Die Los-von-Rom-Bewegung <span class="pagenumber">[115]</span>

222 Eine Wiederholung von Hitlers Vorwurf an den tschechischen Klerus, dieser würde nationale tschechische Interessen über die Interessen der Kirche stellen. Dies lässt sich nicht völlig von der Hand weisen, war allerdings nicht nur ein Problem des tschechischen, sondern auch des deutschen Klerus, der keineswegs der eigenen Nation so »objektiv« gegenüberstand, wie Hitler behauptet. Dabei wollte die katholische Kirche, ganz im Gegensatz zur protestantischen, eigentlich eine Parteinahme im aufkommenden Nationalismus vermeiden. So schickte Papst Leo XIII. im August 1901 ein Schreiben an die Erzbischöfe von Böhmen und Mähren, in welchem er dem Klerus untersagte, sich am Sprachenstreit zu beteiligen, da das Eindringen des Nationalismus in kirchliche Fragen die Einheit der Katholiken gefährde. Trotzdem waren um 1900 die deutschen und tschechischen Katholiken derart zerstritten, dass sich katholische Priester sogar in der Führung deutschnationaler Organisationen mit einer klar xenophoben Frontstellung, wie etwa dem Deutschen Schulverein, engagierten. Beim ansonsten eher unpolitischen tschechischen Klerus existierten Fälle wie der des Königgrätzer Bischofs Eduard Jan Brynych, der auch in den größtenteils deutschbevölkerten Gebieten seiner Diözese Gottesdienste auf Tschechisch abhalten lassen wollte.

Vgl. Leisching, Kirche, S. 231 – 237; Kap. I/1, Anm. 47.

subjektiv der Kirche ergeben und blieb objektiv gegenüber der Nation.222 Eine Erscheinung, die wir in tausend anderen Fällen zu unserem Unglück genau so beobachten können.

Es ist dies keineswegs nur ein besonderes Erbteil des Katholizismus, sondern frißt bei uns in kurzer Zeit fast jede, besonders staatliche oder ideelle Einrichtung an.

Man vergleiche nur die Stellung, die z.B. unser Beamtentum gegenüber den Versuchen einer nationalen Wiedergeburt einnimmt223, mit der, wie sie in solchem Falle die Beamtenschaft eines anderen Volkes einnehmen würde. Oder glaubt man, daß das Offizierskorps# 1937: Offizierskorps ersetzt durch: Offizierkorps der ganzen anderen Welt etwa in ähnlicher Weise die Belange der Nation unter der Phrase der »Staatsautorität« zurückstellen würde, wie dies bei uns seit fünf Jahren selbstverständlich ist, ja sogar noch als besonders verdienstvoll gilt?224 Nehmen z.B. in der Judenfrage nicht beide Konfessionen heute einen Standpunkt ein, der weder den Belangen der Nation noch den wirklichen Bedürfnissen der Religion entspricht?225 Man vergleiche doch die Haltung eines jüdischen Rabbiners in allen Fragen von nur einiger Bedeutung für das Judentum als Rasse mit der Einstellung des weitaus größten Teils unserer Geistlichkeit, aber gefälligst beider Konfessionen!226

Wir haben diese Erscheinung immer dann, wenn es sich um die Vertretung einer abstrakten Idee an sich handelt.

»Staatsautorität«, »Demokratie«, »Pazifismus«, »Internationale Solidarität« usw. sind lauter Begriffe, die bei uns fast immer zu so starren, rein doktrinären Vorstellungen werden, daß jede Beurteilung allgemeiner nationaler Lebensnotwendigkeiten ausschließlich nur mehr von ihrem Gesichtspunkte# 1944: Gesichtspunkte ersetzt durch: Gesichtspunkt aus erfolgt.

Diese unselige Art der Betrachtung aller Belange unter dem Gesichtswinkel einer nur# 1926: gestrichen: nur einmal vorgefaßten Meinung tötet jedes Vermögen, sich in eine Sache subjektiv hineinzudenken, die objektiv der eigenen Doktrin widerspricht, und führt am Ende zu einer vollständigen Umkehrung von Mittel und Zweck. Man wird dann# 1926: dann ersetzt durch: sich gegen jeden Versuch einer nationalen Erhebung sich# 1926: gestrichen: sich wenden, wenn diese nur unter vorhergehender Beseitigung eines schlechten, verderblichen Regiments stattfinden könnte, da dies ja ein Verstoß gegen