Wertung der Arbeit <span class="pagenumber">[72]</span>

178 Das Prinzip der Rechtsgleichheit wurde in der politischen Philosophie der Aufklärung mit dem Naturrecht begründet. Aus dem Grundsatz, dass durch Geburt und Standeszugehörigkeit keine rechtlichen Privilegien für einzelne Individuen oder Gesellschaftsgruppen abgeleitet werden dürften, ergab sich zwingend das Postulat, allen Menschen dieselbe Rechtsfähigkeit zuzusprechen. Demgegenüber stellte die Idee der menschlichen Ungleichheit (und damit Ungleichwertigkeit) eine verbindende Ordnungsvorstellung im Denken der politischen Rechten dar. Entsprechend scharf reagierte die völkische Rechte, als der kurze Zeit später zum Reichspräsidenten gewählte Friedrich Ebert am 6. 2. 1919 in einer Begrüßungsansprache vor der Verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung von der »Gleichheit all dessen, was Menschenantlitz trägt« sprach. In der »Bamberger Erklärung« des Alldeutschen Verbands vom 16. 2. 1919 wurde der Ausspruch Eberts als »eine durch die Wirklichkeit täglich widerlegte Lehrmeinung« deklariert, »deren tatsächliche Ausführung ein Verbrechen gegen unser Volk bedeuten würde«. Der Verbandsvorsitzende Heinrich Claß hatte bereits in seinem Pamphlet Wenn ich der Kaiser wärʼ (1912) die »Gleichheitsidee« als die »Todsünde des Liberalismus« am deutschen Volk bezeichnet. Insbesondere attackierte er das Ideal des – zum damaligen Zeitpunkt politisch noch nicht verwirklichten – allgemeinen und gleichen Wahlrechts, dem er eine »unverhüllt zerstörend[e]« Wirkung »gegen den Staat« zuschrieb.

Vgl. Frymann, Kaiser, Zitate S. 43, 124 f.; Lohalm, Radikalismus, Zitate S. 18, 337; Breuer, Ordnungen, S. 11 – 19; Maihofer, Dialektik, bes.S. 20 – 25.

meine bürgerliche Einschätzung auch nicht nach der dem einzelnen gewissermaßen überwiesenen Arbeit sich#1929: gestrichen: sich richten. Denn diese Arbeit fällt auf das Konto seiner Geburt sowie auf die dadurch veranlaßte Ausbildung, die er durch die Allgemeinheit erhielt. Die Wertschätzung des Menschen muß begründet werden auf der Art und Weise, in der er seiner ihm von der Allgemeinheit überantworteten Aufgabe gerecht wird. Denn die Tätigkeit, welche der einzelne verrichtet, ist nicht der Zweck seines Daseins, sondern nur das Mittel dazu. Vielmehr soll er sich als Mensch weiterbilden und weiterveredeln, kann dies aber nur im Rahmen seiner Kulturgemeinschaft, die immer auf dem Fundament eines Staates beruhen muß. Zur Erhaltung dieses Fundamentes hat er seinen Beitrag zu leisten. Die Form dieses Beitrags bestimmt die Natur; an ihm liegt es nur, mit Fleiß und Redlichkeit der Volksgemeinschaft zurückzuerstatten, was sie ihm selbst gegeben hat. Wer dieses tut, verdient höchste Wertschätzung und höchste Achtung. Der materielle Lohn mag dem zugebilligt werden, dessen Leistung für die Gesamtheit entsprechenden Nutzen trägt; der ideelle jedoch muß in der Wertschätzung liegen, die jeder beanspruchen kann, der die Kräfte, welche die Natur ihm gab und die Volksgemeinschaft zur Ausbildung brachte, dem Dienste seines Volkstums widmet. Dann aber ist es keine Schande mehr, ein ordentlicher Handwerker zu sein, aber wohl eine, als unfähiger Beamter dem lieben Gott den Tag und dem guten Volk das tägliche Brot zu stehlen.176 Dann wird man es auch für selbstverständlich halten, daß ein Mensch nicht Aufgaben zugewiesen erhält, denen er von vornherein nicht gewachsen ist.

Im übrigen gibt solche Tätigkeit auch den einzigen Maßstab für das Recht bei der allgemeinen gleichen rechtlichen bürgerlichen Betätigung.

Die heutige Zeit baut sich ja selber ab: Sie#1937: Sie ersetzt durch: sie;
1939: Sie führt ein allgemeines Wahlrecht177 ein, schwätzt von gleichen Rechten, findet aber doch keine Begründung für dieselben.178 Sie sieht im materiellen Lohn den Ausdruck des Wertes eines Menschen und zertrümmert sich dadurch