Der Werdegang des Judentums <span class="pagenumber">[334]</span>

177 Diese Behauptung findet sich bereits in vielen älteren antisemitischen Schriften. »Die Juden«, so Theodor Fritsch in seinem Handbuch der Judenfrage, seien »eine in sich geschlossene Rasse. Um im Judenstaate als vollberechtigtes Mitglied anerkannt zu werden, muß man jüdischen Blutes, jüdischer Abstammung sein. Das Judentum läßt keinen Fremden in seine Gemeinschaft hinein, aber auch keinen der Ihrigen so leicht heraus. […] In solcher Gestalt bildet das Judentum eine fest geschlossene Gemeinschaft, die kaum ihresgleichen auf Erden hat.« Hans F. K. Günther bemerkte in seiner Rassenkunde des deutschen Volkes, »der Jude« habe ein besonderes »Artbewußtsein« bzw. »Blutbewußtsein«, das zu einer »blutmäßigen Abgeschlossenheit von einer Strenge« geführt habe, »wie sie kein anderes Volk je gewahrt hat«. Bestätigung hierin erhielten Antisemiten mitunter auch von nationalistischen Juden, die sich ähnlich äußerten, etwa der Zionist Bernhard Cohn, der 1899 schrieb: »Thatsächlich ist auch bei uns Juden die ethnologische Abgeschlossenheit, die Eigenartigkeit und Exclusivität unserer Rasse weniger zu bezweifeln, als bei irgend einem anderen Volke.« Auch an dieser Stelle offenbart sich indes ein bezeichnender Widerspruch in Hitlers Agitation. Denn die »strengste Abschließung« einer »Rasse« setzt ein Gemeinschafts- und Pflichtbewusstsein der Angehörigen dieser »Rasse« voraus. Dieses sprach Hitler den Juden ausdrücklich ab und unterstellte ihnen stattdessen den »grassesten Egoismus« (S. 319).

Vgl. Cohn, Zeitfragen, Zitat S. 1; Fritsch (Hrsg.), Handbuch, Zitat S. 19; Günther, Rassenkunde (1923), Zitat S. 435; Bergmann, Gedanke, S. 77; Anm. 90 in diesem Kapitel.

178 In Wirklichkeit wurden im Deutschen Reich allein zwischen 1901 und 1925 insgesamt 30.121 Ehen zwischen Christen und Juden geschlossen, davon 17.823 mit jüdischem Ehemann und christlicher Ehefrau. Ein bekanntes Beispiel war etwa die Ehe zwischen dem jüdischen Romanisten Victor Klemperer und seiner Frau Eva, einer protestantischen Musikerin im Jahr 1906. Bereits 1925 wurde Hitlers falsche Behauptung von Ludwig Kaempfer in den Abwehr-Blättern zurückgewiesen: »Ein jeder kennt wohl aus seinem eigenen Bekanntenkreis genug Beispiele für das Gegenteil. Sollte es sich um Ausnahmen handeln? Als echter Völkischer verzichtet der Herr Schriftsteller [Hitler] auf Beweise, und es ist darum gut, die Statistik zu befragen. Sie beweist natürlich – das Gegenteil.«

Vgl. Kaempfer, Lehren, Zitat S. 96; Meiring, Mischehe, S. 95; Herlem, Mischehe.

179 Ähnliche Behauptungen finden sich schon in antisemitischen Schriften des 19. Jahrhunderts. So heißt es in Houston Stewart Chamberlains Die Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts: »Während die Vermischung vorgeht, bleibt aber der grosse Hauptstamm der reinen, unvermischten Juden unangetastet.« Das jüdische »Gesetz in seiner strengsten Fassung« gestatte Juden zwar keine Ehe mit Nichtjuden. In der Praxis würde allerdings nur den Söhnen verboten, Nichtjüdinnen zu heiraten. Die Töchter dürften hingegen Mischehen eingehen. »Das ist auch eine vollkommen richtige Auffassung. Durch die Ehe der Tochter mit einem Goy [Nichtjuden] wird die Reinheit des jüdischen Stammes in keiner Weise alteriert, während dieser Stamm dadurch Fuss fasst im fremden Lager […]. So wurde und so wird noch heute die jüdische Rasse rein erhalten: Töchter aus dem Hause Rothschild haben Barone, Grafen, Herzöge, Fürsten geheiratet, sie lassen sich ohne Umstände taufen; kein Sohn hat je eine Europäerin geehelicht; thäte er es, er müsste aus dem Hause seiner Väter und aus der Gemeinschaft seines Volkes ausscheiden.« Fast gleichlautend schrieb Alfred Rosenberg 1920 über die Rothschilds: »Ihre Töchter haben Grafen und Barone geheiratet, kein männlicher Sproß jedoch eine Nichtjüdin.«

Vgl. Marr, Ratten, S. 6; Chamberlain, Grundlagen, Bd. 1, Zitate S. 383 – 385; Meister, Schuldbuch (^3/41919), S. 40 f.; Rosenberg, Spur, Zitat S. 103; Rosenberg, Weltpolitik, S. 7.

181 Anspielung auf die Französische Revolution und »die berühmten ›Ideen von 1789‹, […] an deren Wirkung alle nichtjüdischen Völker heute noch kranken«, wie es etwa in Paul Bangs Judas Schuldbuch heißt. Die bekannte Forderung nach »Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit« war für viele Völkische »echter Geist Judas«. Theodor Fritsch meinte in seinem Handbuch der Judenfrage, die Französische Revolution habe »den Grund zur jüd[ischen] Weltherrschaft gelegt«. Alfred Rosenberg wollte es noch genauer wissen: Er behauptete, jüdische Freimaurer hätten bereits 1785 in Paris den Beschluss zur Revolution gefasst. Dabei war die Revolution von 1789 in den Augen vieler Antisemiten nur die erste der zahlreichen Umstürze, die von »den Juden« angezettelt worden seien. In Otto Bonhards Schrift Vom Ghetto zur Macht heißt es: »Man liest häufig, daß die Juden, wie bei allen großen Staatsumwälzungen der letzten Zeit, so auch bei der großen französischen, maßgebenden Anteil gehabt hätten. Es steht fest, daß in unruhigen Zeiten stets der Weizen der Juden besonders üppig gedieh.« Doch gab es hier auch völkische Gegenstimmen. Für Hans F. K. Günther war die Französische Revolution eine »ostisch-westische Massenerscheinung«, »aber die Führer waren vorwiegend nordische Männer«. Dennoch habe die Französische Revolution zu einer »gründliche[n] Entnordung Frankreichs« geführt, und zwar durch die »Flucht oder Vertreibung französischer Adeliger«. Demnach sei die Französische Revolution »zu verstehen als ostisch-westische Auflehnung gegen eine adlig-bürgerliche Oberschicht nordischer Rasse. Die Führer der Revolution waren aber bezeichnenderweise fast alle nordische Männer.«

Vgl. Fritsch (Hrsg.), Handbuch, Zitat S. 545; Meister, Schuldbuch (^3/41919), Zitat S. 137; Rosenberg, Spur, S. 91; Kernholt, Ghetto, Zitat S. 54 f. (Herv. i. Orig.); Günther, Rassenkunde (1923), Zitate S. 175, 347; Kap. I/2, Anm. 219; Kap. II/9, Anm. 204, 242.

182 Hitlers Wortwahl ist keineswegs zufällig. Schon im 4. Jahrhundert behauptete der Kirchenlehrer Ephräm der Syrer, die Juden würden ihr Brot mit dem Blut Christi vermischen und mit Knoblauch verzehren; entsprechend übel wäre ihr Geruch. Der christliche Antijudaismus interpretierte den »jüdischen Gestank« (»foetor judaicus«) als Zeichen des Unglaubens und als Analogie zum Gestank der Hölle, von dem sich die Juden nur durch die Taufe befreien könnten. Dieser Topos hielt sich bis in die Frühe Neuzeit und fand sogar noch in Johann Heinrich Zedlers Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste (1731 – 1754) Eingang: Die Juden seien »einem ein Eckel und Grauen, und Stanck und Unflat machet sie abscheulich«.

Zur gleichen Zeit wurde der »jüdische Geruch« nicht mehr nur religiös gedeutet, sondern auch sozial: Die Juden wurden oft mit dem Geruch von Knoblauch in Verbindung gebracht, der genau wie die Zwiebel als Gemüse der Unterschicht galt. Tatsächlich empfahl der Talmud den Verzehr von Knoblauch, da dieser sättige, wärme, die Spermaproduktion anrege und die Eingeweide reinige. Da sich die hygienischen Verhältnisse der Städte im 19. Jahrhundert deutlich verbesserten und Gerüche sensibler wahrgenommen wurden, erregten die sozial ausgegrenzten Juden in den überfüllten Gettos und Judenvierteln mit ihrer grassierenden Armut und den schlechten hygienischen Verhältnissen umso mehr Anstoß – auch unter assimilierten Juden.

Vgl. Zedler, Universal-Lexicon, Bd. 14/I, Zitat Sp. 1500; Marr, Sieg, S. 24; Marr, Ratten, S. 28; Günther, Geruch, S. 97 – 99; Doering, Schabbat, S. 82; Hund, Rassismus, S. 26; Diemling, Menschen, S. 80 f.; Mosse, Geschichte, S. 132 f.; Haumann, Geschichte, S. 115 f.; Jochum-Godglück, Spannungsfeld, S. 223 f.; Keysers (Hrsg.), Stürmer, S. 59 f.; Kap. I/2, Anm. 180, 181.

Besitz setzt er sich mit aller Zähigkeit, aber auch unendlicher Geschicklichkeit# 1930: Zähigkeit, aber auch unendlicher Geschicklichkeit ersetzt durch: Zähigkeit und Geschicklichkeit . Mit ihr beginnt er langsam das ganze öffentliche Leben zu umklammern und zu umgarnen, zu leiten und zu schieben, indem er nun jene Macht zu erzeugen und zu dirigieren in der Lage ist# 1926: indem er nun jene Macht zu erzeugen und zu dirigieren in der Lage ist ersetzt durch: da er in der Lage ist, jene Macht zu erzeugen und zu dirigieren , die man unter der Bezeichnung »öffentliche Meinung« heute besser kennt als noch vor wenigen Jahrzehnten.

Dabei stellt er sich persönlich immer als unendlich wissensdurstig hin, lobt jeden Fortschritt, am meisten freilich den, der zum Verderben der anderen führt; denn in jedem# 1930: in jedem ersetzt durch: jedes Wissen und jeder Entwicklung sieht# 1930: jeder Entwicklung sieht ersetzt durch: jede Entwicklung beurteilt er immer nur die# 1930: die ersetzt durch: nach der Möglichkeit der Förderung seines Volkstums heraus# 1930: gestrichen: heraus [sic!], und wo diese fehlt, ist er der unerbittliche Todfeind jedes Lichtes, der Hasser jeder wahren Kultur. So verwendet er alles Wissen, das er in den Schulen der anderen zu sich nimmt# 1930: zu sich nimmt ersetzt durch: aufnimmt , nur im Dienste seiner Rasse.

Dieses Volkstum aber hütet er wie nie zuvor. Während er von »Aufklärung«, »Fortschritt«, »Freiheit«, »Menschentum« usw. überzufließen scheint, übt er selber strengste Abschließung seiner Rasse.177 Wohl hängt er seine Frauen manchmal einflußreichen Christen an die Rockschöße# 1930: gestrichen: an die Rockschöße , allein er erhält seinen männlichen Stamm grundsätzlich immer rein. Er vergiftet das Blut der anderen# 1944: anderen ersetzt durch: andern , wahrt aber sein eigenes. Der Jude heiratet keine# 1930: keine ersetzt durch: fast nie eine Christin, sondern immer# 1930: gestrichen: immer der Christ die Jüdin.178 Die Bastarde aber schlagen dennoch nach der jüdischen Seite aus.179 Besonders ein Teil des höheren Adels verkommt vollständig.180 Er weiß dies auch# 1926: Er weiß dies auch ersetzt durch: Der Jude weiß das ganz genau und betreibt deshalb diese Art der »Entwaffnung« der geistigen Führerschichte# 1930: Führerschichte ersetzt durch: Führerschicht [sic!] seiner rassischen Gegner planmäßig. Zur Maskierung seines# 1937: seines ersetzt durch: des Treibens und zur Einschläferung seiner Opfer jedoch redet er nun# 1926: gestrichen: nun immer mehr von der Gleichheit aller Menschen, ohne Rücksicht auf Rasse und Farbe. Die Dummen beginnen es ihm zu glauben.181

Da nun# 1926: nun ersetzt durch: jedoch sein ganzes Wesen immer noch# 1926: eingefügt: zu stark den Geruch des allzu Fremden182 an sich haften hat, als daß besonders die breite Masse des Volkes ohne weiteres in sein Garn gehen würde, läßt er durch seine Presse ein Bild von sich geben, das der Wirklichkeit ebensowenig# 1930: ebensowenig ersetzt durch: so wenig entspricht, wie es aber# 1926: gestrichen: aber; 1930: eingefügt: umgekehrt seinem gewollten# 1930: gewollten ersetzt durch: verfolgten Zwecke# 1937: Zwecke ersetzt durch: Zweck;
1939: Zwecke dient. In Witzblättern ganz# 1926: gestrichen: ganz besonders bemüht man sich, die Juden als ein harm-