Der Werdegang des Judentums <span class="pagenumber">[326]</span>

135 Wenngleich viele Antisemiten auf der Echtheit der Protokolle beharrten, war diese Frage vor allem propagandistisch von großer Bedeutung, ideologisch hingegen zweitrangig. Aus antisemitischer Sicht entlarvten die Protokolle auf jeden Fall das tatsächliche Wesen »der Juden«. Konstantin von Gebsattel, führende Figur des Alldeutschen Verbands und des Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbunds, meinte dazu: »Ob es eine Fälschung ist oder nicht – jedenfalls entspricht es der Wirklichkeit.« Henry Ford schrieb: »Das Dokument selbst ist verhältnismäßig unwichtig; die ganze Sachlage und die Umstände, auf die es die Aufmerksamkeit lenkt, sind von höchstgradiger Wichtigkeit.« Bezeichnenderweise werteten einige Antisemiten den Nachweis der Protokolle als Fälschung als Beleg für eine »jüdische Weltverschwörung« und damit wiederum für die Echtheit des Pamphlets. Daher steigerten die Prozesse, die um die Protokolle geführt wurden, unter Antisemiten noch das Interesse an den Protokollen. Zum bekanntesten Prozess kam es 1933 – 1935/37 in Bern gegen Schweizer Nationalsozialisten (»Frontisten«).

Trotz der intensiven Rezeption der Protokolle in der völkischen Bewegung spielten sie für Hitler lediglich eine untergeordnete Rolle, zumal auch er Zweifel an ihrer Echtheit geäußert haben soll. Erst am 19. 8. 1921, eineinhalb Jahre nach ihrem Erscheinen in Deutschland, erwähnte er sie zum ersten Mal in einer Rede und hielt sich auch in der Folgezeit mit entsprechenden Verweisen zurück. Demgegenüber nahmen andere Nationalsozialisten wie Dietrich Eckart und Alfred Rosenberg immer wieder auf sie Bezug. Gottfried Feder nannte die Protokolle 1923 gar das »Buch aller Bücher für alle nichtjüdischen Völker«, und Rudolf Heß schrieb in einem Brief vom 14. 10. 1923: »Ich spreche übrigens neben dem Programm, über das überall noch Unklarheit herrscht, grundsätzlich immer über die ›Weisen von Zion‹ u[nd] über die Beweise für ihre Echtheit.«

Vgl. BA Bern, NL Hess, J 1. 211 – 1989/148, 31; Ford, Jude, Bd. 1, Zitat S. 93; Stanjek, Weisen, S. 71 f.; Rosenberg, Echt oder gefälscht?; Feder, Staat (1923), Zitat S. 56; Turner (Hrsg.), Hitler, S. 153; Jäckel/ Kuhn (Hrsg.), Hitler, Dok. 275, 475; Suchy, Verein (II), S. 84 f.; Pfahl-Traughber, Verschwörungsmythos, Zitat S. 47; Benz, Protokolle, S. 68 – 82; Levy, Protokolle, S. 221 – 225; Plöckinger, Soldaten, S. 319 – 321. 

136 Hitler orientierte sich bei seiner Darstellung vom »Werdegang des Judentums« wahrscheinlich an Alfred Rosenbergs Die Spur des Juden im Wandel der Zeiten (1920) – einem Pamphlet, das sich auch auf einer frühen Liste von Büchern findet, die jeder Nationalsozialist kennen müsse. Viele Aussagen Hitlers in Mein Kampf erinnern an Passagen aus Rosenbergs Schrift. Allerdings gibt es auch einige Unterschiede: So betrachtete Rosenberg anders als Hitler das Christentum und das »Empfinden« der »slavokeltogermanischen Völker« als wesensverwandt und sehnte den »Tag des christlich-germanischen Gedankens« herbei. Die Juden beschrieb zwar auch Rosenberg als »Parasiten« und »Träger des Zerstörungsgedankens«, allerdings forderte er noch keine exterminatorischen Konsequenzen; vielmehr schrieb er: »Wir müssen dem Juden als Menschen Schutz des Lebens, Gleichheit vor dem Strafrichter, Liebesdienste, wie jedem anderen Menschen gegenüber erweisen, aber wir müssen unser Volkstum gesetzlich schützen, es in seiner Eigenart pflegen und läutern können, ohne daß ein fremder jüdischer, notwendig feindlicher Geist einen Einfluß erlangen darf.« Einundzwanzig Jahre später sollte sich Rosenberg als Reichsminister für die besetzten Ostgebiete gänzlich anders äußern. Die »Judenfrage«, so Rosenberg am 18. 11. 1941 in einer vertraulichen Rede, könne nur »in einer biologischen Ausmerzung des gesamten Judentums in Europa« gelöst werden.

Vgl. Rosenberg, Spur, Zitate S. 68, 135, 150, 160, 163; Rosenberg, Mythus, S. 32; Kempner, SS, Zitat S. 228; Piper, Rosenberg, S. 74; Ryback, Bücher, S. 86.

140 Die Vorstellung, »der Jude« trete gleich einer Naturgewalt oder gar einer Plage plötzlich auf, propagierten auch andere antisemitische Autoren. Ottomar Beta schrieb 1875: »Das Judenthum ist ein hierarchisch organisirtes Volk, das seiner Natur nach, da es keinen Ackerbau treibt, darauf angewiesen ist, unter andern Völkern zu leben. Es tritt diesen gegenüber als eine Naturgewalt auf, die alle gemeinsam bedroht und gegen die alle gemeinsam sich wehren müssen.« In Wirklichkeit waren die Juden auf dem Gebiet des heutigen Deutschland keineswegs plötzlich »da«, sondern wurden spätestens seit dem 6. Jahrhundert wegen ihrer handwerklichen Fähigkeiten, etwa als Färber, Glasbläser und Seidenweber, angeworben. Sie kamen demnach keineswegs nur als Kaufleute, wie Hitler im folgenden Satz behauptet. Neben dem Handwerk gehörten Weinbau und Weinerzeugung ebenso zu jüdischen Gewerben wie Vieh- und Pferdezucht.

Vgl. Beta, Darwin, S. 15 (Zitat), 27; Ben-Sasson, Diaspora, S. 16; Herzig, Juden, S. 32 f.; Brenner, Geschichte (2012), S. 95 – 98; Kap. I/5, Anm. 78.

Darauf aber kommt es an. Es ist ganz gleich, aus wessen Judenkopf diese Enthüllungen stammen134, maßgebend aber ist, daß sie in# 1930: in ersetzt durch: mit geradezu grauenerregender Sicherheit das Wesen und die Tätigkeit des Judenvolkes aufdecken und in ihren inneren Zusammenhängen sowie den letzten Schlußzielen klarlegen# 1930: klarlegen ersetzt durch: darlegen .135 Die beste Kritik an ihnen jedoch bildet die Wirklichkeit. Wer die geschichtliche Entwicklung der letzten hundert Jahre von den Gesichtspunkten dieses Buches aus überprüft, dem wird auch das Geschrei der jüdischen Presse sofort verständlich werden. Denn wenn dieses Buch erst einmal Gemeingut eines Volkes geworden sein wird, darf die jüdische Gefahr auch schon als gebrochen gelten.

Um den Juden kennen zu lernen# 1930: kennen zu lernen ersetzt durch: kennenzulernen , ist es am besten, seinen Weg zu studieren, den er im Leibe# 1930: im Leibe ersetzt durch: innerhalb der anderen Völker und im Laufe der Jahrhunderte genommen hat.136 Es genügt dabei, dies nur an einem Beispiele zu verfolgen, um zu den nötigen Erkenntnissen zu kommen. Da sein Werdegang immer und# 1937: gestrichen: und; 1939: wieder eingefügt: und zu allen Zeiten derselbe war, wie ja auch die von ihm angefressenen137 Völker immer die gleichen sind, so empfiehlt es sich, bei einer solchen Betrachtung seine Entwicklung in bestimmte Abschnitte zu zerlegen, die ich in diesem Falle der Einfachheit halber mit Buchstaben bezeichne.

Die ersten Juden sind nach Germanien im Verlaufe des Vordringens der Römer gekommen, und zwar# 1930: eingefügt: wie immer als Händler wie immer# 1930: gestrichen: wie immer .138 In den Stürmen der Völkerwanderung aber scheint auch dies beendet worden zu sein# 1930: scheint auch dies beendet worden zu sein ersetzt durch: sind sie anscheinend wieder verschwunden , und so darf als Beginn einer neuen und nun bleibenden Verjudung Mittel- und Nordeuropas die Zeit der ersten germanischen Staatenbildung angesehen werden. Nun setzt eine Entwicklung ein# 1926: Nun setzt eine Entwicklung ein ersetzt durch: Eine Entwicklung setzt ein;
1944: Eine Entwicklung setzte ein , die immer dieselbe oder eine ähnliche war, wenn irgendwo Juden auf arische Völker stießen.139

a) Mit dem Entstehen der ersten festen Siedelungen# 1937: Siedelungen ersetzt durch: Siedlung;
1939: Siedlungen ist der Jude plötzlich »da«.140 Er kommt als Händler und legt anfangs noch wenig Wert auf die Verschleierung seines Volkstums. Er ist noch Jude,