meistens nur von Menschen gelesen werden, die selbst dieser Richtung schon zuzurechnen sind. Höchstens ein Flugblatt oder ein Plakat können durch ihre Kürze damit rechnen, auch bei einem Andersdenkenden einen Augenblick lang Beachtung zu finden. Größere Aussicht besitzt schon das Bild in allen seinen Formen, bis hinauf zum Film.54 Hier braucht der Mensch noch weniger verstandesmäßig zu arbeiten; es genügt, zu schauen, höchstens noch ganz kurze Texte zu lesen, und so werden viele eher bereit sein, eine bildliche Darstellung aufzunehmen als ein längeres Schriftstück zu lesen#1929: lesen ersetzt durch: entziffern;
1930: lesen
. Das Bild bringt in viel kürzerer Zeit, fast möchte ich sagen, auf einen Schlag, dem Menschen eine Aufklärung, die er aus Geschriebenem erst durch langwieriges Lesen empfängt.55

Das Wesentlichste aber ist, daß ein Schriftstück nie weiß, in welche Hände es kommt und doch seine bestimmte Fassung beibehalten muß. Die Wirkung wird im allgemeinen um so größer sein, je mehr diese Fassung dem geistigen Niveau und der Wesensart gerade derjenigen entspricht, die seine Leser sein werden. Ein Buch, das für breite Massen bestimmt ist, muß darum von vornherein#1930: vornherein ersetzt durch: vorneherein;
1937: vornherein
versuchen, in Stil und Höhe anders zu wirken als ein für höhere intellektuelle Schichten bestimmtes Werk.56

Nur in dieser Art der Anpassungsfähigkeit nähert das Geschriebene sich dem gesprochenen Wort. Der Redner kann meinetwegen das gleiche Thema behandeln, wie das im#1929: gestrichen: im Buch, so#1929: so ersetzt durch: er wird er#1929: gestrichen: er doch, wenn er ein großer und genialer Volksredner ist, denselben Vorwurf und denselben Stoff kaum zweimal in gleicher Form wiederholen. Er wird sich von der breiten Masse immer so tragen lassen, daß ihm daraus gefühlsmäßig gerade die Worte flüssig werden, die er braucht, um seinen jeweiligen Zuhörern zu Herzen zu sprechen. Irrt er sich aber noch so leise [sic!], so hat er die lebendige Korrektur stets vor sich. Wie schon oben gesagt, vermag er dem Mienenspiel seiner Zuhörer abzulesen, ob sie erstens verstehen, was er spricht, ob sie zweitens dem Gesamten zu folgen vermögen und inwieweit er sie drittens von der Richtigkeit des Vorgebrachten überzeugt hat.57 Sieht er – erstens –, daß sie ihn nicht verstehen, so wird er in seiner Erklärung so primitiv und deutlich werden, daß selbst der