Preußenhetze als Ablenkungsmanöver <span class="pagenumber">[204]</span>

15 Vor 1914 existierten im Deutschen Reich vor allem zwei völkische Parteien – die 1889 gegründete Deutschsoziale Partei und die 1890 gegründete Antisemitische Volkspartei (AVP), die sich 1893 in Deutsche Reformpartei umbenannte. Beide Parteien waren aus der 1886 in Kassel ins Leben gerufenen Deutschen Antisemitischen Vereinigung hervorgegangen und traten in der Zeit von 1894 bis 1900 gemeinsam als Deutschsoziale Reformpartei (DSRP) auf; danach firmierten sie wieder als zwei eigenständige Parteien. Ihr Spitzenergebnis erreichten die antisemitischen Parteien bei der Reichstagswahl vom 16. 6. 1898, als sie zusammen 284.000 Stimmen (3,7 %) erhielten – die DSRP zehn Mandate, die AVP zwei und die Christlich-Soziale Partei ein Mandat. Der Stimmenanteil der antisemitischen Parteien ging bis zur Reichstagswahl vom 12. 1. 1912 auf insgesamt 149.000 Stimmen (1,2 %) zurück.

Vgl. Breuer, Völkischen, S. 68 – 83, bes.S. 68.

17 Von der politischen Rechten wurde Kurt Eisner immer wieder als »Fremder« denunziert – so etwa 1921 im Escherich-Heft: »Jüdischer Abkunft, eigentlich den Namen Kosmanowsky führend, stammt seine Familie aus Galizien. […] Die Einfachheit der häuslichen Verhältnisse verwies ihn auf einen raschen Broterwerb, weshalb Eisner zur Tagespresse überging und hierzu in die Frankfurter Zeitung eintrat, wo er zunächst die Stelle eines Korrektors einnahm.« Noch deutlich grobschlächtiger war die Polemik Ludwig Thomas im Miesbacher Anzeiger; er schrieb dort 1920/21 vom »Saujud«, der »in München mit seinen maskierten Matrosen regierte« und von der »Hinrichtung des Eisner«. In Wirklichkeit stammten die Vorfahren Kurt Eisners nicht aus Galizien, sondern aus Böhmen und Mähren. Sein Vater Emanuel Eisner wurde 1827 in Hussinetz, 35 km südlich von Breslau, geboren. Emanuel Eisner zog bald nach Berlin, wo er als Kaufmann tätig war. Dort wurde Kurt Eisner am 14. 5. 1867 geboren. Nach seinem Abitur am Askanischen Gymnasium (1886) blieb Kurt Eisner in Berlin, um Philosophie und Germanistik zu studieren. Eisner hatte ein recht distanziertes Verhältnis zu seinen jüdischen Wurzeln; er verstand die »Assimilation« als Kulturfortschritt und erklärte, er wolle die Existenz einer Judenfrage gar nicht leugnen, nur als Rassenfrage sei sie indiskutabel. Seine politischen Gegner wie Dietrich Eckart konstruierten daraus den Vorwurf, Eisner wolle seine jüdische Abstammung verschleiern.

Vgl. Eckart, Träume, Zitat S. 27; Escherich-Heft, Nr. 1 (1921), Zitat S. 11 f.; Volkert (Hrsg.), Thoma, Dok. 47, 80, Zitate S. 146, 222; Grau, Eisner, S. 16 – 20, 49 – 56.

nach dieser Richtung zu verhindern, konnte es gar kein besseres Rezept geben als das, ihre Wut anderweitig auf‌flammen zu lassen und so zu verbrauchen.

Mochte ruhig Bayern gegen Preußen und Preußen gegen Bayern streiten, je mehr desto besser! Der heißeste Kampf der beiden bedeutete für den Juden den sichersten Frieden.13 Die allgemeine Aufmerksamkeit war damit vollständig abgelenkt von der internationalen Völkermade14, man schien sie vergessen zu haben. Und wenn ja#1944: gestrichen: ja [sic!] die Gefahr aufzutauchen schien, daß besonnene Elemente, die es auch in Bayern zahlreich gab15, zur Einsicht und Einkehr und zur Zurückhaltung mahnten und dadurch der erbitterte Kampf abzuflauen drohte, so brauchte der Jude in Berlin nur eine neue Provokation in Szene#1937: eingefügt: zu setzen und den Erfolg abwarten#1937: abwarten ersetzt durch: abzuwarten. Augenblicklich stürzten sich auf jeden solchen Vorfall#1929: gestrichen: auf jeden solchen Vorfall alle Nutznießer des Streites zwischen Nord und Süd#1929: eingefügt: auf jeden solchen Vorfall und bliesen so lange, bis die Glut der Empörung wieder zu hellem Feuer emporgestiegen war.

Es war ein geschicktes, raffiniertes Spiel, das der Jude damals zur steten Beschäftigung und Ablenkung der einzelnen deutschen Stämme trieb, um sie unterdessen desto gründlicher ausplündern zu können.16

Dann kam die Revolution.

Wenn nun bis zum Jahre 1918, oder besser gesagt bis zum November dieses Jahres, der Durchschnittsmensch, besonders aber der weniggebildete#1937: weniggebildete ersetzt durch: wenig gebildete [sic!] Spießer und Arbeiter, den wirklichen Hergang und die unausbleiblichen Folgen des Streites der deutschen Stämme untereinander, vor allem in Bayern, noch nicht richtig erkennen konnte, dann hätte es wenigstens der sich »national« nennende Teil am Tage des Ausbruchs der Revolution begreifen müssen. Denn kaum war die Aktion gelungen, als in Bayern auch schon der Führer und Organisator der Revolution zum Vertreter »bayerischer« Interessen wurde. Der internationale Jude Kurt Eisner17 begann Bayern gegen Preußen auszuspielen. Es war aber doch selbstverständlich, daß ausgerechnet dieser Orientale18, der als Zeitungsjournaille sich unausgesetzt hier und dort im übrigen Deutschland herumtrieb, wohl als letzter berufen gewesen wäre,