Der Mangel an Verantwortung <span class="pagenumber">[81]</span>

85 Auch in diesem Hass sollte sich Hitler treu bleiben. Zwei Tage nach dem »Anschluss« Österreichs an das Deutsche Reich, am 14. 3. 1938, wurden Maximilian und Ernst Hohenberg, die beiden Söhne des 1914 ermordeten österreichischen Thronfolgers, Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich-Este, verhaftet und in der Nacht vom 25. auf den 26. 3.  mit dem ersten großen »Prominententransport« aus dem ehemaligen Österreich ins Konzentrationslager Dachau eingeliefert. Dort wurden die Brüder vor allem zur Reinigung der Latrinen eingesetzt, wie Rudolf Kalmar, später Präsident des Österreichischen Presseclubs Concordia, berichtete: »Wie Tiere waren sie an Seilen vor den Kloakenwagen gespannt. Ihr Sklaventreiber, ein Berufsverbrecher, schlug unbarmherzig auf sie ein und hetzte sie von Latrine zu Latrine, wo sie Exkremente in Kübel schaufeln und fortkarren mußten.« Während Maximilian aufgrund der Fürsprache seiner Frau bei Hermann Göring im September 1938 entlassen wurde, konnte Ernst erst am 11. 4. 1943 heimkehren. Gezeichnet von der Haft starben beide Brüder, die später nie über diese Zeit sprechen sollten, relativ früh mit 49 bzw. 59 Jahren.

Vgl. Meysels, Dynastie, S. 161 – 200, Zitat S. 179; Nemec, Erzherzogin, S. 264; Kap. I/1, Anm. 65, 66. 

86 Im Falle von Österreich-Ungarn und Deutschland wurden in der Zeit vor 1914 die »verheerendsten« Beschlüsse – etwa im unmittelbaren Vorfeld des Ersten Weltkriegs – nicht von Parlamenten gefasst, sondern von den Monarchen. In einer mehr oder weniger engen Absprache mit einem kleinen Kreis von Beratern trafen sie auf dem zentralen Feld der Außenpolitik ihre Entscheidungen am Ende immer noch relativ einsam. Dagegen blieb das Mitspracherecht der Parlamente in den zentralen Fragen von Außenpolitik und Krieg gering. Hinzu kam, dass der österreichische Reichsrat am 16. 3. 1914 vertagt worden war, sodass er vom Entscheidungsprozess in der Julikrise 1914 völlig ausgeschlossen blieb.

Vgl. Sked, Decline, S. 192; Rauchensteiner, Weltkrieg, S. 123 – 125; Clark, Schlafwandler; Anm. 62 in diesem Kapitel.

getan; denn dann blieb immer noch die Frage offen: was# 1944: was ersetzt durch: Was nun? Die Ablehnung und Beseitigung des Reichsrates würde als einzige Regierungsgewalt ja nur das Haus Habsburg übriggelassen haben, ein besonders für mich ganz# 1944: ganz ersetzt durch: gänzlich unerträglicher Gedanke.85

Die Schwierigkeit dieses besonderen Falles führte mich zu einer gründlicheren Betrachtung des Problems an sich, als dies sonst wohl in so jungen Jahren eingetreten wäre.

Was mir zuallererst# 1933: zuallererst ersetzt durch: zu allererst;
1937: zuallererst;
1939: zu allererst;
1944: zuallererst und am allermeisten# 1939: allermeisten ersetzt durch: meisten;
1944: allermeisten zu denken gab, war das ersichtliche Fehlen jeder Verantwortlichkeit irgendeiner# 1930: irgendeiner ersetzt durch: einer einzelnen Person.

Das Parlament faßt irgendeinen Beschluß, dessen Folgen noch so verheerend sein mögen86 – niemand trägt dafür eine Verantwortlichkeit# 1930: Verantwortlichkeit ersetzt durch: Verantwortung , niemand kann je zur Verantwortung# 1930: Verantwortung ersetzt durch: Rechenschaft gezogen werden. Denn heißt dies etwa Verantwortung übernehmen, wenn nach einem Zusammenbruch sondergleichen die schuldige Regierung zurücktritt? Oder die Koalition sich ändert, ja selbst# 1933: gestrichen: selbst das Parlament sich auflöst?

Kann denn überhaupt eine schwankende Mehrheit von Menschen jemals verantwortlich gemacht werden?

Ist denn nicht der Gedanke jeder Verantwortlichkeit an die Person gebunden?

Und kann man# 1926: Und kann man ersetzt durch: Kann man aber praktisch die leitende Person einer Regierung haftbar machen für Handlungen, deren Werden und Durchführung ausschließlich auf das Konto des Wollens und der Geneigtheit einer Vielheit von Menschen zu setzen sind?

Oder ist# 1930: Oder ist ersetzt durch: Oder: Wird nicht die Aufgabe des leitenden Staatsmannes nicht# 1930: Staatsmannes nicht ersetzt durch: Staatsmannes, statt in der Geburt des schöpferischen Gedankens oder Planes an sich zu sehen, als vielmehr nur in der Kunst# 1930: sich zu sehen, als vielmehr nur in der Kunst ersetzt durch: sich, vielmehr nur in der Kunst gesehen , die Genialität seiner Entwürfe einer Hammelherde von Hohlköpfen verständlich zu machen, um dann deren gütige Zustimmung zu erbetteln?

Ist dies das Kriterium des Staatsmannes, daß er die Kunst der Überredung in ebenso großem# 1930: großem ersetzt durch: hohem Maße besitze wie die der staatsmännischen Klugheit im Fassen großer Richtlinien oder Entscheidungen?87

Ist die Unfähigkeit eines Führers dadurch bewiesen, daß es ihm nicht gelingt, die Mehrheit eines durch mehr oder minder saubere