Die Gegner machen uns bekannt <span class="pagenumber">[129]</span>

35 In der Tat hob die Münchener Post schon in den Jahren 1920/21 den verbrecherischen Charakter der NSDAP hervor; so gesehen besitzt Hitlers übertriebene Darstellung zumindest einen wahren Kern. Zwar kann keine Rede davon sein, dass die Berichte der Zeitung sich systematisch von planmäßiger Herabwürdigung zu gezielter Dämonisierung der NSDAP gewandelt hätten; beide Perspektiven liefen parallel. Jedoch nahm die Münchener Post die Nationalsozialisten seit Sommer 1920 spürbar ernster, wie die zunehmende Berichterstattung über Versammlungen der Partei belegt. Am 8. 7. 1920 wies sie warnend darauf hin, dass die NSDAP ihr Publikum »in Revanchegedanken zu irrsinnigen Taten aufpeitsch[e]«. Am 14. 8. 1920 bezeichnete sie Hitler als den »gerissenste[n] Hetzer, der derzeit in München sein Unwesen treibt«. Alarm schlug die Münchener Post dann am 13. 11. 1920 angesichts der Protektion der Nationalsozialisten durch den damaligen Münchner Polizeipräsidenten Ernst Pöhner: »Die Versammlungen der sogenannten ›Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei‹ arten unter den Augen und mit Hilfe der Polizei Pöhners zu skandalösen Hetzveranstaltungen aus, bei denen alle Nichthakenkreuzler ihres Lebens nicht mehr sicher sind.« Nachdem Hitler am 6. 3. 1921 im Zirkus Krone gegen die damals tagende Londoner Konferenz und die deutsche Delegation agitiert hatte, bezeichnete die Münchener Post Hitlers »Kraftsprüche« als »geradezu verbrecherisch«. Die Anwesenden einer am 17. 9. 1921 »geheim tagende[n] Hakenkreuzler-Versammlung« beschrieb das Blatt wiederum als »wirkliche Verbrechertypen«.

Vgl. Münchener Post vom 8. 7. 1920, »Dummheit oder Verbrechen?«; vom 14. 8. 1920, »Nationalsozialistische Judenhetze«; vom 13. 11. 1920, »Ein Skandal«; vom 8. 3. 1921, »Zweierlei Maß«; vom 19. 9. 1921, »Hitlers Leibgarde ausgehoben«; Jäckel/ Kuhn (Hrsg.), Hitler, Dok. 205; Anm. 128 in diesem Kapitel; Kap. II/9, Anm. 161.

36 »Skandalgeschichten« über die NSDAP wurden während der Jahre 1920/21 in der Münchener Post kaum verbreitet. Die Berichte konzentrierten sich darauf, die latente und offene Gewalttätigkeit der NSDAP zu belegen, die Primitivität ihrer Weltanschauung zu verdeutlichen, die vielen Konflikte der Partei in ihrem Inneren und im rechten Lager darzustellen sowie die Protektion der NSDAP durch Münchner Ordnungskräfte anzuklagen, die den Redakteuren der Münchener Post mit guten Gründen als skandalös galt. Für besonderes Aufsehen sorgten gewalttätige Ausschreitungen bei einer NSDAP-Versammlung am 12. 11. 1920, auf der Angehörige des Republikanischen Schutzbunds attackiert, schwer misshandelt und anschließend von der Polizei verhaftet wurden. Das führte zu heftigen Angriffen der Münchener Post gegen die NSDAP und die Münchner Polizei, der vorgeworfen wurde, die Ausschreitung provoziert zu haben. Als Skandalgeschichte kann indes ein am 30. 8. 1921 publizierter Artikel gelten, der ohne Datumsangabe (»eines Tages«) von einem Überfall »mehrere[r] Hakenkreuzbrüder« auf das »Kurhaus Staffelsee zu Murnau« berichtet, bei dem ein namentlich nicht genannter »Münchener Maler« schwer verletzt worden sei. Um die dabei »entstandene Blutlache« seien die anwesenden »Hakenkreuzler […] wie besessen« getanzt und hätten »Bravo! Judenblut!« gerufen. Durch seine vagen Angaben war der Inhalt dieses Artikels für die Leser nicht zu verifizieren.

Vgl. Münchener Post vom 13. 11. 1920, »Ein Skandal«; vom 14. 11. 1920, »Zum Versammlungs-Terror in München«; vom 30. 8. 1921, »Im Zeichen des flammenden Hakenkreuzes«; Kap. II/9, Anm. 227.

39 Nach der Niederschlagung der Münchner Räterepublik erreichte das Spitzelwesen in Bayern ein bis dahin ungekanntes Ausmaß. Unter Beobachtung standen vor allem linke Parteien, allen voran die USPD, in deutlich geringerem Ausmaß aber auch völkische Gruppen. Neben der Polizei und zahlreichen militärischen Stellen erfüllten auch politische Vereinigungen wie der Heimatdienst Bayern Beobachter- und Agentendienste. Dies führte zwar immer wieder zu Konflikten, sorgte bei Militär und Polizei aber auch für ein beträchtliches Wissen über die politischen Vorgänge in München. In der USPD war das »Spitzeltum« ein ständiges Thema, das bisweilen geradezu in Hysterie ausarten konnte. So kursierte auf einer Versammlung der USPD-Sektion Schwabing-Ost am 25. 6. 1919 das Gerücht, es gäbe allein in München 2.000 Spitzel. Verschiedene Berichte belegen, dass Spitzel von Polizei und Militär auch in der NSDAP tätig waren, mitunter sogar dieselben wie bei den linken Parteien. Spätestens seit Herbst 1922 hatten die Behörden auch einen Agenten in Hitlers unmittelbarem Umfeld platziert, der über Parteiinterna berichtete. Seine Identität ist unbekannt. Ob und inwieweit die NSDAP selbst Spitzel in linken Parteien hatte, lässt sich nicht klären. Von der USPD wurde dies zumindest vermutet. Sie argwöhnte etwa, eine von ihr verdächtigte Person sei bei einer NSDAP-Versammlung am 4. 3. 1920 nur zum Schein verhaftet worden, um diesen Verdacht zu zerstreuen. Aufgrund der guten Verbindungen Hitlers und anderer völkischer Aktivisten wie Dietrich Eckart und Gottfried Feder zur Nachrichtenabteilung der Reichswehr sowie aufgrund der Protektion und Unterstützung der NSDAP durch die Polizei unter Ernst Pöhner und Wilhelm Frick kann davon ausgegangen werden, dass zumindest 1920/21 wichtige Informationen über geplante gegnerische Aktionen ihren Weg zur Parteiführung fanden.

Vgl. BayHStA, Kriegsarchiv, RWGrKdo 4, 239, 262, 417, 451: Agentenberichte zu SPD, USPD, KPD; StA München, Pol. Dir., 6708: Agentenberichte aus dem Umfeld Hitlers; Plöckinger, Soldaten, S. 66 – 81, 144 f., 186, Anm. 3, 199, Anm. 33; Kap. II/9, Anm. 161.

einer Erscheinung soviel Worte widme, wenn sie eine so lächerliche war. Die Leute wurden neugierig. Darauf schwenkte man plötzlich und begann uns eine Zeitlang als wahre Generalverbrecher der Menschheit zu behandeln.35 Artikel über Artikel, in denen unser Verbrechertum erläutert und immer wieder aufs neue bewiesen wurde, Skandalgeschichten, wenn auch von A bis Z aus den Fingern gesogen, sollten dann noch ein übriges tun.36 Allein von der Wirkungslosigkeit auch dieser Angriffe schien man sich nach kurzer Zeit überzeugt zu haben; im Grunde genommen half dies alles ja nur mit, die allgemeine Aufmerksamkeit erst recht auf uns zu konzentrieren.

Ich habe damals den Standpunkt eingenommen: Ganz gleich, ob sie über uns lachen oder schimpfen, ob sie uns als Hanswurste oder als Verbrecher hinstellen; die Hauptsache ist, daß sie uns erwähnen, daß sie sich immer wieder mit uns beschäftigen und daß wir allmählich in den Augen der Arbeiter selber wirklich als die Macht erscheinen, mit der zur Zeit#1937: zur Zeit ersetzt durch: zurzeit;
1939: zur Zeit allein noch eine Auseinandersetzung stattfindet. Was wir wirklich sind und was wir wirklich wollen, das werden wir eines schönen Tages der jüdischen Pressemeute37 schon zeigen.38

Ein Grund, warum es damals meist nicht zu direkten Sprengungen unserer Versammlungen kam, war allerdings auch die ganz unglaubliche Feigheit der Führer unserer Gegner. In allen kritischen Fällen haben sie kleine Hänschen vorgeschickt oder#1930: vorgeschickt oder ersetzt durch: vorgeschickt, höchstens außerhalb der Säle auf das Resultat der Sprengung#1937: Sprengung ersetzt durch: Sprengungen;
1939: Sprengung gewartet.

Wir waren über die Absichten der Herrschaften fast immer sehr gut unterrichtet. Nicht nur, weil wir aus Zweckmäßigkeitsgründen selbst viele Parteigenossen innerhalb der roten Formationen stecken ließen#1944: stecken ließen ersetzt durch: steckenließen39, sondern weil die roten Drahtzieher selbst von einer, in diesem Falle uns sehr nützlichen Geschwätzigkeit ergriffen waren, wie man sie in unserem deutschen Volk leider überhaupt sehr häufig findet.40 Sie konnten nicht dicht halten#1944: dicht halten ersetzt durch: dichthalten, wenn sie so etwas ausgebrütet hatten, und zwar pflegten sie meistens schon zu gackern, ehe noch das Ei gelegt war. So hatten wir oft und oft die umfassendsten Vorbereitungen getroffen, ohne daß die roten Sprengkommandos selbst auch nur eine Ahnung besaßen, wie nahe ihnen der Hinauswurf bevorstand.