Angst vor Chauvinismus ist Impotenz <span class="pagenumber">[63]</span>

154 Die Figur des »Ewigen Juden« entstammt christlichen Legenden des Mittelalters. Als erste literarische Bearbeitung gilt die 1602 anonym publizierte Schrift Kurtze Beschreibung und Erzehlung von einem Juden mit Namen Ahaßverus, die durch zahlreiche Ausgaben und Übersetzungen in Deutschland, Holland, England, Frankreich, Italien und im Baltikum weite Verbreitung fand. Sie behandelt das Leben eines jüdischen Schusters, der es Jesus Christus verwehrt, auf dem Weg zur Kreuzigung vor seinem Haus zu rasten. Zur Strafe wird Ahasver von Jesus dazu verdammt, bis zum Jüngsten Gericht unstet und ziellos über die Erde wandern zu müssen. Die Ahasver-Legende wurde seit dem späten 18. Jahrhundert von zahlreichen Autoren aufgegriffen und dabei sehr unterschiedlich akzentuiert. Das Spektrum reicht von rassenantisemitisch motivierten Bearbeitungen bis hin zu Satiren wie Lion Feuchtwangers Gespräche mit dem Ewigen Juden (1920). Im Dritten Reich wurde das Schlagwort von zwei Großprojekten antisemitischer Propaganda aufgegriffen. Am 8. 11. 1937 eröffnete im Deutschen Museum München die Ausstellung Der ewige Jude, die 1938/39 auch in Wien, Berlin, Bremen, Dresden und Magdeburg gezeigt wurde und insgesamt über eine Million Besucher erreichte. Die Inhalte der Ausstellung griff Fritz Hippler in seinem gleichnamigen Propagandafilm auf, der am 28. 11. 1940 in Berlin Premiere hatte.

Vgl. Baleanu, Geschichte; Reuband, Prototypen; Heni, Ahasver, bes.S. 52 – 59; Körte, Wiederkehr; Benz, Metaphern, S. 9 – 13, 65 – 73, 139 – 158.

155 Mit den »letzten und größten Entscheidungen« meinte Hitler den als schicksalhaft imaginierten »Endkampf« zwischen der seiner Auf‌fassung nach allein kulturschöpferischen nordisch-arischen Menschheit und ihrem Gegner, der angeblich »zersetzend« wirkenden und nach Weltherrschaft strebenden »jüdischen Rasse«. Für diesen »Endkampf« wies Hitler der Erziehung eine Schlüsselrolle zu, zumal er ein ausgesprochen mechanistisches Verständnis von Lernprozessen besaß: Nach einer hundertjährigen Pflege der von ihm konzipierten nationalsozialistischen »Erziehungsarbeit«, so Hitler am 20. 5. 1942, werde das deutsche Volk den »geschlossenste[n] und kolossalste[n] Machtblock« bilden, »den es in Europa jemals gegeben habe«.

Vgl. Picker (Hrsg.), Tischgespräche, Zitat S. 356; Kap. I/2, Anm. 219.

aber, von dem die eine Hälfte elend und abgehärmt oder gar verkommen ist, gibt ein so schlechtes Bild, daß niemand Stolz darüber empfinden soll. Erst wenn ein Volkstum in allen seinen Gliedern, an Leib und Seele gesund ist, kann sich die Freude, ihm anzugehören, bei allen mit Recht zu jenem hohen Gefühl steigern, das wir mit Nationalstolz bezeichnen. Diesen höchsten Stolz aber wird auch nur der empfinden, der eben die Größe seines Volkstums kennt.

Die innige Vermählung von Nationalismus und sozialem Gerechtigkeitssinn ist schon in das junge Herz hineinzupflanzen. Dann wird dereinst ein Volk von Staatsbürgern erstehen, miteinander verbunden und zusammengeschmiedet durch eine gemeinsame Liebe und einen gemeinsamen Stolz, unerschütterlich und unbesiegbar für alle Zeiten#1930: alle Zeiten ersetzt durch: immer.

Die Angst unserer Zeit vor Chauvinismus ist das Zeichen ihrer Impotenz. Da ihr jede überschäumende Kraft nicht nur fehlt, sondern sogar unangenehm erscheint, ist sie auch für eine große Tat vom Schicksal nicht mehr ausersehen. Denn die größten Umwälzungen auf dieser Erde wären nicht denkbar gewesen, wenn ihre Triebkraft statt fanatischer, ja hysterischer Leidenschaft#1933: Leidenschaft ersetzt durch: Leidenschaften nur die bürgerlichen Tugenden der Ruhe und Ordnung gewesen wären.

Sicher aber geht diese Welt einer großen Umwälzung entgegen. Und es kann nur die eine Frage sein, ob sie zum Heil der arischen Menschheit oder zum Nutzen des ewigen Juden154 ausschlägt.

Der völkische Staat wird dafür sorgen müssen, durch eine passende Erziehung der Jugend dereinst das für die letzten und größten Entscheidungen auf diesem Erdball reife Geschlecht zu erhalten.155