Altes und neues Schwarz-Rot-Gold <span class="pagenumber">[137]</span>

71 Die Geschichte der Trikolore Schwarz-Rot-Gold beginnt nicht erst in der Revolution von 1848/49. Ihr Ursprung wird meist auf die Uniform des legendären Lützowschen Freikorps zurückgeführt, das in den Befreiungskriegen gegen Frankreich kämpfte. Zu einem Symbol sowohl deutscher Einheit als auch staatsbürgerlicher Freiheitsrechte wurde Schwarz-Rot-Gold erst durch das Wartburgfest vom 18. 10. 1817, bei dem rund 500 national gesinnte Studenten und Professoren gegen die reaktionäre Politik und »Kleinstaaterei« der deutschen Fürsten protestierten. Auch die Allgemeine Deutsche Burschenschaft wählte bei ihrer Gründung (1818) Schwarz-Rot-Gold zu ihrem Symbol. Während der Reaktionszeit nach den Karlsbader Beschlüssen (1819) unter Generalverdacht gestellt, wurde die schwarzrotgoldene Fahne von den Trägern der Revolution von 1848/49 wieder aufgegriffen. Das Paulskirchenparlament erhob Schwarz-Rot-Gold dann förmlich zu den deutschen Nationalfarben. Nach dem Scheitern der Revolution wurde dieser Beschluss widerrufen; doch blieben die Farben Symbol der national und demokratisch gesinnten Zeitgenossen.

Vgl. Guben, Schwarz, S. 25 – 27, 44 – 70, 141 – 218; Hattenhauer, Symbole, S. 28 – 41.

72 Schwarz-Rot-Gold war in Österreich-Ungarn weniger ein Erkennungsmerkmal des bürgerlichen als vielmehr des deutschnationalen sowie des rechtsradikalen Lagers. So wählte die antisemitische Alldeutsche Partei um Georg von Schönerer neben Schwarz-Weiß-Rot auch Schwarz-Rot-Gold zu ihren Farben. Diese Tradition blieb auch nach dem Ersten Weltkrieg lebendig, wie das Beispiel des völkisch orientierten Deutschen Schulvereins Südmark zeigt, der seit 1925 nicht die österreichischen Nationalfarben sondern Schwarz-Rot-Gold als Vereinsfarben führte. Auch die österreichischen Nationalsozialisten knüpften zunächst daran an – etwa auf einer auch von Hitler besuchten zwischenstaatlichen Tagung nationalsozialistischer Parteien in Salzburg am 7. 8. 1920, auf der die Saalordner schwarzrotgoldene Armbinden trugen.

Vgl. Jäckel/ Kuhn (Hrsg.), Hitler, Dok. 129; Carsten, Faschismus, S. 9 f.; Weißmann, Fahnen, S. 139 f.; Bruckmüller, Nation, S. 298 – 300; Hattenhauer, Symbole, S. 53 f.; Kap. I/1, Anm. 52.

74 Auch mit dieser Behauptung erweist sich Hitler als Epigone der völkisch-antisemitischen Agitation. Schon Theodor Fritsch warf »den« Juden in seinem Handbuch der Judenfrage vor, von »altersher […] an dem Umsturz aller bestehenden Staatsverfassungen gearbeitet« zu haben, und behauptete: »Die Revolution von 1848 verdankt ihre Entstehung der Mithilfe jüdischen Goldes und jüdischer Aufreizung in erster Linie.« Der Topos von 1848 als einer »jüdischen« Revolution stützte sich vor allem auf das Argument, dass viele ihrer liberalen Wortführer für eine rechtliche Emanzipation der Juden plädierten, sodass sich auch deshalb zahlreiche liberale Juden enthusiastisch für die Revolution engagierten. Dies spiegelt sich auch darin wider, dass der Anteil jüdischer Gefallener während der Märzrevolution mit 4 – 5 % merklich über dem damaligen jüdischen Bevölkerungsanteil von rund 2 % lag. Diese Tatsache blieb jedoch in der völkischen Polemik geflissentlich ausgespart, ebenso wie der Sachverhalt, dass nach dem Ende der Revolution vielerorts die rechtliche Emanzipation der Juden rasch wieder rückgängig gemacht wurde. Überdies war es in der Frühphase der Revolution zu mehreren gewaltsamen antijüdischen Unruhen gekommen, etwa im Elsass, in Oberschlesien und in Posen.

Vgl. Fritsch (Hrsg.), Schuldbuch, Zitat S. 328; Volkov, Juden, S. 35 – 42; Kap. I/11, Anm. 234.

Das Reich war ohne Zutun des deutschen Bürgertums gezimmert und die Flagge selbst aus dem Schoße des Krieges geboren worden. Somit war sie aber wirklich nur eine Staatsflagge und besaß keinerlei Bedeutung im Sinne einer besonderen weltanschaulichen Mission.

Nur an einer Stelle des deutschen Sprachgebietes war so etwas wie eine bürgerliche Parteifahne vorhanden, in Deutschösterreich. Indem ein Teil des dortigen nationalen Bürgertums die Farben der achtundvierziger Jahre, Schwarz-Rot-Gold71, zu seiner Parteifahne erkoren hatte, schuf es ein Symbol, das, wenn auch weltanschaulich ohne jede Bedeutung, staatspolitisch dennoch revolutionären Charakter trug. Die schärfsten Feinde dieser Fahne Schwarz-Rot-Gold waren damals – dies soll man heute nie vergessen – Sozialdemokraten und Christlichsoziale#1937: Christlichsoziale ersetzt durch: Christlich-Soziale;
1939: Christlichsoziale;
1944: Christlich-Soziale bzw. Klerikale.72 Gerade sie haben damals diese Farben beschimpft und besudelt und beschmutzt, genau so wie sie später, 1918, Schwarz-Weiß-Rot73 in die Gosse zogen. Allerdings war das Schwarz-Rot-Gold der deutschen Parteien des alten Österreichs die Farbe des Jahres 48, also einer Zeit, die phantastisch gewesen sein mochte, allein im einzelnen die ehrlichsten deutschen Seelen als Vertreter besaß, wenn auch unsichtbar im Hintergrund#1937: Hintergrund ersetzt durch: Hintergrunde der Jude als Drahtzieher stand.74 Mithin haben erst der Vaterlandsverrat und die schamlose Verschacherung von deutschem Volk#1930: Volk ersetzt durch: Volke und deutschem Gut diese Fahnen#1944: Gut diese Fahnen ersetzt durch: Gute die Fahne dem Marxismus und dem Zentrum so sympathisch gemacht, daß sie sie heute als höchstes Heiligtum verehren und eigene Banner75 zum Schutze der von ihnen einst bespienen [sic!] Flagge gründen.

So stand bis zum Jahre 1920 tatsächlich dem Marxismus keine Fahne gegenüber, die weltanschaulich den polaren Gegensatz zu ihm verkörpert hätte. Denn wenn sich auch das deutsche Bürgertum in seinen besseren Parteien nach dem Jahre 1918 nicht mehr dazu bequemen wollte, die jetzt auf einmal entdeckte schwarz-rot-goldene#1937: schwarz-rot-goldene ersetzt durch: schwarzrotgoldene;
1939: schwarz-rot-goldene;
1944: schwarzrotgoldene Reichsflagge76 als sein eigenes Symbol zu übernehmen77, so hatte man selbst doch der neuen Entwicklung kein eigenes Programm für die Zukunft entgegenzusetzen, im besten Fall den Gedanken einer Rekonstruktion des vergangenen Reiches.