Propaganda und Organisation <span class="pagenumber">[233]</span>

19 Ihre Strategie einer Massenpartei musste die Führung der NSDAP nach ihrer »Machtergreifung« schon bald revidieren. Nachdem sich die Zahl der Parteigenossen innerhalb weniger Monate von 850.000 (Januar 1933) auf 2,7 Millionen (Frühjahr 1933) verdreifacht hatte, verhängte die NSDAP zum 1. 5. 1933 eine Mitgliedersperre, da es immer offensichtlicher wurde, dass der Massenansturm weniger auf Überzeugung und echter Begeisterung beruhte, als vielmehr auf Konformismus, Opportunismus und Verunsicherung. Allerdings hatte die NSDAP bereits im Frühjahr 1933 ihren Charakter weitgehend verändert; am 1. 1. 1935 besaß sie 2.493.890 Mitglieder, von denen 66 % erst nach dem 30. 1. 1933 zu ihr gestoßen waren. Der Wechsel zwischen Öffnung und Mitgliedersperre der NSDAP in der Zeit ihrer Herrschaft – 1937 wurde die Partei für Bewerber geöffnet, im Mai 1939 erneut geschlossen, für den Krieg dann eine allgemeine Aufnahmesperre erlassen, die freilich für einzelne Gruppen und Personen durchbrochen werden konnte – ist nicht allein Ausdruck der politischen Geschichte des Dritten Reichs; hier manifestieren sich auch die strukturellen Probleme eines totalitären Einparteienstaats. Anfang 1945 besaß die NSDAP letztlich knapp neun Millionen Mitglieder.

Vgl. Falter, »Märzgefallenen«; Nolzen, NSDAP, S. 99 – 131, bes.S. 101; Benz (Hrsg.), Parteigenosse; Anm. 24 in diesem Kapitel.

20 Hitlers Ausführungen zur Struktur einer modern organisierten Volkspartei waren 1926, zur Zeit der Niederschrift von Mein Kampf, nicht mehr als ein Entwurf. Die Organisations- und die Propaganda-Abteilung der NSDAP waren damals noch eher kümmerliche Einrichtungen. Ihre Entwicklung während der folgenden Jahre belegt indes, welch hohe Bedeutung Hitler deren Aufgaben zumaß. Dass gerade Gregor Straßer, laut Ian Kershaw »wahrscheinlich der fähigste Kopf unter den führenden Nationalsozialisten«, mit diesen Aufgaben betraut wurde, war kein Zufall. Seit dem 16. 9. 1926 war er Reichspropagandaleiter der NSDAP, ab dem 2. 1. 1928 ihr Reichsorganisationsleiter. In dieser Funktion gelang es Straßer bis 1930, den Rahmen für das aufzubauen, was Peter D. Stachura als »the most efficient and best equipped organizational structure in German politics« charakterisiert hat. Dabei konzentrierte sich Straßer nicht nur auf einenzügigen Ausbau seiner Abteilung; durch deren Teilung und den Aufbau einer Organisations-Abteilung II gelang es ihm, eine Art Staatsapparat im Kleinen zu schaffen, dessen Aufgabe die konzeptionelle Vorbereitung einer künftigen Regierungsarbeit war. Dafür wurden zahlreiche Unterabteilungen gebildet wie etwa für Finanzen, Wirtschaftspresse, Wirtschaftspolitik, Arbeitsbeschaffung usw. Ergänzt wurde die Organisations-Abteilung schließlich seit dem 21. 10. 1931 durch den »Reichsorganisations-Inspektor« Robert Ley, der die Entwicklung der Partei an der Basis kontrollieren und koordinieren sollte. Die Entwicklung ihrer Propaganda-Abteilung wurde für die NSDAP zu einer Erfolgsgeschichte, allerdings erst seit April 1930, als Joseph Goebbels deren Leitung übernahm. Während der Jahre 1926 – 1929, als Heinrich Himmler diese Abteilung faktisch leitete, blieb ihre Wirkung begrenzt. Erst Goebbels gelang es, erstmals eine professionelle und flächendeckende Propaganda zu entwickeln, die einen maßgeblichen Anteil an den Wahlerfolgen der NSDAP hatte. Dabei unterstand nicht das gesamte Propagandawesen der NSDAP; der Eher-Verlag führte nach wie vor ein Eigenleben und seit April 1930 existierte mit Fritz Reinhardt ein Reichspropagandaleiter II, der die Reichsrednerschule der NSDAP leitete.

Vgl. Hitler, Reden, Bd. II/1, Dok. 29; Bd. II/2, Dok. 211; Bd. III/3, Dok. 38 mit Anm. 5; Bd. IV/1, Dok. 22; Bd. IV/2, Dok. 51, 92; Bd. V/1, Dok. 86, 171; Goebbels, Tagebücher, Teil I, Bd. 2/I, Zitat S. 143 – 145; Tyrell (Hrsg.), Führer, Dok. 150 a, 150 b; Horn, Führerideologie, S. 380 – 384; Kissenkoetter, Straßer, S. 28 – 82; Stachura, Strasser (1983), S. 60 – 114, Zitat S. 71; Paul, Aufstand, S. 57 – 82; Kershaw, Hitler, Bd. 1, Zitat S. 348; Orlow, Party, S. 123 – 177; Longerich, Himmler, S. 97 – 108; Longerich, Goebbels, S. 127 – 161; Kap. II/4, Anm. 8.

sation den Sieg erficht durch den dauernden, organischen und kampfesfähigen#1930: kampfesfähigen ersetzt durch: kampffähigen Zusammenschluß derjenigen Anhänger, die fähig und gewillt erscheinen, den Kampf für den Sieg zu führen.18

Der Sieg einer Idee wird um so eher möglich sein, je umfassender die Propaganda die Menschen in ihrer Gesamtheit bearbeitet hat und je ausschließlicher, straffer und strammer#1930: strammer ersetzt durch: fester die Organisation ist, die den Kampf praktisch durchführt.

Daraus ergibt sich, daß die Zahl der Anhänger nicht groß genug sein kann, die Zahl der Mitglieder aber leichter zu groß als zu klein sein#1937: gestrichen: sein; 1939: wieder eingefügt: sein wird.19

Wenn die Propaganda ein ganzes Volk mit einer Idee erfüllt hat, kann die Organisation mit einer Handvoll Menschen die Konsequenzen ziehen. Propaganda und Organisation, also Anhänger und Mitglieder, stehen damit in einem bestimmten gegenseitigen Verhältnis.20 Je besser die Propaganda gearbeitet hat, um so kleiner kann die Organisation sein, und je größer die Zahl der Anhänger ist, um so bescheidener kann die Zahl der Mitglieder sein und umgekehrt: Je schlechter die Propaganda ist, um so größer muß und wird#1929: gestrichen: und wird die Organisation sein, und je kleiner die Anhängerschar einer Bewegung bleibt, um so umfangreicher muß deren Mitgliederzahl sein, wenn sie überhaupt noch auf einen Erfolg rechnen will.

Die erste Aufgabe der Propaganda ist die Gewinnung von Menschen für die spätere Organisation; die erste Aufgabe der Organisation ist die Gewinnung von Menschen zur Fortführung der Propa-