Der Führer und die Masse <span class="pagenumber">[82]</span>

89 Begriffe wie »Schieber« und »Wucherer« hatten während der wirtschaftlichen Krisenjahre nach dem Ersten Weltkrieg Hochkonjunktur. Die städtische Bevölkerung verdächtigte die Bauern, die Not der Nachkriegszeit hemmungslos auszunutzen und ihre Produkte zu Wucherpreisen anzubieten. Die Bauern gaben wiederum den »hamsternden« Städtern die Schuld an den hohen Preisen. Staatliche Dienststellen und Organisationen – wie etwa die 1921 gegründete »Allgäuer Butter- und Käsebörse« – sahen sich mit dem Vorwurf konfrontiert, Lebensmittel in jeweils andere Regionen des Deutschen Reichs oder ins Ausland zu »verschieben«. Außerdem zogen Händler und Touristen, sogenannte Schlemmergäste, den Zorn der lokalen Bevölkerung auf sich, wobei sich mit den »Händlern« die klassischen antisemitischen Stereotype von den »jüdischen Geschäftemachern« verbanden. Mit den Begriffen »Schieber« und »Wucherer«, die damals in aller Munde waren, ließ sich folglich unmittelbar an die Emotionen des Publikums appellieren – gerade wenn es darum ging, politische Gegner zu diffamieren.

Vgl. Geyer, Welt, S. 182 – 187; Walter, Kriminalität, S. 100 – 102; Kap. I/11, Anm. 142.

Zufälle zusammengebeutelten# 1933: zusammengebeutelten ersetzt durch: zusammengebeulten Haufens für eine bestimmte Idee zu gewinnen?

Ja, hat denn dieser Haufe[n] überhaupt schon einmal eine Idee begriffen, ehe der Erfolg zum Verkünder ihrer Größe wurde?

Ist nicht jede geniale Tat auf dieser Welt der sichtbare Protest des Genies# 1939: Genies ersetzt durch: Genius;
1944: Genies gegen die Trägheit der Masse?88

Was aber soll nun# 1926: gestrichen: nun der Staatsmann tun, dem es nicht gelingt, die Gunst dieses Haufens für seine Pläne zu erschmeicheln?

Soll er sie erkaufen?

Oder soll er nun# 1926: gestrichen: nun angesichts der Dummheit seiner Mitbürger auf die Durchführung der als Lebensnotwendigkeiten# 1944: Lebensnotwendigkeiten ersetzt durch: Lebensnotwendigkeit erkannten Aufgaben verzichten, sich zurückziehen, oder soll er dennoch bleiben?

Kommt nicht in einem solchen Falle der wirkliche Charakter in einen unlösbaren Konflikt zwischen Erkenntnis und Anstand oder besser gesagt ehrlicher Gesinnung?

Wo liegt hier die Grenze, die die Pflicht der Allgemeinheit gegenüber scheidet von der Verpflichtung der persönlichen Ehre?

Muß nicht jeder wahrhaftige Führer es sich verbitten, auf solche Weise zum politischen Schieber89 degradiert zu werden?

Und muß nicht umgekehrt jeder Schieber sich nun berufen fühlen, in Politik zu »machen«, da die letzte Verantwortung niemals er, sondern irgendein unfaßbarer Haufe[n] zu tragen hat?

Muß nicht unser parlamentarisches Mehrheitsprinzip zur Demolierung des Führergedankens90 überhaupt führen?

Glaubt man nun# 1926: gestrichen: nun aber, daß der Fortschritt dieser Welt etwa aus dem Gehirn von Mehrheiten stammt und nicht aus den Köpfen einzelner?

Oder vermeint man, vielleicht für die Zukunft dieser Voraussetzung menschlicher Kultur entbehren zu können?

Scheint sie nicht im Gegenteil heute nötiger zu sein als je?

Indem das parlamentarische Prinzip der Majoritätsbestimmung die Autorität der Person ablehnt und an dessen# 1930: dessen ersetzt durch: deren Stelle die Zahl des jeweiligen Haufens setzt, sündigt es wider den aristokratischen Grundgedanken der Natur91, wobei allerdings deren Anschauung