Rußlands Zusammenbruch <span class="pagenumber">[207]</span>

55 Die »Deutschen« waren an der Ostfront keineswegs drei Jahre lang ohne sichtbaren Erfolg gegen Russland »angerannt«. Im Gegensatz zum Westen, wo die Front nach deutschen Anfangserfolgen im Stellungskrieg erstarrte, verlief der Krieg im Osten vergleichsweise dynamisch, und dies, obwohl die deutsche Führung die Ostfront als Nebenkriegsschauplatz betrachtete und dort strategisch in der Defensive bleiben wollte. Allerdings wurde die Verteidigung beweglich und auch mit Gegenoffensiven geführt. Dabei konnten die deutschen Armeen immer wieder große Erfolge erzielen. Eine zeitweilige Verlagerung des strategischen Schwerpunkts von der West- auf die Ostfront erfolgte lediglich im Frühjahr 1915, nachdem das verbündete Österreich-Ungarn gegen Russland schwere Niederlagen erlitten hatte. Bei ihren Gegenoffensiven im Sommer 1915 konnten die Truppen der Mittelmächte Galizien zurückerobern, Litauen und große Teile Polens besetzen und bis in die Westukraine vorstoßen. Sie errangen damit den »größten operativen Erfolg des Weltkrieges«, der es der deutschen Führung ermöglichte, den Schwerpunkt anschließend wieder auf den Westen zu verlegen.

Vgl. Der Weltkrieg 1914 bis 1918, Bd. 10, S. 424 – 558; Bd. 11, S. 347 – 407; Stone, Front, bes.S. 165 – 193; Fuller, Front, S. 40 f.; Groß, Schatten, Zitat S. 62. 

56 In der Zeit vom 26. bis 30. 8. 1914 siegten deutsche Truppen unter der Führung von Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff über die nach Ostpreußen vorgedrungenen, zahlenmäßig überlegenen russischen Streitkräfte. Den knapp 153.000 deutschen Soldaten standen damals 191.000 russische Soldaten gegenüber, von denen rund 30.000 getötet oder verwundet wurden und etwa 92.000 in deutsche Kriegsgefangenschaft gerieten. Die deutsche Seite hatte demgegenüber knapp 12.000 Tote und Verwundete zu beklagen. Diese Schlacht, auf Wunsch Hindenburgs in Erinnerung an die Niederlage des Deutschen Ordens gegen Polen und Litauen im Jahr 1410 nach dem abseits gelegenen »Tannenberg« benannt, wurde auf deutscher Seite zu einem Mythos. Sie begründete das Bild von Hindenburg als einem überlegenen Heerführer, das im Widerspruch zu seinem tatsächlich geringen Anteil an den militärischen Erfolgen stand.

Vgl. Der Weltkrieg 1914 bis 1918, Bd. 2, S. 130 – 258; Pyta, Hindenburg, bes.S. 41 – 55, 91 – 113; Hoegen, Held, bes.S. 35 – 48, 128 – 156; Nebelin, Ludendorff, S. 123 – 145; Leonhard, Büchse, S. 177, 191. 

daten hatte sich jetzt geändert. Bisher mochte er ihnen als ein ja doch zur Niederlage bestimmter Narr gelten; nun aber stand vor ihnen der Vernichter des russischen Verbündeten. Die aus der Not geborene Beschränkung der deutschen Offensiven auf den Osten erschien nun# 1926: nun ersetzt durch: nunmehr als geniale Taktik. Drei Jahre waren diese Deutschen nun# 1926: gestrichen: nun gegen Rußland angerannt, anfangs# 1930: eingefügt: scheinbar ohne auch nur den geringsten scheinbaren# 1930: gestrichen: scheinbaren Erfolg. Man lachte fast über dieses zwecklose Beginnen; denn endlich mußte ja doch der russische Riese in der Überzahl seiner Menschen Sieger bleiben, Deutschland aber an Verblutung niederbrechen. Die Wirklichkeit schien dieses Hoffen zu bestätigen.55

Seit den Septembertagen 1914, da sich zum ersten Male die endlosen Haufen russischer Gefangener aus der Schlacht von Tannenberg56 auf Straßen und Bahnen nach Deutschland zu wälzen begannen, nahm dieser Strom kaum mehr ein Ende; allein für jede geschlagene und vernichtete Armee stand eine neue auf. Unerschöpflich gab das Riesenreich dem Zaren57 immer neue Soldaten und dem Kriege seine neuen Opfer. Wielange# 1930: Wielange ersetzt durch: Wie lange [sic!] konnte Deutschland dieses Rennen mitmachen? Mußte nicht einmal der Tag kommen, an dem nach einem letzten deutschen Siege immer noch nicht die letzten russischen Armeen zur allerletzten Schlacht antreten würden? Und was dann? Nach menschlichem Ermessen konnte der Sieg Rußlands wohl hinausgeschoben werden, aber er mußte kommen.

Nun# 1930: Nun ersetzt durch: Jetzt waren alle diese Hoffnungen zu Ende; der Verbündete, der die größten Blutopfer auf den# 1944: den ersetzt durch: dem Altar der gemeinsamen Interessen niedergelegt hatte, war nun# 1926: gestrichen: nun am Ende seiner Kraft und lag vor dem unerbittlichen Angreifer auf dem Boden. Furcht und Grauen# 1939: Grauen ersetzt durch: Gram;
1944: Grauen schlichen in die Herzen der bisher blindgläubigen Soldaten ein. Man fürchtete das kommende Frühjahr. Denn wenn es bisher nicht gelang, den Deutschen zu brechen# 1937: brechen ersetzt durch: besiegen , da er nur zum Teil sich auf der Westfront zu stellen vermochte, wie würde man nun noch auf Sieg zu rechnen haben# 1930: wie würde man nun noch auf Sieg zu rechnen haben ersetzt durch: wie sollte man jetzt noch mit dem Sieg rechnen;
1937: Sieg ersetzt durch: Siege , da die gesamte Kraft des unheimlichen Heldenstaates sich zum eigenen Angriff zusammen zu ballen# 1930: eigenen Angriff zusammen zu ballen ersetzt durch: Angriff gegen den Westen zusammenzuballen schien?

Die Schatten der Südtiroler Berge legten sich beklemmend auf die Phantasie; bis in den# 1944: den ersetzt durch: die flandrischen Nebel gaukelten die ge-