Der »Risikogedanke« <span class="pagenumber">[289]</span>

243 Nachdem die Royal Navy 1906 Schlachtschiffe vom Typ »Dreadnought« mit 30,5-cm-Geschützen eingeführt hatte, versuchte die deutsche Marine ihre eigenen 28-cm-Geschütze so zu verändern, dass sie den britischen ebenbürtig waren. Kaiser Wilhelm II. drängte gewöhnlich auf eine technische Weiterentwicklung, damit der Nachteil der geringeren Reichweite durch das kleinere Kaliber kompensiert würde. 1907 wurde die Rohrlänge der Geschütze erhöht, außerdem wurden die Munition sowie alle an das Geschütz angeschlossenen Anlagen wie Munitionszufuhr, Entfernungsmessgeräte und Feuerleitsystem immer wieder verbessert. Nach diesen Modernisierungen war das deutsche 28-cm-Geschütz der englischen 30,5-cm-Kanone hinsichtlich Feuerrate, Trefferleistung und Verschleiß klar überlegen.

Vgl. Epkenhans, Flottenrüstung, S. 182; Dülffer, Wilhelm II., S. 53; Schmalenbach, Geschichte, S. 69 – 80; Friedman, Weapons, S. 52 – 65, 137 – 141; Sondhaus, War, bes.S. 37 f.

244 Trotz der kontinuierlichen Modernisierung der 28-cm-Geschütze führte die Kaiserliche Marine im Jahr 1906 im Zuge des maritimen Wettrüstens ebenfalls ein 30,5-cm-Schiffsgeschütz ein. Dieses wurde zunächst bei der Großkampfschiff-Klasse vom Typ »Helgoland« verwendet, die ab 1908 gebaut wurde. Später wurden auch die Klassen »Kaiser«, »König« und »Derfflinger« damit bewaffnet. Neben dieser Entwicklung ignoriert Hitler auch die Wechselwirkung des Wettrüstens: Keine Seite konnte über einen längeren Zeitraum einen Vorsprung bei der Kampfkraft der Schiffsartillerie halten. Auf die Einführung der deutschen 30,5-cm-Geschütze reagierte Großbritannien 1909 mit der Erhöhung des Geschützkalibers auf 34,3 cm. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg entwickelten sowohl britische als auch deutsche Konstrukteure Geschütze mit einem Kaliber von 40,6 cm; für künftige Schiffsgeschütze waren gar Kaliber von bis zu 50,8 cm geplant.

Vgl. Toeche Mittler, Kriegsflotte, S. 40 – 53; Breyer, Schlachtschiffe, S. 67, 71 – 75, 287 f., 294 – 300; Friedman, Weapons, bes.S. 134 – 137.

245 Nach den Erfahrungen des Deutsch-Französischen Kriegs 1870/71 gab der deutsche Generalstab 1896 den Auftrag zur Entwicklung schwerster Artillerie, die in der Lage sein sollte, moderne Festungsanlagen zu zerstören. Das Ergebnis waren jene Geschütze der Firma Krupp, die später als »Dicke Bertha« bekannt wurden. Die erste Version von 1909, die Kurze Marine-Kanone 12 L/16 (»Gamma-Gerät«), hatte ein Kaliber von 42 cm und musste per Eisenbahn transportiert werden. Ab 1913 stellte Krupp eine Weiterentwicklung auf Radlafette her. Beide Varianten kamen schon 1914 zum Einsatz, etwa bei der Eroberung von Lüttich. Das sogenannte M-Gerät wog 42,6 Tonnen und verschoss 810 Kilogramm schwere Granaten über eine Entfernung von 9,3 Kilometer.

Vgl. Schindler, Mörser-Batterie; Kosar, Artillerie, Bd. 3, S. 95 f.; Jäger, Artillery, S. 34 – 59, 68.

249 Unter dem Begriff des »Risikogedankens« verstand man ein Abschreckungskonzept: Die Kampfkraft der eigenen Marine sollte so hoch sein, dass der Gegner selbst im Fall seines Sieges untragbar hohe Verluste erleiden würde. Die deutsche Propaganda betonte stets den defensiven Charakter der eigenen Flottenpolitik – nicht zuletzt, um den Reichstag leichter von ihr zu überzeugen. Auch nach dem Ersten Weltkrieg blieb diese Auffassung vorherrschend. So heißt es in einer vom Berliner Marinearchiv herausgegebenen Darstellung von 1920, das »nie verlassene Ziel« der deutschen Flottengesetzgebung sei »ein kriegsvorbeugendes und rein defensives« gewesen. In der jüngeren Forschung ist hingegen umstritten, ob Großadmiral Alfred von Tirpitz einen rein defensiven Abschreckungsgedanken verfolgte oder ob er längerfristig nicht doch eine der Royal Navy mindestens ebenbürtige Flotte schaffen wollte und damit ein offensives Konzept verband.

Vgl. Der Krieg zur See 1914 – 1918: Der Krieg in der Nordsee, Bd. 1, Zitat S. 44 f.; Salewski/ Elvert/ Lippert (Hrsg.), Bd. 1, S. 120; Hobson, Imperialismus, S. 256 – 296, 351 f.; Nägler, Vorstellungen, bes.S. 28 f.; Kelly, Tirpitz, bes.S. 195 – 202, 466.

überlegene »Güte«, die solange ein Unsinn ist, als sie sich eben# 1926: gestrichen: eben nicht in der Kampfkraft äußert# 1930: überlegene »Güte«, die solange ein Unsinn ist, als sie sich nicht in der Kampfkraft äußert ersetzt durch: Überlegenheit an »Güte« .240 Tatsächlich ist nun# 1926: gestrichen: nun die moderne Technik so fortgeschritten und zu so großer Übereinstimmung in# 1937: in ersetzt durch: mit;
1939: in den einzelnen Kulturstaaten gekommen, daß es als unmöglich gelten muß, Schiffen der einen Macht einen wesentlich größeren Gefechtswert zu geben wie# 1939: wie ersetzt durch: als [sic!] den Schiffen gleichen Tonnengehalts eines anderen Staates. Noch viel weniger aber ist es denkbar, eine Überlegenheit bei kleinerem Deplacement241 gegenüber einem größeren zu erzielen.

Tatsächlich konnte der kleinere# 1944: kleinere ersetzt durch: kleine Tonnengehalt der deutschen Schiffe nur auf Kosten der Schnelligkeit und Armierung erfolgen.242 Die Phrase, mit der man nun# 1926: gestrichen: nun diese Tatsache zu rechtfertigen versuchte, zeigt# 1933: zeigt ersetzt durch: zeigte allerdings einen schon# 1926: einen schon ersetzt durch: schon einen sehr bösen Mangel an Logik bei der hierfür im Frieden maßgebenden Stelle. Man erklärte nämlich, daß das deutsche Geschützmaterial dem britischen so ersichtlich überlegen sei, daß das deutsche 28-Zentimeter-Rohr dem britischen 30,5-Zentimeter-Rohr an Schußleistung gar nicht nachstehe!!243

Gerade deshalb aber wäre es die# 1930: gestrichen: die Pflicht gewesen, nun ebenfalls zum 30,5-Zentimeter-Geschütz überzugehen, da das Ziel ja# 1926: gestrichen: ja nicht die Erreichung gleicher, sondern überlegener Kampfkraft hätte sein müssen.244 Sonst wäre ja auch die Bestellung des 42-Zentimeter-Mörsers# 1930: eingefügt: beim Heer 245 überflüssig gewesen, da der deutsche 21-Zentimeter-Mörser jedem damals vorhandenen französischen Steilfeuergeschütz an und für sich schon weit überlegen war246, die Festungen aber wohl auch dem 30,5-Zentimeter-Geschütz# 1926: 30,5-Zentimeter-Geschütz ersetzt durch: 30,5-Zentimeter-Mörser ebenfalls# 1939: gestrichen: ebenfalls zum Opfer gefallen wären.247 Allein die Leitung der Landarmee dachte richtig und die der Marine leider nicht. 248

Der Verzicht auf überragende Artilleriewirkung sowie auf überlegene Schnelligkeit lag aber ganz im grundfalschen sogenannten »Risikogedanken« begründet. Man verzichtete in der Leitung der Marine# 1930: Leitung der Marine ersetzt durch: Marineleitung schon durch die Form ihres# 1930: ihres ersetzt durch: des Ausbaues# 1930: eingefügt: der Flotte auf den Angriff und verlegte sich so von Anfang an zwangsläufig auf die Defensive.249 Damit aber verzichtete man auch auf den letzten Erfolg, der eben# 1926: gestrichen: eben doch ewig nur im Angriff liegt und liegen kann.250