Von den Deutschen jeder Dritte ein Verräter <span class="pagenumber">[243]</span>

21 Anspielung auf die Schlacht von Cannae (216 v. Chr.) im Zweiten Punischen Krieg. Obgleich diese mit einer verheerenden Niederlage der Römer gegen das karthagische Heer unter Hannibal endete, lobte der römische Senat den verantwortlichen Feldherrn, Konsul Gaius Terentius Varro; er sei trotz seiner Niederlage nicht an der Republik verzweifelt. Mit seiner holprigen Analogie unterstellt Hitler zu Unrecht, Staat und Gesellschaft hätten sich 1918/19 undankbar und teilnahmslos gegenüber den heimkehrenden deutschen Truppen verhalten. Um diese Behauptung zu widerlegen, genügt ein Blick auf Berlin, wo die Soldaten ab dem 10. 12. 1918 feierlich Einzug hielten und mit einer Vielzahl von Ansprachen geehrt wurden. Große Bekanntheit erlangte eine Rede des SPD-Vorsitzenden und späteren Reichspräsidenten Friedrich Ebert, der – auch bewegt von der Erinnerung an seine beiden im Krieg gefallenen Söhne – die Truppen mit den emphatischen Worten begrüßte: »Seid willkommen von ganzem Herzen, Kameraden, Genossen, Bürger. Eure Opfer und Taten sind ohne Beispiel. Kein Feind hat Euch überwunden. Erst als die Übermacht der Gegner an Menschen und Material immer drückender wurde, haben wir den Kampf aufgegeben. Und gerade Eurem Heldenmute gegenüber war es Pflicht, nicht noch zwecklose Opfer von euch zu fordern. […] Nie haben Menschen Größeres geleistet und gelitten als Ihr. Im Namen des deutschen Volkes tiefinnigen Dank […].« Hitler selbst erlebte das Kriegsende freilich nicht in Berlin, sondern in der Provinz – in einem preußischen Reservelazarett in Pasewalk bei Stettin, aus dem er erst am 19. 11. 1918 entlassen wurde.

Vgl. Wende (Hrsg.), Reden, Zitat S. 94 f.; Sammet, Deutschland, S. 67 – 71; Mühlhausen, Ebert, S. 83 – 85, 135 – 138; Gerlinger, Schlachtenrhetorik, S. 215 f.; Keller, Wehrmacht, S. 67; Kap. I/7, Anm. 79.

23 Gemeint ist der britische Offizier Charles à Court Repington (1858 – 1925), dem nach Ende seiner militärischen Laufbahn seit 1902 eine zweite Karriere als Militärkorrespondent vor allem für The Morning Post und The Times gelang. Schon vor 1914 war Repington für seine scharf antideutsche Haltung bekannt. Während des Ersten Weltkriegs steigerte sich diese zu offenem Hass gegen den deutschen Kriegsgegner. Eine Lösung des militärischen Konflikts über den Verhandlungsweg lehnte Repington kategorisch ab: Am 2. 12. 1917 schrieb er etwa in den National News, das Deutsche Reich sei »a wild beast, and […] we do not treat with wild beasts till they are tamed«. Es ist daher durchaus denkbar, dass das von Hitler angeführte Zitat in dieser oder ähnlich undifferenzierter Form gefallen sein könnte; wörtlich belegen lässt es sich jedoch nicht. Im Denken der deutschen Rechten führte das Zitat gleichwohl ein Eigenleben, das sich bis in die frühe Bundesrepublik weiterverfolgen lässt. Hans Grimm, Autor des Romans Volk ohne Raum (1926) und prominenter Apologet des Nationalsozialismus nach 1945, blickte 1955 in einem Vortrag auf die Jahre nach 1918 als eine Zeit zurück, »in der der englische Oberst Repington […] kopfschüttelnd schon 1919 meinte fragen zu können: ›Ist denn jeder dritte Deutsche zum Verräter geworden?‹«

Vgl. Grimm, Wirklichkeit, Zitat S. 162; Ryan, Repington, bes.S. 108 – 126, 194 f., Zitat S. 195; Schramm, Deutschlandbild, bes.S. 100 – 103, 323 – 325.

gebissenen Zähnen ertragen oder von Schmerz überwältigt beklagt; dann würden Wut und Zorn die Herzen erfüllt haben gegen den durch die Tücke des Zufalls oder auch des Schicksals Willen zum Sieger gewordenen Feind; dann wäre die Nation ähnlich dem römischen Senat den geschlagenen Divisionen entgegen getreten# 1937: entgegen getreten ersetzt durch: entgegengetreten mit dem Danke des Vaterlandes für die bisherigen Opfer und der Bitte, am Reiche nicht zu verzweifeln.21 Selbst die Kapitulation aber wäre nur mit dem Verstande unterzeichnet worden, während das Herz schon der kommenden Erhebung geschlagen hätte.

So würde eine Niederlage aufgenommen worden sein, die nur dem Verhängnis allein zu danken gewesen wäre. Dann hätte man nicht gelacht und getanzt, hätte sich nicht der Feigheit gerühmt und die Niederlage verherrlicht, hätte nicht die kämpfende Truppe verhöhnt und ihr# 1933: ihr ersetzt durch: ihre [sic!] Fahne und Kokarde in den Schmutz gezerrt22, vor allem aber: dann wäre es nie zu jener entsetzlichen Erscheinung gekommen, die einen englischen Offizier, Oberst Repington, zu der verächtlichen Äußerung veranlaßte: »Von den Deutschen ist jeder dritte Mann ein Verräter«23.  Nein, diese Pest hätte dann niemals zu jener erstickenden Flut anzusteigen vermocht, die seit nun# 1926: seit nun ersetzt durch: nun seit fünf Jahren aber auch den letzten Rest von Achtung auf seiten der übrigen Welt für uns ertränkte.

Daran# 1944: Daran ersetzt durch: Darin sieht man die Lüge der Behauptung, daß der verlorene Krieg die Ursache des deutschen Zusammenbruches# 1944: Zusammenbruches ersetzt durch: Zusammenbruchs wäre, am allerbesten. Nein, dieser militärische Zusammenbruch war selber nur die Folge einer ganzen Reihe von Krankheitserscheinungen und ihrer Erreger, die schon in der Zeit des Friedens die deutsche Nation heimgesucht hatten. Es war dies die erste allen sichtbare katastrophale Folge einer sittlichen und moralischen Vergiftung, einer Minderung des Selbsterhaltungstriebes und der Voraussetzungen hierzu, die schon seit vielen Jahren die Fundamente des Volkes und Reiches zu unterhöhlen begonnen hatten.

Es gehörte aber die ganze bodenlose Verlogenheit des Judentums und seiner marxistischen Kampforganisation# 1939: Kampforganisation ersetzt durch: Kampforganisationen;
1944: Kampforganisation 24 dazu, die Schuld am Zusammenbruche# 1937: Zusammenbruche ersetzt durch: Zusammenbruch;
1939: Zusammenbruche;
1944: Zusammenbruch gerade dem Manne aufzubürden, der als einziger mit übermenschlicher Willens- und Tatkraft versuchte, die von ihm vorausgesehene Katastrophe zu verhüten und der Nation die Zeit der