Die Kulturentwicklung <span class="pagenumber">[308]</span>

49 Hitlers Wunschvorstellung von einer »naturgegebenen« kriegerischen Überlegenheit der »arischen Rasse« sollte für die deutsche Kriegführung der Jahre 1939 – 1945 nicht ohne Folgen bleiben. Obwohl als militärische Grundregel bei Angriffsunternehmen galt, dass Angreifer eine dreifache Überlegenheit haben müssten, war dies bei keiner Offensive der Wehrmacht der Fall. Bestand 1939 beim Überfall auf Polen noch eine quantitative und qualitative deutsche Überlegenheit, so waren im Westfeldzug 1940 die Kontrahenten bestenfalls ebenbürtig. Dagegen musste Hitler und seinen militärischen Beratern noch vor Beginn des »Unternehmens Barbarossa« am 22. 6. 1941 klar sein, dass die sowjetischen Verteidiger zahlenmäßig deutlich überlegen sein würden. Nichts kann die Irrealität der deutschen Planungen so sehr illustrieren wie die Stärke der deutschen Kräfte, die anfangs für die militärische Sicherung der besetzten sowjetischen Gebiete vorgesehen waren. Neben schwachen SS- und Polizei-Kräften sollten in dieser Phase lediglich zwölf schwache Sicherungsdivisionen ein Areal von mehreren Hunderttausend Quadratkilometern sichern und beherrschen – eines von vielen Beispielen für die extreme Risikobereitschaft eines Obersten Kriegsherrn, für den die Ideologie mehr zählte als Erfahrung und Sachverstand. Am 27. 7. 1941 erläuterte Hitler vor Vertrauten seine Vorstellungen über die Zukunft der Sowjetunion unter deutscher Herrschaft: »Es muß uns möglich sein, diesen Ostraum mit 250 000 Mann und dazu einigen guten Männern der Verwaltung zu beherrschen. Schauen wir uns nur die Engländer an, die mit 250 000 Menschen insgesamt – Wehrmacht davon etwa 50 000 Mann – 400 Millionen Inder regieren. Immer soll dieser Raum auf deutsche Herrscher angewiesen sein. Nichts wäre verkehrter, als die Masse etwa erziehen zu wollen. Ein Interesse haben wir lediglich daran, daß die Leute, sagen wir die Verkehrszeichen unterscheiden lernen; sie sind jetzt Analphabeten und sie sollen es bleiben. Wohl aber müssen sie gut leben können; das ist unser eigenes Interesse.«

Vgl. Hitler, Monologe, Zitat S. 48; Rohde, Blitzkrieg, S. 111; Salewski, Deutschland, S. 126; Hartmann, Wehrmacht, S. 61 – 69; Hartmann, Barbarossa, S. 22 – 37; Frieser, Blitzkrieg-Legende, S. 41 – 65; Kap. II/2, Anm. 71.

50 Eine weitere Passage, die stark an Gobineau erinnert. Dieser hatte geschrieben, »daß ein Volk niemals sterben würde, wenn es ewig aus denselben nationalen Bestandteilen zusammengesetzt bliebe« und die »Unversehrtheit des Blutes« bewahren würde. Übernommen haben dürfte Hitler diesen Gedanken indes von Hans F. K. Günther, der 1920 behauptete, die »nordische Rasse« habe sich »seit Urzeiten in die Welt hinein verloren« und sei »im Rassentum anderer Bevölkerungen seit Urzeiten immer wieder untergegangen […]. Seit Urzeiten haben sich Ströme nordischen Blutes nach Süden und Osten ergossen. […] Wir wissen heute, daß es Menschen nordischer Rasse waren, die in der ionischen und dorischen Wanderung in die Gebiete eingefallen sind, die dann Griechenland genannt wurden. Seht die Helden an, wie Homer sie beschreibt, und seht die Götter an, die sie sich nach dem Bilde ihrer Körperlichkeit geschaffen haben: sie sind aus nordischem Blut, hochgewachsen, langschädlig, blond und helläugig! […] So sind diese Helden hereingebrochen über die eingesessenen Völker der Halbinsel, erschlagend und ausrottend, was ihnen entgegentrat, und versklavend, was unter ihrer Herrschaft neben ihnen bleiben wollte – der Held darf wüst legen, was er findet.« Auch die Schaffung des Römischen Reichs, die Eroberungszüge der Kelten und der Germanen sowie das deutsche Kaisertum des Mittelalters, so Günther, seien »Rassetat[en] nordischer Menschen« gewesen. Allerdings sei das »nordische Blut« immer wieder durch »Rassenmischung« oder durch Verluste in den Kämpfen versiegt.

Vgl. Gobineau, Versuch, Bd. 1, Zitate S. 42; Günther, Ritter (1920), S. 139 – 142, Zitat S. 139 f.; Günther, Rassenkunde (1923), S. 276 – 366.

eines# 1930: Verluste eines ersetzt durch: Ausbleiben weiteren äußeren Einflusses immer wieder zu erstarren, dann kann man solch eine Rasse wohl als eine »kulturtragende«, aber niemals als eine »kulturschöpferische« bezeichnen.48

Eine Prüfung der einzelnen Völker von diesem Gesichtspunkte aus ergibt die Tatsache, daß es sich in fast allen Fällen# 1930: in fast allen Fällen ersetzt durch: fast durchwegs;
1937: fast durchweg;
1939: fast durchwegs;
1944: fast durchweg nicht um ursprünglich kulturbegründende, als vielmehr# 1930: als vielmehr ersetzt durch: sondern fast immer um kulturtragende handelt.

Immer ergibt sich etwa folgendes Bild ihrer Entwicklung:

Arische Stämme unterwerfen (häufig in wahrhaft lächerlich geringer Volkszahl) fremde Völker und entwickeln nun, angeregt durch die besonderen Lebensverhältnisse des neuen Gebietes (Fruchtbarkeit, klimatische Zustände usw.), sowie begünstigt durch die Menge der nun# 1926: gestrichen: nun zur Verfügung stehenden Hilfskräfte an Menschen niederer Art, ihre in ihnen schlummernden geistigen und organisatorischen Fähigkeiten.49 Sie erschaffen in oft wenigen Jahrtausenden, ja Jahrhunderten, Kulturen, die ursprünglich vollständig die inneren Züge ihres Wesens tragen, angepaßt den oben schon angedeuteten besonderen Eigenschaften des Bodens sowie der unterworfenen Menschen. Endlich aber gehen# 1930: gehen ersetzt durch: vergehen sich die Eroberer von der# 1930: von der ersetzt durch: gegen das im Anfang eingehaltenen Reinheit ihres Blutes ab# 1930: eingehaltenen Reinheit ihres Blutes ab ersetzt durch: eingehaltene Prinzip der Reinhaltung ihres Blutes , beginnen sich mit den unterjochten Einwohnern zu vermischen und beenden damit ihr eigenes Dasein; denn dem Sündenfalle# 1930: Sündenfalle ersetzt durch: Sündenfall im Paradiese folgte noch immer die Vertreibung aus demselben.50

Oft nach# 1930: Oft nach ersetzt durch: Nach tausend Jahren und mehr zeigt sich dann# 1930: eingefügt: oft die letzte sichtbare Spur des einstigen Herrenvolkes51 im helleren Hautton, den sein Blut der unterjochten Rasse als Farbe# 1930: gestrichen: als Farbe hinterließ, und in einer erstarrten Kultur, die es als ursprüngliche Schöpferin einst begründet hatte. Denn so wie der tatsächliche und geistige Eroberer im Blut der Unterworfenen verlorenging, verlor sich auch der Brennstoff für die Fackel des menschlichen Kulturfortschrittes! Wie die Farbe durch das Blut der ehemaligen Herren einen leisen Schimmer als Erinnerung an diese beibehielt, so ist auch die Nacht des kulturellen Lebens milde aufgehellt durch die gebliebenen Schöpfungen der einstigen Lichtbringer. Die leuchten nun# 1926: gestrichen: nun durch all die wiedergekommene Barbarei hindurch und erwecken bei dem gedankenlosen Be-