Die Forderungen hierzu <span class="pagenumber">[365]</span>

75 Auch dieser Satz wurde 1930 geändert und wie folgt ersetzt: »Der erste Vorsitzende einer Ortsgruppe wird durch den nächsthöheren Führer eingesetzt, er ist der verantwortliche Leiter der Ortsgruppe.« Nachdem Hitler die Führung der NSDAP im Juli 1921 übernommen hatte, wurde auch deren Organisation neu strukturiert. Außerhalb Bayerns ließen sich die diktatorischen Vorstellungen, die in der Satzung vom 29. 7. 1921 festgelegt wurden, zunächst jedoch kaum durchsetzen. Vor allem norddeutsche Ortsgruppen organisierten sich auch nach der Neugründung der NSDAP im Februar 1925 weiterhin nach demokratischen Prinzipien. Der Parteiführung blieb meist nichts anderes übrig, als die Gewählten zu bestätigen. In den Satzungen vom 21. 8. 1925 und vom 22. 5. 1926 fehlen Regelungen für die Wahlen der Ortsgruppenleiter; erst die Richtlinien für Gaue und Ortsgruppen der NSDAP vom 1. 7. 1926 legten fest: »Der 1. Vorsitzende wird gewählt durch die ordentliche Mitgliederversammlung der O[rts-]Gr[uppe] durch Zuruf.« Wenige Monate später folgten allerdings bereits wieder Einschränkungen im Sinne Hitlers: Die Wahl des Ortsgruppenleiters musste von nun an vom Gauleiter anerkannt und bestätigt werden, der Ortsgruppenleiter besetzte alle weiteren Funktionen in einer Ortsgruppe eigenständig. Seit Ende 1926 wurden parteiinterne Wahlen von Hitler zunehmend untersagt. Die Sektionsführer in München wurden nur noch von ihm persönlich eingesetzt – ein Verfahren, das bei Gauleiterposten schon seit der Satzung vom 22. 5. 1926 zumindest formal vorgesehen war. Die unterschiedlichen Fassungen dieser Passage in Mein Kampf brachten die Parteileitung bei Konflikten innerhalb von Ortsgruppen gelegentlich in Erklärungsnot; man verlegte sich nun darauf, die ursprüngliche Fassung als Rücksichtnahme auf die Bestimmungen des Vereinsgesetzes zu erklären.

Vgl. Hitler, Kampf (1930), Zitat S. 378; Hitler, Reden, Bd. I, Dok. 64, 146; Bd. II/1, Dok. 1, 51, Zitat S. 1; Tyrell (Hrsg.), Führer, S. 33, 265; Hüttenberger, Gauleiter, S. 12 – 15; Böhnke, NSDAP, S. 97; Rösch, NSDAP, S. 117; Kap. II/11, Anm. 42.

76 Mit Hitlers Übernahme der Parteiführung wurde die NSDAP völlig neu organisiert: »Der Verein gliedert sich zunächst in Ortsgruppen, die der Haupt-Parteileitung unterstellt sind. Je nach Bedarf werden diese in Unterabteilungen als Gau-Verbände, diese wieder als Landes-Verbände zusammengefaßt«, hieß es in der Satzung vom 29. 7. 1921.  Auf der Tagung der NSDAP am 11. /12. 8. 1921 in München entstanden eine Landesleitung für Bayern und mehrere Landesverbände außerhalb Bayerns, denen jeweils regionale Ortsgruppen zugeordnet waren. München sollte aus fünf Sektionen bestehen, behielt aber seinen Sonderstatus als Ortsgruppe und als Reichsleitung. Nach der Neugründung der Partei wurde mit der Satzung vom 21. 8. 1925 diese Aufteilung im Wesentlichen beibehalten. Schon bald verlagerten sich aber die regionalen Machtzentren hin zu den sich etablierenden Gauleitungen, selbst wenn die Ortsgruppen die Auswahl der Gauleiter anfangs noch beeinflussen konnten. Durch die Satzung vom 22. 5. 1926 wurde den Ortsgruppen und Gauen die Gründung weiterer Untergliederungen freigestellt, sodass seit 1928 zwischen den Gauen und den Ortsgruppen die Kreise der NSDAP entstanden; sie wurden 1932 zu einer festen Instanz. Auch die Ortsgruppen begannen sich zu differenzieren; von Berlin ausgehend entstanden seit 1930 Zellen- und Blockstrukturen, die ebenfalls die einst einflussreichen Ortsgruppen schwächten. Mit der Dienstvorschrift vom 15. 7. 1932 galt schließlich der – verhältnismäßig kleine – Block als Grundbaustein der Partei. Im Dritten Reich entwickelten sich die zunächst 34 (1943: 41) Gauleiter zu den einflussreichsten Funktionären der NSDAP, schon weil sie häufig auch staatliche Aufgaben übernahmen und dabei in einem System agieren konnten, das durch seinen organisatorischen Wildwuchs viele Freiräume bot.

Vgl. Hitler, Reden, Bd. I, Dok. 64, 146; Tyrell (Hrsg.), Führer, Zitat S. 33; Hüttenberger, Gauleiter, S. 11 – 38; Tyrell, Trommler, S. 67 f.; Roth, Parteikreis, S. 18 – 25; Rösch, NSDAP, S. 246; Reibel, Fundament, S. 30 – 36, 75 f.; Ziegler, Selbstverständnis, S. 77 – 85; Lehmann, Kreisleiter, S. 57 – 60.

78 Seit 1930 hieß es dann in Mein Kampf, der »Führer der Gesamtpartei« werde lediglich aus »vereinsgesetzlichen Gründen in der Generalmitgliederversammlung gewählt«. Die Satzung vom 21. 8. 1925 legte fest, dass die Generalmitgliederversammlung der NSDAP jeweils in der zweiten Januarhälfte in München stattzufinden habe. Mit der Satzung vom 22. 5. 1926 wurde der Termin auf die Zeit zwischen Ostern und Pfingsten gelegt – was jedoch in den folgenden Jahren nicht eingehalten wurde. Dass bei diesen ungeliebten Versammlungen Wahlen lediglich aus vereinsrechtlichen Gründen abgehalten wurden, betonte Hitler schon 1926. Er eröffnete seine Rede mit der Bemerkung, »daß der Zweck der heutigen Generalmitgliederversammlung des Vereins unserer Bewegung der ist, einer gesetzlichen Pflicht zu genügen«. Gregor Straßer verwies bei der Generalmitgliederversammlung am 31. 8. 1928 ebenfalls »auf die gesetzlichen Vorschriften, die die alljährliche Veranstaltung einer Generalmitgliederversammlung eines eingeschriebenen Vereins verlangen«. Hitler unterstrich bei dieser Versammlung, »daß das Bürgerliche Gesetzbuch, das selbstverständlich dem inneren Wesen des parlamentarisch-demokratischen Staates entspricht, auch für eine Bewegung, die einer grundsätzlich anderen Weltanschauung huldigt, keine Ausnahmen gestatten kann«.

Vgl. VB vom 2. /3. 1928 (Bayernausgabe), »Die Generalmitgliederversammlung der N.S.D.A.P.«; vom 25./26. 5. 1930 (Bayernausgabe), »Die N.S.D.A.P. erwirbt ein Parteihaus«; Hitler, Reden, Bd. I, Dok. 64, 145, 146, Zitat S. 439; Bd. III/1, Dok. 13, Zitat S. 35.

79 Diese Forderung war mit der Satzung vom 29. 7. 1921 bereits weitgehend umgesetzt worden. In fünf der sieben Ausschüsse der Partei wurde die Leitung vom 1. Vorsitzenden, also von Hitler persönlich, eingesetzt. Lediglich die beiden Kassiere als Vorsitzende des Finanzausschusses mussten aus vereinsrechtlichen Gründen weiterhin gewählt werden. Den Untersuchungs- und Schlichtungsausschuss leitete zunächst Anton Drexler als »Gründungsvorsitzender«; mit der Satzung vom 21. 8. 1925 wurde auch das geändert und die Einsetzung der Leitung ebenfalls Hitler übertragen. Der 1.  Vorsitzende und damit Führer des Parteiausschusses war seit 1921 unabhängig von den »Majoritätsbeschlüssen des Ausschusses« und konnte nur noch von einer außerordentlichen Mitgliederversammlung zur Rechenschaft gezogen werden, sollte er »Parteiprogramm und Statuten« zuwiderhandeln.

Vgl. Hitler, Reden, Bd. I, Dok. 64, Zitate S. 150 f.; Tyrell (Hrsg.), Führer, S. 34 f.

Die praktischen Folgen dieses Grundsatzes in der Bewegung sind nachstehende:

Der erste Vorsitzende einer Ortsgruppe wird gewählt# 1930: gewählt ersetzt durch: durch den nächsthöheren Führer eingesetzt , allein er ist dann auch# 1926: allein er ist dann auch ersetzt durch: allein dann ist er;
1930: er ist der verantwortliche Leiter derselben# 1930: derselben ersetzt durch: der Ortsgruppe .75 Sämtliche Ausschüsse unterstehen ihm, und nicht er umgekehrt einem Ausschuß. Abstimmungsausschüsse# 1930: Abstimmungsausschüsse ersetzt durch: Abstimmungs-Ausschüsse;
1937: Abstimmungsausschüsse;
1939: Abstimmungs-Ausschüsse gibt es nicht, sondern nur solche für Arbeit# 1930: solche für Arbeit ersetzt durch: Arbeits-Ausschüsse;
1937: Arbeitsausschüsse;
1939: Arbeits-Ausschüsse . Die Arbeit teilt der verantwortliche Leiter, der erste Vorsitzende, ein. Der gleiche Grundsatz gilt für die nächst höhere# 1930: nächst höhere ersetzt durch: nächsthöhere Organisation, den Bezirk, den Kreis oder den Gau.76 Immer wird der erste Vorsitzende gewählt, allein damit auch# 1930: erste Vorsitzende gewählt, allein damit auch ersetzt durch: Führer von oben eingesetzt und gleichzeitig mit unbeschränkter Vollmacht und Autorität bekleidet.77 Und das gleiche gilt endlich für die Leitung der Gesamtpartei# 1930: Und das gleiche gilt endlich für die Leitung der Gesamtpartei ersetzt durch: Nur der Führer der Gesamtpartei wird aus vereinsgesetzlichen Gründen in der Generalmitgliederversammlung gewählt . Der Vorsitzende wird gewählt, er aber ist# 1930: Der Vorsitzende wird gewählt, er aber ist ersetzt durch: Er ist aber der ausschließliche Führer der Bewegung.78 Sämtliche Ausschüsse unterstehen ihm und nicht er den Ausschüssen. Er bestimmt und trägt damit aber auch auf seinen Schultern die Verantwortung. Es steht den Anhängern der Bewegung frei, vor dem Forum einer neuen Wahl ihn zur Verantwortung zu ziehen, ihn seines Amtes zu entkleiden, insofern er gegen die Grundsätze der Bewegung verstoßen oder ihren Interessen schlecht gedient hat.79 Allein an# 1930: Allein an ersetzt durch: An seine Stelle tritt eben# 1926: gestrichen: eben dann der besserkönnende# 1937: besserkönnende ersetzt durch: besser könnende;
1939: besserkönnende , neue Mann, jedoch mit gleicher Autorität, aber auch# 1930: Autorität, aber auch ersetzt durch: Autorität und mit gleicher Verantwortlichkeit.

Es ist eine der obersten Aufgaben der Bewegung, dieses Prinzip zum bestimmenden nicht nur innerhalb ihrer eigenen Reihen, sondern auch für den gesamten Staat zu machen.80

Wer Führer sein will, trägt bei höchster unumschränkter Autorität aber# 1926: gestrichen: aber auch die letzte und schwerste Verantwortung.

Wer dazu nicht fähig oder für das Ertragen der Folgen seines Tuns zu feige ist, taugt nicht zum Führer. Nur der Held ist dazu berufen.81

Der Fortschritt und die Kultur der Menschheit aber# 1926: gestrichen: aber sind nicht eine Geburt# 1930: eine Geburt ersetzt durch: ein Produkt der Majorität, sondern beruhen ausschließlich auf der Genialität und der Tatkraft der Persönlichkeit.82

Diese heranzuzüchten und in ihre Rechte einzusetzen, ist eine der Vorbedingungen zur Wiedergewinnung der Größe und Macht unseres Volkstums.