Deutschvölkische Wanderscholaren <span class="pagenumber">[381]</span>

163 Tatsächlich waren in der völkischen Bewegung Bezeichnungen wie »Bund«, »Gesellschaft« oder »Gemeinschaft« beliebt; erinnert sei nur an Namen wie Deutschvölkischer Schutz- und Trutzbund, Deutschbund, Reichshammerbund, Deutschgläubige Gemeinschaft oder Thule-Gesellschaft. Allerdings gab es entgegen Hitlers Darstellung neben der NSDAP auch etliche andere völkische Gruppierungen, die sich »Partei« nannten. Einige dieser Gründungen reichten bis in die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zurück, aber auch nach 1918 entstanden viele entsprechende Parteien. Zu nennen sind etwa die Deutschsoziale Partei, die Deutschsozialistische Partei, die Großdeutsche Freiheitspartei oder die Deutschvölkische Freiheitspartei. Auch die DAP bezeichnete sich schon vor Hitlers Eintritt als Partei.

Vgl. Puschner, Bewegung, S. 270 – 273; Plöckinger, Soldaten, S. 185; Anm. 185 in diesem Kapitel.

165 Eine Anspielung auf verschiedene 1924/25 gegründete Organisationen, die sich als »nationalsozialistisch« bezeichneten, jedoch ohne oder gar gegen Hitler gegründet worden waren. Zu nennen sind hier die Nationalsozialistische Freiheitsbewegung (Großdeutschland) mit ihrer »Reichsführerschaft« um Erich Ludendorff, Gregor Straßer und Albrecht von Graefe, die von einigen Landtagsabgeordneten gegründete Nationalsozialistische Arbeitsgemeinschaft sowie Anton Drexlers kurzlebiger Nationalsozialer Volksbund. Darüber hinaus bezieht sich Hitler hier auf die Vorbehalte gegen die Wiederaufnahme des Begriffs »nationalsozialistisch«, die im Vorfeld der Neugründung der NSDAP von norddeutschen Völkischen vehement artikuliert wurden. Hintergrund war das letztlich vergebliche Bemühen, die Nationalsozialisten organisatorisch in die völkische Bewegung einzugliedern.

Vgl. Reichswart vom 31. 1. 1925, »Sozialistisch-sozial!«; Puschner, Bewegung, S. 9 f.; Rösch, NSDAP, S. 171 – 173; Plöckinger, Geschichte, S. 83, Anm. 292; Ullrich, Hitler, Bd. 1, S. 215; Kap. II/8, Anm. 2.

166 Diese Passage korrespondiert mit Hitlers Ablehnung jeglicher »Germanisation« durch das Erlernen der deutschen Sprache, was er in Kapitel Der Staat (II/2) detailliert ausführt. Nicht ohne Grund befürchtete Hitler, dass die Verwendung unzeitgemäßer »germanischer« (statt geläufiger hochdeutscher) Begriffe der erhofften Anschlussfähigkeit in der Mitte der Gesellschaft mehr schade als nütze. Ein Erkennungszeichen für diese sprachliche Distinktion war die Verwendung »germanischer« Monatsnamen, die auch in gemäßigtvölkischen Zeitungen und Zeitschriften auftauchten. Bis Anfang 1921 führte auch der Völkische Beobachter doppelte Monatsnamen. Mit der Übernahme durch die NSDAP im Dezember 1920 wurde dies jedoch rasch beendet, und zwar seit der Ausgabe vom 20. 2. 1921.  Erneute Versuche während des Dritten Reichs, die gebräuchlichen Monatsnamen durch »germanische« zu ersetzen, wurden sowohl von staatlicher Seite als auch parteiintern unterbunden.

Vgl. Schumacher, Monatsnamen, S. 130 – 141; Hartung, Ideologie, S. 33; Kap. II/2, S. 18 – 20 sowie die dortige Kommentierung.

167 Vor Augen hatte Hitler hier seine 1925 mit norddeutschen Völkischen geführte Debatte über ihre jeweiligen Verdienste für die völkische Bewegung. Anlass war Hitlers Aufruf zum »Wiedererstehen« der NSDAP vom Februar 1925, in dem er herausstellte, wie »aus der damaligen kleinen Partei […] eine große Bewegung geworden« sei, »deren Namen die ganze Welt« kenne. Nun trete sie »wieder nach mehr als einjährigem Schweigen in einer großen Kundgebung an die breite Öffentlichkeit«. Ernst von Reventlow antwortete darauf in einem kritischen Artikel: »Das Werk der ersten fünf Jahre aber ist nicht schwer gelungen, es ist überhaupt nicht gelungen, es hat mit einer Katastrophe geendet.« Reventlow verwies gerne auf seinen jahrzehntelangen Einsatz für die völkische Bewegung. Und auch Theodor Fritsch pochte auf seine langjährigen »Verdienste«. 1930 beklagte er, dass die »älteren Vorkämpfer der völkischen Bewegung«, die der NS-Bewegung »den Boden bereitet« hätten und denen diese »ihre Ideen verdanken« würde, durch die »neuen Führer« in »den Geruch der Reaktion und Rückständigkeit« gebracht wurden.

Vgl. Reichswart vom 7. 3. 1925, »Hitlers Programm« (Zitat); Hitler, Reden, Bd. I, Dok. 1, Zitat S. 1; Puschner, Bewegung, S. 9 – 12, Zitat S. 12; Plöckinger, Geschichte, S. 80 f.

Es war damals schwer, den Leuten begreiflich zu machen, daß jede Bewegung, solange sie eben# 1926: gestrichen: eben nicht den Sieg ihrer Ideen und damit ihr Ziel erreicht hat, Partei ist, auch wenn sie sich tausendmal einen anderen Namen beilegt.163

Wenn irgendein Mensch einen kühnen Gedanken, dessen Verwirklichung im Interesse seiner Mitmenschen als# 1930: gestrichen: als nützlich erscheint, nun# 1926: gestrichen: nun zur praktischen Durchführung bringen will, so wird er zunächst# 1930: gestrichen: zunächst sich# 1930: eingefügt: zunächst Anhänger zu suchen haben, die bereit sind, für seine Absichten einzutreten. Und wenn diese Absicht nur darin bestünde, das zur Zeit# 1937: zur Zeit ersetzt durch: zurzeit;
1939: zur Zeit bestehende Parteiwesen zu vernichten, die Zersplitterung zu beenden, so sind eben# 1930: gestrichen: eben die Vertreter dieser Anschauung und Verkünder dieses Entschlusses# 1930: eingefügt: eben selber Partei, so lange# 1933: so lange ersetzt durch: solange;
1937: so lange , bis ihr Ziel nicht als errungen gelten kann# 1930: bis ihr Ziel nicht als errungen gelten kann ersetzt durch: bis nicht das Ziel errungen ist . Es ist Wortklauberei und Spiegelfechterei, wenn dann# 1926: gestrichen: dann irgendein bezopfter völkischer Theoretiker, dessen praktische Erfolge im umgekehrten Verhältnis zu seiner Weisheit stehen164, sich einbildet, den Charakter, den jede junge Bewegung als Partei besitzt, zu ändern durch eine Änderung ihrer Bezeichnung.165

Im Gegenteil.

Wenn irgend etwas unvölkisch ist, dann ist es dieses Herumwerfen mit besonders altgermanischen Ausdrücken, die weder in die heutige Zeit passen noch etwas Bestimmtes vorstellen, sondern leicht dazu führen können, die Bedeutung einer Bewegung im äußeren Sprachschatz derselben aufzeigen zu wollen# 1930: aufzeigen zu wollen ersetzt durch: zu sehen . Es ist dies# 1930: Es ist dies ersetzt durch: Das ist ein wahrer Unfug, den man aber heute unzählige Male beobachten kann.166

Überhaupt habe ich schon damals und auch in der Folgezeit immer wieder warnen müssen# 1930: gestrichen: warnen müssen vor jenen deutschvölkischen Wanderscholaren# 1930: eingefügt: warnen müssen , deren positive Leistung immer gleich Null ist, deren Einbildung aber kaum übertroffen zu werden vermag. Die junge Bewegung mußte und muß sich hüten# 1930: gestrichen: hüten vor einem Zustrom an Menschen# 1930: eingefügt: hüten , deren einzige Empfehlung zumeist in ihrer Erklärung liegt, daß sie schon dreißig oder gar vierzig Jahre lang für die gleiche Idee gekämpft hätten.167 Wer aber vierzig Jahre lang für eine# 1939: eine ersetzt durch: seine;
1944: eine sogenannte Idee eintritt, ohne selbst den geringsten Erfolg selber# 1930: gestrichen: selber herbeiführen zu können, ja ohne den Sieg des Gegenteils verhindert zu haben, hat den Wahrheitsbeweis für die eigene Unfähigkeit eben# 1930: gestrichen: eben in vierzigjähriger Tätig-