Die Los-von-Rom-Bewegung <span class="pagenumber">[117]</span>

230 Hitlers Bemerkung hatte ihre Wurzeln in der Ideologie Schönerers und seiner alldeutschen Anhänger. Diese hatten den Protestantismus in erster Linie politisch instrumentalisiert, ohne sich tatsächlich für seinen Inhalt zu interessieren. Auch Hitler verkürzte etwa die komplexe Gestalt Martin Luthers auf einen rebellischen Nationalheros; am 14. 10. 1923 entwarf er in einer Rede in Nürnberg das Bild eines »kleine[n]unbedeutende[n] Mönch[s], der es wagt, weil er es für richtig erkannt, den Kampf aufzunehmen gegen die damals allgewaltige katholische Kirche, […] [der] gegen eine ganze Welt von Feinden kämpfte; als alle irre gegen ihn wurden, selbst sein eigener Bruder ihn bat, Frieden zu schließen, da stützt er sich nicht auf irgendwen, sondern er stützte alle und siegte.« Hitlers Sympathie für Luther änderte aber nichts daran, dass Hitler mit der christlichen Religion nichts anzufangen wusste und dass ihm deren Botschaft völlig fremd blieb. Intern äußerte er die Ansicht, »das reine Christentum« müsse »zur Vernichtung des Menschentums« führen. Während seiner Herrschaft waren es allein taktische Rücksichten, die ihn – vorerst – davor zurückhielten, die christlichen Kirchen noch schärfer zu verfolgen, als dies ohnehin schon der Fall war. Dabei war Hitlers Abneigung, anders als diese Passage in Mein Kampf vermuten lässt, gegenüber den evangelischen Kirchen besonders stark ausgeprägt, während er an der katholischen Kirche – wie im Kapitel Weltanschauung und Organisation (II/5) ausgeführt – zumindest deren Dogmatismus schätzte. Auch sei es ein Vorteil, so Hitler, dass sie »die evangelische Sittenstrenge nicht« kenne. »Wovon soll die Kirche leben, wenn nicht von der Sünde der Menschen?« Als entsetzlich empfände er »ein gewisses evangelisches Muckertum«, vor allem aber die Tatsache, dass die protestantischen Kirchen eben jenen »Urzustand des Christentums« herbeiführen wollten, der nichts anderes sei als »nackter Bolschewismus in metaphysischer Verbrämung«.

Vgl. Jäckel/ Kuhn (Hrsg.), Hitler, Dok. 583, Zitat S. 1032; Hitler, Monologe, S. 43, Zitate S. 107, 149, 152; Rißmann, Gott, Zitat S. 77, 77 – 89; Kap. I/10, Anm. 210; Kap. II/5, Anm. 14, 15, 33; Kap. II/10, Anm. 82; Kap. II/14, Anm. 51.

hin von ihnen aus betrachtet rein subjektive, daß damit auch das allgemeine Bild der übrigen Welt unter dieser grundsätzlichen Vorstellung beeinflußt wird, während die Stellung zum Deutschtum ja von Jugend auf nur eine sehr objektive war. So wird der Pazifist, indem er sich subjektiv seiner Idee restlos ergibt, bei jeder auch noch so ungerechten und schweren Bedrohung seines Volkes (soferne# 1937: soferne ersetzt durch: sofern er eben ein Deutscher ist) immer erst nach dem objektiven Rechte# 1944: Rechte ersetzt durch: Recht suchen und niemals aus reinem Selbsterhaltungstrieb sich in die Reihe seiner Herde stellen und mitfechten.

Wie sehr dies aber# 1926: gestrichen: aber auch für die einzelnen Konfessionen gilt, kann# 1930: kann ersetzt durch: mag noch folgendes zeigen:

Der Protestantismus vertritt so weit# 1926: gestrichen: so weit von sich aus die Belange des Deutschtums besser, soweit dies in seiner Geburt und späteren Tradition überhaupt schon begründet liegt230; er versagt jedoch in dem Augenblick, in dem# 1926: in dem ersetzt durch: wo diese Verteidigung nationaler Interessen auf einem Gebiete stattfinden müßte, das in der allgemeinen Linie seiner Vorstellungswelt und traditionellen Entwicklung entweder fehlt oder gar aus irgendeinem Grunde abgelehnt wird.

So wird der Protestantismus immer für die Förderung alles Deutschtums an sich eintreten, sobald es sich um Belange# 1926: Belange ersetzt durch: Dinge der inneren Sauberkeit oder auch nationalen Vertiefung, um die Verteidigung deutschen Wesens, deutscher Sprache und auch deutscher Freiheit handelt, da dieses alles ja fest in ihm selber mit begründet liegt; er bekämpft aber sofort auf das feindseligste jeden Versuch, die Nation aus der Umklammerung ihres tödlichsten# 1937: tödlichsten ersetzt durch: tödlichen;
1939: tödlichsten Feindes zu retten, da seine Stellung zum Judentum nun einmal mehr oder weniger fast# 1933: fast ersetzt durch: fest;
1944: fast dogmatisch festgelegt ist. Dabei aber dreht es sich hierbei um die Frage, ohne deren Lösung alle anderen Versuche einer deutschen Wiedergeburt oder einer Erhebung vollkommen unsinnig und unmöglich sind und bleiben.

Ich besaß in meiner Wiener Zeit Muße und Gelegenheit genug, auch diese Frage unvoreingenommen zu prüfen und konnte dabei noch im täglichen Verkehr die Richtung# 1930: Richtung ersetzt durch: Richtigkeit dieser Anschauung tausendfältig feststellen.