je mehr er sich auf die Erhaltung eines bestehenden Zustandes an sich beschränkt . Ein Bund aber wird# 1926: aber wird ersetzt durch: wird aber umgekehrt um so schwächer sein, je mehr er sich auf die Erhaltung eines bestehenden Zustandes an sich beschränkt# 1930: schwächer sein, je mehr er sich auf die Erhaltung eines bestehenden Zustandes an sich beschränkt ersetzt durch: stärker sein, je mehr die einzelnen Kontrahenten zu hoffen vermögen, durch ihn bestimmte, greifbare, expansive Ziele erreichen zu können . Auch hier wie überall liegt die Stärke nicht in der Abwehr, sondern im Angriff.131

Dies wurde auch von verschiedenen Seiten schon damals erkannt, leider nur nicht von den sogenannten »Berufenen«.132 Besonders der damalige Oberst Ludendorff, Offizier im Großen Generalstab, wies in einer Denkschrift des Jahres 1912 auf diese Schwächen hin. Natürlich wurde der Sache von seiten der »Staatsmänner« keinerlei Wert und Bedeutung zuerkannt133; wie denn überhaupt klare Vernunft anscheinend nur für gewöhnliche Sterbliche zweckmäßig in Erscheinung zu treten hat, grundsätzlich aber ausscheiden darf, sowie# 1944: sowie ersetzt durch: soweit es sich um »Diplomaten« handelt.134

Es war für Deutschland nur ein Glück, daß der Krieg im Jahre 1914 endlich# 1926: gestrichen: endlich auf dem Umwege über Österreich ausbrach, die Habsburger also mitmachen mußten; wäre es nämlich umgekehrt gekommen, so wäre Deutschland allein gewesen. Niemals hätte der Habsburgerstaat sich an einem Kampfe zu beteiligen vermocht oder auch selbst gewollt# 1930: gewollt ersetzt durch: beteiligen wollen , der durch Deutschland selber# 1930: gestrichen: selber entstanden wäre. Was man später an Italien so verurteilte, wäre dann schon früher bei Österreich eingetreten: man würde »neutral« geblieben sein, um so wenigstens den Staat gleich zu Beginn# 1930: gestrichen: gleich zu Beginn vor einer Revolution# 1930: eingefügt: gleich zu Beginn zu retten. Das österreichische Slawentum würde eher die Monarchie schon im Jahre 1914 zerschlagen haben, als daß Deutschland geholfen worden wäre# 1930: als daß Deutschland geholfen worden wäre ersetzt durch: als daß es die Hilfe für Deutschland zugelassen hätte .135

Wie groß aber die Gefahren und Erschwerungen, die der Bund mit der Donaumonarchie mit sich brachte, waren, vermochten damals nur sehr wenige zu begreifen.

Erstens besaß Österreich zu viele# 1944: viele ersetzt durch: viel Feinde, die den morschen Staat zu beerben gedachten, als daß nicht im Laufe der Zeit ein gewisser Haß gegen Deutschland entstehen mußte, in dem man nun einmal