Der Begriff »völkisch« <span class="pagenumber">[7]</span>

26 An einer allgemein verbindlichen Begriffsdefinition hatten sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts zahlreiche völkische Theoretiker vergeblich versucht. Nach dem Ersten Weltkrieg vergrößerte sich die vorhandene Begriffsverwirrung zusätzlich, als sich sowohl Anhänger als auch Gegner der völkischen Bewegung verstärkt um eine Begriffsklärung bemühten und unter wechselseitiger Abgrenzung voneinander die Deutungshoheit für sich beanspruchten. »Völkisch« blieb vor diesem Hintergrund stets ein umstrittener und schillernder Sammelbegriff. Aus der Not, dass keine einheitliche Begriffsdefinition gelang, versuchten manche Vertreter der völkischen Bewegung, etwa der bekannte Freikorpsführer Hermann Ehrhardt, eine Tugend zu machen, indem sie die Uneinheitlichkeit der formulierten Ziele kurzerhand zu einem integralen Teil der »Natur« der völkischen Bewegung erklärten. Hitlers Versuche, die Begriffe »nationalsozialistisch« und »völkisch« zu trennen, sind dabei immer auch als Reaktion auf frühe Kritiker seiner Partei zu verstehen, die genau diese Trennung negierten und die NSDAP als bloße »Schleppenträgerin der ›Deutsch-Völkischen‹« bezeichneten – so am 13. 7. 1920 die Münchener Post, das damals bedeutendste linksorientierte Blatt der Stadt. Nachdem bereits zuvor eine ähnliche Formulierung der Zeitung Protest seitens der NSDAP hervorgerufen hatte, verteidigte die Münchener Post ihre Position mit dem Verweis, dass »in keiner Versammlung das Hakenkreuz von Jünglingen in Wadlstrümpfen mehr zur Schau getragen« werde als in jenen der NSDAP – ein nachvollziehbares Argument, war das Hakenkreuz doch schon im Kaiserreich nebst dem Hammer wichtigstes Symbol und Erkennungsmerkmal der völkischen Bewegung gewesen. Die Münchener Post verwies zudem darauf, dass der Völkische Beobachter (damals noch nicht Eigentum der NSDAP) »und anderes antisemitischreaktionäre Geschmier nirgends so aufdringlich zum Kaufe angeboten« werde wie eben auf NSDAP-Versammlungen. Dies beweise »die innige Seelenverwandtschaft dieser Herrschaften. Die Reden des Herren [Kurt] Kerlen« – damals Geschäftsführer des Gaus Nordbayern im Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund – »und Hitler atmen den gleichen unduldsamen Geist und sind in ihren Wendungen gleich geschmackvoll. Wozu also die Aufregung?«

Vgl. Münchener Post vom 8. 7. 1920, »Dummheit oder Verbrechen?«; vom 13. 7. 1920, »Dummheit oder Verbrechen«; Lohalm, Radikalismus, S. 293; Puschner, Strukturmerkmale, S. 446; Puschner, Völkisch, S. 53 – 60; Kap. I/12, Anm. 178; Kap. II/7, Anm. 90, 128.

in ihrer inneren Größe geeignet erschien, die kleinen und schwächlichen Geister unserer heutigen Parteipolitiker zu verscheuchen.

Wie richtig aber unsere Auf‌fassung von der Notwendigkeit programmatischer Zielpunkte schärfster Prägung gewesen ist, ging am klarsten aus jenen verhängnisvollen Gebrechen hervor, die endlich zum Zusammenbruche#1944: Zusammenbruche ersetzt durch: Zusammenbruch Deutschlands geführt haben.

Aus ihrer Erkenntnis heraus mußte sich eine neue Staatsauf‌fassung formen, die selber wieder ein wesentlicher Bestandteil einer neuen Weltauf‌fassung ist.

Ich habe mich schon im ersten Bande mit dem Worte »völkisch« insoferne#1929: insoferne ersetzt durch: insofern auseinandergesetzt, als ich feststellen mußte, daß diese Bezeichnung begrifflich zu wenig begrenzt erscheint, um die Bildung einer geschlossenen Kampfgemeinschaft zu gestatten.24 Alles mögliche#1933: mögliche ersetzt durch: Mögliche;
1937: mögliche, was#1929: was ersetzt durch: das in allem wesentlichen#1937: wesentlichen ersetzt durch: Wesentlichen seiner Ansichten himmelweit auseinanderklafft, treibt sich zur Zeit#1937: zur Zeit ersetzt durch: zurzeit;
1939: zur Zeit herum, mit dem Wort »völkisch« sich deckend#1929: herum, mit dem Wort »völkisch« sich deckend ersetzt durch: unter dem Deckwort »völkisch« herum.25 Ehe ich nun#1929: nun ersetzt durch: daher;
1920: nun zu den Aufgaben und Zielen der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei übergehe, möchte ich daher#1929: gestrichen: daher eine Klarstellung des Begriffes »völkisch« sowie seines Verhältnisses zur Parteibewegung geben.26

Der Begriff »völkisch« erscheint so wenig klar abgesteckt, so vielseitig auslegbar und so unbeschränkt in der praktischen Anwendung, wie etwa das Wort »religiös«. Man kann sich sehr schwer auch unter dieser Bezeichnung etwas ganz Präzises vorstellen, weder im Sinne gedanklichen Erfassens noch in dem praktischen Auswirkens. Faßlich vorstellbar wird die Bezeichnung religiös#1937: religiös ersetzt durch: »religiös« erst in dem Augenblick, in dem sie sich verbindet#1929: gestrichen: verbindet mit einer bestimmt umrissenen Form dieses ihres Auswirkens#1929: eingefügt: verbindet. Es ist eine sehr schöne, meist aber auch billige Erklärung, wenn man das Wesen eines Menschen als »tiefinnerlich religiös« bezeichnet. Es wird vielleicht#1937: vielleicht ersetzt durch: allerdings;
1939: vielleicht auch einige wenige geben, die durch eine solche ganz allgemeine Bezeichnung sich selbst befriedigt fühlen, ja denen sie sogar ein bestimmtes, mehr oder minder scharfes Bild jenes Seelenzustandes zu vermitteln vermag. Da aber die große