Die geistige Vorbereitung des politischen Bolschewismus <span class="pagenumber">[277]</span>

172 Hitler dürfte hier auf vereinzelte Parodien klassischer Theaterstücke anspielen, die im Kaiserreich aufgeführt wurden. Einen Publikumserfolg feierte 1901 etwa das Berliner Ensemble »Schall und Rauch« um Max Reinhardt mit einer Parodie auf Friedrich Schillers Drama Don Carlos (1787). Gleichwohl zeichnet Hitler ein völlig verzerrtes Bild der Klassiker-Rezeption im Kaiserreich. Insbesondere Johann Wolfgang von Goethe wurde nach 1871 zum Gegenstand einer geradezu kultischen Verehrung, ganz besonders sein Drama Faust. 1876 bezeichnete der Dichter und Theaterintendant Franz von Dingelstedt Goethes Faust in der Deutschen Rundschau gar als »die zweite Bibel unserer Nation«. Die Rezeption Friedrich Schillers, der von den Trägern der Revolution von 1848/49 noch als der Nationalautor schlechthin gefeiert worden war, war im Kaiserreich hingegen weniger euphorisch. Dazu trug auch ein häufig zitiertes Verdikt Friedrich Nietzsches bei, der Schiller in seinem Spätwerk Götzen-Dämmerung (1889) als »Moral-Trompeter von Säckingen« verhöhnte.

Vgl. Mandelkow, Goethe, Bd. 1, bes.S. 201 – 266; Sprengel, Literatur, S. 130 – 146; Borchmeyer, Goethe, S. 196 – 200, Zitat S. 197; Wende, Wirkungsgeschichte, bes.S. 21 f.; Hofmann, Schiller, S. 183 – 187, Zitat S. 186; Merlio, Schiller-Rezeption.

174 Gemeint ist das annähernd mit dem Leben und Wirken des athenischen Staatsmannes Perikles (um 490 – 429 v. Chr.) zusammenfallende halbe Jahrhundert zwischen 479 und 431 v. Chr., in dem die attische Kultur eine Blütezeit erlebte. Die Wiederentdeckung der griechischen Baukunst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, insbesondere der Ruinen der Akropolis in Athen, rückten auch Perikles in den Mittelpunkt des Interesses. Aus den Perikles-Darstellungen der griechischen Historiker Plutarch und Thukydides entwickelte sich damals die Vorstellung eines Perikleischen Zeitalters, das die Antike so jedoch nicht kannte. Dieses Bild blieb bis ins frühe 20. Jahrhundert in seinen Grundzügen unverändert. Im Dritten Reich erfuhr Perikles eine regelrecht kultische Verehrung als historische »Führerpersönlichkeit«.

Vgl. Will, Perikles, S. 7 – 11; Will, Thukydides, S. 247 – 250; Kap. I/3, Anm. 97; Anm. 191 in diesem Kapitel.

Zeug# 1930: hinzugefügtes oder unpassendes Zeug ersetzt durch: Gefügtes oder Unpassendes zu entfernen und an der dann wieder freigelegten gesunden Stelle weiter- und anzubauen.

So allein wird man dann# 1926: gestrichen: dann von einem Fortschritt der Menschheit sprechen können und dürfen. Im anderen Falle wird# 1930: wird ersetzt durch: würde die Welt vom Chaos nie erlöst, da ja das Recht zur Ablehnung der Vergangenheit jeder Generation zukäme und mithin jede als Voraussetzung der eigenen Arbeit die Werke der Vergangenheit zerstören dürfte.

Das Traurige an der Zersetzung unserer allgemeinen Kultur der Vorkriegszeit lag nun# 1926: gestrichen: nun aber gerade nicht nur in der vollkommenen# 1930: Das Traurige an der Zersetzung unserer allgemeinen Kultur der Vorkriegszeit lag aber gerade nicht nur in der vollkommenen ersetzt durch: So war das Traurigste am Zustand unserer Gesamtkultur der Vorkriegszeit nicht nur die vollkommene Impotenz der künstlerischen und allgemein kulturellen Schöpferkraft als vielmehr in dem# 1926: Schöpferkraft als vielmehr in dem ersetzt durch: Schöpferkraft, sondern in dem;
1930: Schöpferkraft, sondern der Haß, mit dem die Erinnerung der größeren Vergangenheit besudelt und ausgelöscht wurde. Fast auf allen Gebieten der Kunst und# 1930: gestrichen: und besonders des Theaters und der# 1930: des Theaters und der ersetzt durch: in Theater und Literatur begann man um die Jahrhundertwende weniger bedeutendes Neues zu produzieren, um dafür aber das# 1926: um dafür aber das ersetzt durch: als vielmehr das beste Alte herunterzusetzen und als minderwertig und überwunden hinzustellen172; als ob diese Zeit der beschämendsten Minderwertigkeit überhaupt etwas zu »überwinden«# 1926: »überwinden« ersetzt durch: überwinden vermöchte. Aus diesem Streben aber, die Vergangenheit dem Auge der Gegenwart zu entziehen, ging die böse Absicht dieser »Apostel«# 1926: »Apostel« ersetzt durch: Apostel der Zukunft klar und deutlich hervor. Daran hätte man erkennen sollen, daß es sich hier nicht um bestimmte# 1930: bestimmte ersetzt durch: neue;
1939: eine neue;
1944: neue , wenn auch falsche kulturelle Ansichten# 1930: Ansichten ersetzt durch: Auffassungen;
1939: Auffassung;
1944: Auffassungen handelte, sondern um einen Prozeß der Zerstörung der Grundlagen der Kultur überhaupt, um eine dadurch möglich werdende Vernarrung des gesunden Kunstempfindens – und um die geistige Vorbereitung des politischen Bolschewismus.173 Denn wenn das Perikleische Zeitalter174 durch den Parthenon175 verkörpert erscheint, dann die bolschewistische Gegenwart durch eine kubistische Fratze.176

In diesem Zusammenhange muß auch auf die hierbei wieder sichtbare Feigheit bei dem Teil unseres Volkes hingewiesen werden, der auf Grund seiner Bildung und seiner Stellung verpflichtet gewesen wäre, gegen diese Kulturschande Front zu machen. Aus lauter Furcht vor dem Geschrei dieser# 1930: dieser ersetzt durch: der bolschewistischen Kunstapostel, die jeden, der nicht in ihnen die Krone der Schöpfung erkennen wollte, auf das heftigste angriffen und als rückständigen Spießer fest-