6. Kapitel
Der Kampf der ersten Zeit – Die Bedeutung der Rede

»Die nationalsozialistische Bewegung« lautet der Untertitel des zweiten Bands von Mein Kampf. Dahinter steht auch der Anspruch, den ersten Band dort fortzusetzen, wo er geendet hat – mit der Geschichte der noch jungen NSDAP. Wirklich eingelöst wird dieser Anspruch aber erst im vor­liegenden Kapitel sowie im folgenden Kapitel II/7. Inhaltlich und strukturell gehören beide Kapitel eigentlich in den ersten Band, für den sie ursprünglich auch vorgesehen waren: Ein Werbeflugblatt für Hitlers Buch aus dem Juni 1924 belegt, dass ein eigener Abschnitt mit dem holprigen Titel »Nicht verzagen und nie verzweifeln; als Motto zweier Jahre« vorgesehen war.1 Und eine Zeitspanne von zwei Jahren – von Herbst 1919 bis Herbst 1921 – ist auch das Thema der beiden Kapitel II/6 und II/7. Abschnitte aus dem ersten Teil dieses Kapitels sind bereits im Juni 1924 entstanden. Weitere Überarbeitungen dürften im April 1925 erfolgt sein, als die Entscheidung fiel, das Buch in zwei Teile aufzuspalten. Später entstanden ist hingegen der zweite Teil des Kapitels, der sich mit der »Bedeutung der Rede« für die NS-Propaganda beschäftigt. Die Reaktionen auf den ersten Band von Mein Kampf, die Hitler hier anspricht, sprechen dafür, dass dieser Teil frühestens im Herbst 1925 verfasst worden ist, als die ersten, meist kritischen Besprechungen von Hitlers Buch in deutschnationalen und völkischen Blättern erschienen.2 Nach der Teilung von Mein Kampf verzichtete Hitler darauf, den zweiten Band mit der am Ende des ersten Bands abgebrochenen Parteigeschichte beginnen zu lassen. Stattdessen gab er im Kapitel Weltanschauung und Partei (II/1) lediglich einige Hinweise zur »Gründungs­versammlung« der NSDAP vom 24. Februar 1920, um damit einen gewissen Anknüpfungspunkt zu haben. Die eigentliche Fortsetzung der parteigeschichtlichen Erzählung erfolgt jedoch erst hier, in den Kapiteln II/6 und II/7. Ein wesentlicher Grund für diese ungewöhnliche Reihung war wohl Hitlers Anspruch, in seiner Partei nun auch als führender Programmatiker aufzutreten. In allen weltanschaulichen Fragen beanspruchte er das letzte Wort. Dementsprechend geht es in den ersten fünf Kapiteln des zweiten Bands jeweils um programmatische und ideologische Inhalte, die – offenbar mit Bedacht – nicht durch parteigeschichtliche Ausführungen unterbrochen werden.3