Steigende Abneigung gegen den habsburgischen Staat <span class="pagenumber">[128]</span>

267 Wenn für Hitler die architektonische Verwandlung Wiens mit »dem Ausbau der Ringstraße« ans Ende gekommen war, so belegt dies einmal mehr, wie beziehungslos er »am künstlerischen und intellektuellen Meinungsaufruhr der Epoche« vorüberging. Gerade die Architektur, der angeblich Hitlers besonderes Interesse galt, hatte mit der avantgardistischen Jugendstilarchitektur der Wiener Sezession, überragend hierbei Otto Wagner, zu völlig neuen Formen und Konzepten gefunden. Hitlers Urteil, gleichermaßen unbedarft wie ignorant, übersieht all jene Bauten, die zwischen 1900 und 1914 in Wien entstanden und die bis heute Weltgeltung beanspruchen können – erinnert sei etwa an die Haltestellen der Wiener Stadtbahn, das Majolikahaus, das Musenhaus, die Kirche St. Leopold am Steinhof, das Sanatorium Purkersdorf oder die Postsparkasse. Das Gebäude der Wiener Sezession mit seiner markanten vergoldeten Blätterkuppel plante der Architekt Joseph Maria Olbrich in den Jahren 1897/98. Daneben gab es noch weitere innovative Ansätze: Mit dem Loos-Haus am Michaelerplatz, das damals für einen der größten Architekturskandale sorgte, entstand zwischen 1909 und 1911 einer der wichtigsten Vorläufer der Neuen Sachlichkeit. Weitere Impulse kamen von den weltbekannten Wiener Werkstätten für Innenausstattung und Design, wo der Architekt Josef Hoffmann und der Kunsthandwerker Koloman Moser in Abgrenzung zur überbordenden Ästhetik des Historismus versuchten, »formalen Reichtum aus der Reduktion zu gewinnen«. Mit einem Wort: Es lagen »Welten zwischen dem Wiener Fin de siècle und dem ›Künstler‹ Adolf Hitler«. Problematisch wurde das in dem Moment, als dieser seinen Geschmack zum öffentlichen erklärte; bereits im Januar 1928 betonte Hitler, wie »vollkommen fremd« die moderne Kunst nicht allein ihm sei, sondern prinzipiell »unserem inneren seelischen Leben und Gefühl«.

Vgl. Hitler, Reden, Bd. II/2, Dok. 224, Zitat S. 652; Fest, Hitler, Zitat S. 725; Varnedoe, Wien, Zitat 87; Schorske, Wien, bes.S. 23 – 109; Blaschke/ Lipschitz, Architektur; Brandstätter (Hrsg.), Wien, S. 239 – 307; Hamann, Wien, Zitat S. 576. Kap. I/2, Anm. 9; Kap. I/10, Anm. 183; Kap. II/2, Anm. 26.

kens noch die praktische Klugheit der christlich-sozialen# 1937: christlich-sozialen ersetzt durch: Christlich-sozialen Partei, besonders aber deren Einstellung zum Sozialismus, angenommen haben, dann würde dies jene Bewegung ergeben haben, die schon damals meiner Überzeugung nach mit Erfolg in das deutsche Schicksal hätte eingreifen können.

Daß dies nicht so war, lag zum weitaus größten Teil aber am Wesen des österreichischen Staates.

Da ich diese# 1930: gestrichen: diese meine Überzeugung nun# 1926: gestrichen: nun in keiner anderen Partei verwirklicht sah, konnte ich mich in der Folgezeit auch nicht mehr entschließen, in eine der bestehenden Organisationen einzutreten oder gar mitzukämpfen.264 Ich hielt schon damals sämtliche der# 1944: gestrichen: der politischen Bewegungen für verfehlt und für unfähig, eine nationale Wiedergeburt des deutschen Volkes in größerem und nicht äußerlichem Umfange durchzuführen.

Meine innere Abneigung aber dem habsburgischen Staate gegenüber wuchs in dieser Zeit immer mehr an.

Je mehr ich mich besonders auch mit außenpolitischen Fragen zu beschäftigen begann, um so mehr stieg und# 1930: gestrichen: stieg und gewann meine Überzeugung Boden, daß dieses Staatsgebilde nur zum Unglück des Deutschtums werden müßte. Immer klarer sah ich endlich auch, daß das Schicksal der deutschen Nation nicht mehr von dieser Stelle aus entschieden würde, sondern im Reiche selber. Dies galt aber nicht nur für allgemein# 1933: allgemein ersetzt durch: allgemeine politische Fragen, sondern nicht minder auch für alle Erscheinungen des gesamten Kulturlebens überhaupt.

Der österreichische Staat zeigte auch hier auf dem Gebiete rein kultureller oder# 1939: oder ersetzt durch: und;
1944: oder künstlerischer Angelegenheiten alle Merkmale der Erschlaffung, mindestens aber der Bedeutungslosigkeit für die deutsche Nation.265 Am meisten galt dies für das Gebiet der Architektur. Die neuere Baukunst konnte schon deshalb in Österreich nicht zu besonders großen Erfolgen kommen, als# 1926: als ersetzt durch: weil die Aufgaben seit dem Ausbau der Ringstraße266 wenigstens in Wien nur mehr unbedeutende waren gegenüber den in Deutschland aufsteigenden Plänen.267

So begann ich immer mehr ein Doppelleben zu führen: Verstand und Wirklichkeit hießen mich in Österreich eine ebenso bittere wie segensreiche Schule durchmachen, allein das Herz weilte wo anders# 1937: wo anders ersetzt durch: woanders .268