Die Zionisten <span class="pagenumber">[57]</span>

176 Die Anfänge der jüdischen Nationalbewegung liegen im Osteuropa der 1860er Jahre, bevor später Wien zu einem Zentrum des Zionismus wurde: Ab 1868 gab hier der aus Weißrussland stammende Publizist Peretz Smolenskin die hebräische Zeitschrift Ha-Shahar (Die Morgenröte) heraus, die eine nationale Befreiung des Judentums propagierte. Ebenfalls in Wien prägte 1890 der Philosoph Nathan Birnbaum den Begriff »Zionismus« in seiner Zeitschrift Selbstemanzipation. Zum eigentlichen Begründer des politischen Zionismus wurde dann wenige Jahre später der Wiener Schriftsteller und Publizist Theodor Herzl, der unter anderem als Korrespondent der Neuen Freien Presse in Paris gearbeitet hatte. In seiner Schrift Der Judenstaat (1896) plädierte er für die Gründung eines jüdischen Nationalstaats. Die Anhänger des frühen Zionismus waren vor allem osteuropäische Juden, die teilweise nach Westeuropa emigriert waren. Die Wiener jüdische Gemeinde und das weitgehend assimilierte jüdische Bürgertum der Stadt distanzierten sich jedoch von dieser selbstbewussten »jüdischen« Bewegung. Dennoch gab es von 1907 bis 1911 vier Abgeordnete der Jüdischen Nationalpartei im österreichischen Reichsrat. In den Jahren, in denen Hitler sich in Wien aufhielt (1907/08 – 1913), spielte der Zionismus als umstrittene Idee zwar eine große Rolle, freilich nicht als Massenbewegung.

Vgl. Häusler, Judentum (1985), S. 665 – 669; Kouts, Zionism, S. 539 – 547; Gelber u. a., Austria, S. 692; Avineri, Herzl, S. 114 – 140; Kap. I/11, Anm. 111, 116.

177 Ähnlich wie in Deutschland oder Großbritannien begegneten auch in Wien der Großteil des jüdischen Bürgertums sowie der religiösen Juden dem Zionismus mit größter Distanz. Weder sollten die Erfolge der jüdischen Emanzipations- und Integrationsbewegung gefährdet, noch antisemitische Reflexe provoziert werden. Die meisten Juden sahen sich nicht als Angehörige einer »jüdischen Nation«, sondern zuerst als Staatsbürger ihres jeweiligen Landes, und als solche wollten sie auch von ihren nichtjüdischen Mitbürgern betrachtet werden. Stärkeres innerjüdisches Konfliktpotenzial als der Zionismus, der aufgrund seines utopischen Moments nur Teile des Judentums anzog, bargen die divergierenden religiösen Strömungen von Orthodoxie und Reformjudentum sowie ihre unterschiedlichen Haltungen zur Emanzipation. Für liberale Juden war die Religion nur noch eine schwache Grundlage ihrer Selbstdefinition, da die meisten von ihnen die traditionellen rituellen Praktiken des Judentums ablehnten.

Vgl. Häusler, Judentum (1985), S. 647 – 657; Wistrich, Zionism; Grill, Bewegung; Kap. I/11, Anm. 116.

Ich wurde dann wieder rückfällig auf Wochen, ja einmal auf Monate hinaus.

Die Sache schien mir so ungeheuerlich, die Bezichtigung so maßlos zu sein, daß ich, gequält von der Furcht, unrecht# 1930: unrecht ersetzt durch: Unrecht zu tun, wieder ängstlich und unsicher wurde.

Freilich daran, daß es sich hier nicht um Deutsche einer besonderen Konfession handelte sondern um ein Volk für sich, konnte auch ich nicht mehr gut zweifeln; denn seit ich mich mit dieser# 1944: dieser ersetzt durch: der Frage zu beschäftigen begonnen hatte, auf den Juden erst einmal aufmerksam wurde, erschien mir Wien in einem anderen Lichte als vorher. Wo immer ich ging, sah ich nun Juden und je mehr ich sah, um so schärfer sonderten sie sich für das Auge von den anderen Menschen ab. Besonders die innere Stadt und die Bezirke nördlich des Donaukanals wimmelten von einem Volke175, das schon äußerlich eine Ähnlichkeit mit dem deutschen nicht mehr besaß.

Aber wenn ich daran noch gezweifelt hätte, so wurde ein solches# 1930: ein solches ersetzt durch: das Schwanken endgültig behoben durch die Stellungnahme eines Teiles der Juden selber.

Eine große Bewegung unter ihnen, die in Wien nicht wenig umfangreich war, trat auf das schärfste für die Bestätigung des völkischen Charakters der Judenschaft ein: die Zionisten# 1926: die Zionisten ersetzt durch: der Zionismus .176

Wohl hatte es den Anschein, als ob nur ein Teil der Juden diese Stellungnahme billigen würde, die große Mehrheit aber eine solche Festlegung verurteile, ja innerlich ablehne. Bei näherem Hinsehen zerflatterte aber dieser Anschein in einen üblen Dunst von aus reinen Zweckmäßigkeitsgründen vorgebrachten Ausreden, um nicht zu sagen Lügen. Denn das sogenannte Judentum liberaler Denkart lehnte ja die Zionisten nicht als Nichtjuden ab, sondern nur als Juden von einer# 1926: einer ersetzt durch: einem unpraktischen, weil# 1926: weil ersetzt durch: ja vielleicht sogar gefährlichen öffentlichen Bekennung ihres Judentums# 1926: Bekennung ihres Judentums ersetzt durch: Bekenntnis zu ihrem Judentum .177

An ihrer inneren Zusammengehörigkeit änderte sich gar nichts.

Dieser scheinbare Kampf zwischen zionistischen und liberalen Juden ekelte mich in kurzer Zeit schon an; war er doch durch und durch unwahr, mithin verlogen und dann aber wenig passend zu der immer behaupteten sittlichen Höhe und Reinheit dieses Volkes.178