Eine der ungeheuersten Aufgaben <span class="pagenumber">[270]</span>

144 Hitler wiederholt hier Kernargumente für eine »negative Eugenik«, die seit dem späten 19. Jahrhundert international diskutiert wurde. Leitidee war hier, die Vermehrung angeblich »minderwertiger« Bevölkerungsteile durch Eheverbote und Zwangssterilisationen zu unterbinden, um so einer Verschlechterung der biologischen Zusammensetzung der Völker entgegenzuwirken. Komplementär dazu sollte für eine starke Fortpflanzung jenes Bevölkerungsteils gesorgt werden, der als biologisch hochwertig galt (»positive Eugenik«). 1903 forderte etwa der Arzt Wilhelm Schallmayer eine »stärkere Fortpflanzung der generativ wertvolleren Volkselemente« und eine »möglichst geringe Vermehrung der geistig und körperlich Schwächlichen«. Als entscheidende Kriterien galten Gesundheit, Intelligenz, positives Sozialverhalten, aber auch das äußere Erscheinungsbild (»Schönheit«). Diese Überlegungen basierten auf der Annahme, jene Eigenschaften seien erblich determiniert; der Wert eines Menschen definiere sich durch seine genetischen Anlagen.

Nach 1918 trat der Arzt Gustav Boeters als Verfechter »negativer Eugenik« besonders hervor. Er veröffentlichte mehrere Aufrufe, in denen er die Zwangssterilisation von körperlich und geistig Behinderten, aber auch blinder und tauber Menschen, forderte. 1925 verfasste Boeters einen Gesetzesentwurf zur Verhütung unwerten Lebens durch operative Maßnahmen, der in den deutschen Länderparlamenten jedoch auf scharfen Widerstand stieß. Anders war die Situation etwa in den USA. Der Bundesstaat Indiana verabschiedete 1907 als erster ein Gesetz, das die Zwangssterilisation von Strafgefangenen und »Geisteskranken« legalisierte. Einer zeitgenössischen Statistik zufolge wurden in den USA von 1907 bis 1921 etwa 3.230 Personen zwangssterilisiert, die mit Abstand meisten davon in Kalifornien. Ab 1926 stieg diese Zahl rasant an, nachdem der Supreme Court weitere Bundesstaaten veranlasst hatte, Zwangssterilisationen zu legalisieren. Bis 1940 wurden in den USA rund 35.800 Personen zwangssterilisiert – eine Zahl, die im Dritten Reich mit rund 400.000 Opfern allerdings weit übertroffen wurde.

Vgl. Schallmayer, Vererbung (1903), Zitate S. 332, 340; Weindling, Health, bes.S. 388 – 393, 522 – 525; Adams, Science; Weingart/ Kroll/ Bayertz, Rasse, bes.S. 291 – 294; Black, War, bes.S. 63 – 123; Schwartz, Mehrheit; Kap. II/2, Anm. 68.

folg durchgeführt werden. Allein auch dabei kann es sich nicht um halbe Maßregeln handeln, sondern auch hier wird man zu den schwersten und einschneidendsten Entschlüssen kommen müssen. Es ist eine Halbheit, unheilbar kranken Menschen die dauernde Möglichkeit einer Verseuchung der übrigen gesunden zu gewähren. Es entspricht dies aber ganz# 1926: gestrichen: aber ganz einer Humanität143, die, um dem einen nicht wehe zu tun, hundert# 1939: hundert ersetzt durch: Hunderte;
1944: hundert andere zugrunde gehen läßt. Die Forderung, daß defekten Menschen die Zeugung anderer ebenso defekter Nachkommen unmöglich gemacht wird, ist eine Forderung klarster Vernunft und bedeutet in ihrer planmäßigen Durchführung die humanste Tat der Menschheit. Sie wird Millionen von Unglücklichen unverdiente Leiden ersparen, in der Folge aber zu einer steigenden Gesundung überhaupt führen. Die Entschlossenheit, in dieser Richtung vorzugehen, wird auch der Weiterverbreitung der Geschlechtskrankheiten einen Damm entgegensetzen. Denn hier wird man, wenn nötig, zur unbarmherzigen Absonderung einmal# 1930: gestrichen: einmal unheilbar Erkrankter schreiten müssen; eine barbarische Maßnahme für den unglücklich davon Betroffenen, aber ein Segen für die Mit- und Nachwelt. Der vorübergehende Schmerz eines Jahrhunderts kann und wird Jahrtausende vom Leid erlösen.144

Der Kampf gegen die Syphilis und ihre Schrittmacherin, die Prostitution, ist eine der ungeheuersten Aufgaben der Menschheit, ungeheuer deshalb, weil es sich dabei nicht um die Lösung einer einzelnen Frage an sich handelt, als vielmehr# 1926: als vielmehr ersetzt durch: sondern um die Beseitigung einer ganzen Reihe von Schäden, die eben als Folgeerscheinung zu dieser Seuche Veranlassung geben. Denn die Erkrankung des Leibes ist hier nur das Ergebnis einer Erkrankung der sittlichen, sozialen und rassischen Instinkte.

Wird dieser Kampf aber aus Bequemlichkeit oder auch Feigheit nicht ausgefochten, dann möge man sich in 500# 1937: 500 ersetzt durch: 300;
1939: fünfhundert Jahren145 die Völker ansehen. Ebenbilder Gottes146 dürfte man dann# 1926: gestrichen: dann nur mehr# 1944: eingefügt: sehr wenige finden, ohne des Allerhöchsten freveln zu wollen.

Wie aber hatte man nun# 1926: gestrichen: nun im alten Deutschland versucht, sich mit dieser Seuche auseinanderzusetzen? Bei ruhiger Prüfung ergibt sich darauf eine aber# 1926: gestrichen: aber wirklich betrübliche Antwort. Sicher erkannte