Propaganda und Organisation <span class="pagenumber">[232]</span>

16 Hitlers Vorstellung, die NS-Propaganda brauche nicht auf die individuellen Wesenszüge ihrer Anhänger Rücksicht zu nehmen, erinnert ebenfalls an Gustave Le Bons Psychologie der Massen. Dieser vertrat die Vorstellung, in einer »psychologischen Masse« werde die »bewußte Persönlichkeit« des Einzelmenschen von einer »Kollektivseele« verdrängt, in der gesetzmäßig die »Gefühle und Gedanken aller Einheiten […] nach derselben Richtung orientiert« seien. »An einer psychologischen Masse ist das Sonderbarste dies: welcher Art auch die sie zusammensetzenden Individuen sein mögen, wie ähnlich oder unähnlich ihre Lebensweise, Beschäftigung, ihr Charakter oder ihre Intelligenz ist, durch den bloßen Umstand ihrer Umformung zur Masse besitzen sie eine Art Kollektivseele, vermöge deren sie in ganz anderer Weise fühlen, denken und handeln würde. Es gibt Ideen und Gefühle, die nur bei den zu Massen verbundenen Individuen auftreten oder sich in Handlungen umsetzen.«

Vgl. Le Bon, Psychologie, Zitate S. 9, 12; Tyrell, Trommler, S. 54 – 56.

17 Eine in doppelter Hinsicht decouvrierende Passage: zum einen ein Hinweis auf Hitlers Verständnis von Propaganda, zum anderen ein Vorgeschmack auf jene Intoleranz und Unerbittlichkeit, mit der das spätere NS-Regime seine politischen und weltanschaulichen Gegner verfolgen sollte. Im zeitgenössischen Diskurs wurden solche Thesen freilich auch von Publizisten außerhalb des völkischen Lagers vertreten. So schrieb etwa Edgar Julius Jung, einer der prominentesten Wortführer der Konservativen Revolution, in seiner Schrift Die Herrschaft der Minderwertigen (1927): »Wir anerkennen aber auch Recht und Pflicht der Besten, die Minderwertigen zu führen und zu erziehen. Wir fordern von der Masse freiwillige Selbstunterwerfung unter den Willen des hochwertigen Führertums.«

Vgl. Jung, Herrschaft, Zitat S. 156.

nung einer Idee bedingt, während die Mitgliedschaft die aktive Vertretung und Verteidigung fordert, werden auf zehn Anhänger immer höchstens ein bis zwei Mitglieder treffen.

Die Anhängerschaft wurzelt nur in der Erkenntnis, die Mitgliedschaft in dem Mute, das Erkannte selbst zu vertreten und weiter zu verbreiten#1944: weiter zu verbreiten ersetzt durch: weiterzuverbreiten.

Die Erkenntnis in ihrer passiven Form entspricht der Majorität der Menschheit, die träge und feige ist14. Die Mitgliedschaft bedingt aktivistische Gesinnung und entspricht damit nur der Minorität der Menschen.

Die Propaganda wird demgemäß unermüdlich dafür zu sorgen haben, daß eine Idee Anhänger gewinnt, während die Organisation schärfstens darauf bedacht sein muß, aus der Anhängerschaft selbst nur das wertvollste#1930: wertvollste ersetzt durch: Wertvollste zum Mitglied zu machen.15 Die Propaganda braucht sich deshalb nicht den Kopf#1937: eingefügt: zu zerbrechen über die Bedeutung jedes einzelnen der von ihr Belehrten, über Fähigkeit, Können und Verständnis oder den Charakter derselben16, während die Organisation aus der Masse dieser Elemente sorgfältigst zu sammeln hat, was den Sieg der Bewegung wirklich ermöglicht.

Die Propaganda versucht eine Lehre dem ganzen Volke aufzuzwingen17, die Organisation erfaßt in ihrem Rahmen nur diejenigen, die#1930: eingefügt: nicht aus psychologischen Gründen nicht selbst#1930: gestrichen: nicht selbst zum Hemmschuh einer weiteren#1930: einer weiteren ersetzt durch: für eine weitere Verbreitung der Idee zu werden drohen.

Die Propaganda bearbeitet die Gesamtheit im Sinne einer Idee und macht sie reif für die Zeit des Sieges dieser Idee, während die Organi-