Die Jammerbriefe aus der Heimat <span class="pagenumber">[199]</span>

14 Ähnliche Beobachtungen machte damals die militärische Überwachungsstelle des I. Bayerischen Armeekorps, die im April 1918 mit Blick auf die Feindpropaganda in der Phase 1917/18 von »Sprengliteratur« sprach. Unter ihr verstand man »die Verjagung der Hohenzollern, wofür dann dem deutschen Volk Verzeihung für seine Sünden und sogar Pensionsberechtigung für die Zukunft zugesichert wird. Jedes Anzeichen von Partikularismus in den Soldatentagebüchern und den Gefangenenbriefen wird sorgfältig vermerkt und in Bildwiedergabe verbreitet.« Zentrale Angriffspunkte der Entente-Propaganda bildeten der »(preußische) Militarismus« und Kaiser Wilhelm II. Zum Ärger Ludendorffs wurde auch in Teilen der deutschen Presse antipreußische Stimmen laut – ein Anknüpfungspunkt für die spätere Legende vom »Dolchstoß« gegen die kämpfende Truppe.

Vgl. BayHStA, Kriegsarchiv, Handschriftensammlung HS 2324; Fritsch (Hrsg.), Handbuch, S. 549 f.; Ludendorff, Kriegserinnerungen, S. 286; Werner, Wahrheit, S. 32; Kuhl, Kriegslage, S. 18; Sanders/ Taylor, Propaganda, S. 178. Zur Dolchstoßlegende

vgl. Kap. I/10, Anm. 13.

15 Die Idee einer allgemeinen, friedenssichernden »Gesellschaft von Nationen« war Bestandteil des »14-Punkte-Programms«, das der amerikanische Präsident Woodrow Wilson am 8. 1. 1918 in einer Rede vor dem Kongress der Vereinigten Staaten vorgestellt hatte. Dieselbe Überlegung war auch Kernelement eines Memorandums, das der englische Science-Fiction-Autor Herbert George Wells im Mai 1918 im Auftrag von Lord Northcliffe erstellt hatte. Die darin formulierten Richtlinien einer auf Deutschland gemünzten Propaganda beschrieben eine Nachkriegswelt, in der alle »Staaten, miteinander verbunden, unter einem gemeinsamen Gesetz leben, ihre Streitigkeiten vor internationalen Gerichtshöfen austragen, schwächere Gemeinschaften schützen und […] Kriegsvorbereitungen auf der ganzen Welt unterdrücken würden«. Große Wirkung auf die englische Kriegspropaganda hatte dieser Vorschlag nicht. Aufgrund persönlicher Differenzen mit Northcliffe, dessen undifferenzierte antideutsche Agitation dem Schriftsteller zu radikal war, trat Wells schon im Juli 1918 von seinem Amt zurück.

Vgl. Schwabe (Hrsg.), Quellen, S. 47 – 49, Zitat S. 49; Schultze, Wells, S. 118 – 126, Zitat S. 121; Sanders/ Taylor, Propaganda, S. 191 f., 197; Leonhard, Büchse, S. 807 f., 884 f.

18 Mit der Mobilmachung in Bayern am 1. 8. 1914 wurde die 6. Armee gebildet, die größtenteils aus bayerischen Einheiten bestand und bis 1916 von Kronprinz Rupprecht von Bayern geführt wurde. Die landsmannschaftliche Homogenität im Rahmen einer gesamten Armee ging aber spätestens seit Frühjahr 1915 aufgrund der hohen Verluste sowie der permanenten Verlegung und Neuorganisation verloren, sodass im Sommer 1914 die bayerische Armee zum letzten Mal in ihrer Geschichte als geschlossener Verband ins Feld gezogen war. Nur auf der Ebene der Armeekorps und der Divisionen konnte während des Ersten Weltkriegs noch von bayerischen Verbänden und damit auch von bayerischen Frontabschnitten gesprochen werden.

Vgl. Die Bayern im Großen Kriege, bes.S. 3 – 15; Beckenbauer, Ludwig, S. 165; Kap. II/10, Anm. 169.

19 Tatsächlich versuchte die alliierte Propaganda, die antizentralistischen und -preußischen Affekte auszunützen, die es in Süddeutschland schon lange gab und die besonders in der Endphase des Ersten Weltkriegs Konjunktur hatten. Ein im Herbst 1918 kursierendes, an die »Bayerischen Kameraden und Landsleute« adressiertes Flugblatt fragte etwa: »Für wen kämpft und blutet ihr? […] Für den größten Wahnwitz der Menschheit, den der König von Preußen über die Welt verhängt hat zur Unterhaltung für sich und seine Militärhalunken und zum Profit für seine Kanonenfabrikanten, an deren Geschäften er selbst beteiligt ist. Niemand hat uns überfallen und wollte uns übles! Alles preußische Lüge und Schwindel! […] Wo es am blutigsten hergeht, da wirft man die Bayern ins dichteste Gemetzel. Immer blutet ihr nur für die Interessen der Ostelbier. […] Die Preußen haben Bayern immer nur unterdrückt, ausgebeutet und auf die Schlachtbank gelegt. Jeder Sieg Preußens ist ein Schritt zu Bayerns Untergang; jeder Sieg der Entente ist ein Schritt zu Bayerns Befreiung.«

Vgl. BayHStA, Kriegsarchiv, Stv. Gen. Kdo. I. bay. A. K., 1895.

endlos sei, während die Aussicht, ihn zu gewinnen, immer mehr schwinde; das Volk in der Heimat sehne sich deshalb auch nach Frieden, allein der »Militarismus« sowie der »Kaiser« erlaubten dies nicht;14 die ganze Welt (der dies sehr wohl bekannt sei) führe deshalb aber auch nicht gegen das deutsche Volk den Krieg# 1926: führe deshalb aber auch nicht gegen das deutsche Volk den Krieg ersetzt durch: führe deshalb auch nicht den Krieg gegen das deutsche Volk , als# 1930: als ersetzt durch: sondern vielmehr ausschließlich gegen den einzig Schuldigen, den Kaiser; der Kampf aber werde nicht# 1926: aber werde nicht ersetzt durch: werde daher nicht früher ein Ende nehmen, bis nicht# 1926: gestrichen: nicht dieser Feind der friedlichen Menschheit beseitigt sein würde# 1930: sein würde ersetzt durch: sei ; die freiheitlichen und demokratischen Nationen würden aber nach Beendigung des Krieges das deutsche Volk in den Bund des ewigen Weltfriedens aufnehmen, der von der Stunde der Vernichtung des »preußischen« Militarismus# 1926: »preußischen« Militarismus ersetzt durch: »preußischen Militarismus« an gesichert sei.15

Zur besseren Illustration des so Vorgebrachten wurden dann nicht selten »Briefe aus der Heimat« abgedruckt, deren Inhalt diese Behauptungen zu bestätigen schien.16

Im allgemeinen wurde# 1930: wurde ersetzt durch: lachte man damals nur über alle diese Versuche damals nur gelacht# 1930: gestrichen: damals nur gelacht . Die Flugblätter wurden gelesen, dann nach rückwärts geschickt zu den höheren Stäben, und meist wieder vergessen, bis der Wind abermals eine Ladung von oben in die Gräben hineinbeförderte; es waren nämlich meistens Flugzeuge, die zum Herüberbringen der Blätter dienten.17

Eines mußte bei dieser Art von Propaganda bald auffallen, daß nämlich in jedem Frontabschnitt, in dem sich Bayern befanden18, mit außerordentlicher Konsequenz immer gegen Preußen Front gemacht wurde mit der Versicherung, daß nicht nur dieses# 1930: dieses ersetzt durch: einerseits Preußen der eigentlich# 1937: eigentlich ersetzt durch: eigentliche;
1939: eigentlich Schuldige und Verantwortliche für den ganzen Krieg sei, sondern daß besonders# 1930: besonders ersetzt durch: andererseits gegen Bayern aber# 1926: gestrichen: aber; 1930: eingefügt: im besonderen auch nicht das geringste an Feindschaft vorhanden wäre; freilich könnte man ihm# 1926: eingefügt: aber auch nicht helfen, solange es eben im Dienste des preußischen Militarismus mithelfe# 1926: mithelfe ersetzt durch: mittue , diesem die Kastanien aus dem Feuer zu holen.19

Diese# 1933: Diese ersetzt durch: Die Art der Beeinflussung begann nun# 1926: gestrichen: nun tatsächlich schon im Jahre 1915 bestimmte Wirkungen zu erzielen. Die Stimmung gegen Preußen wuchs auch# 1930: gestrichen: auch unter der Truppe ganz ersichtlich – ohne daß von oben herunter aber# 1926: gestrichen: aber auch nur ein einziges Mal dagegen eingeschritten worden wäre. Es war dies schon# 1926: Es war dies schon ersetzt durch: Dies war schon mehr als eine bloße