Das Einfangen der Bürgerlichen <span class="pagenumber">[174]</span>

88 SPD, Zentrum und DDP erhielten bei der Wahl zur Verfassunggebenden Nationalversammlung am 19. 1. 1919 zusammen 76,2 % der Stimmen. Die sogenannte Weimarer Koalition dieser drei Parteien, die im Deutschen Reich 1919/20 und 1921, in Preußen von 1919 – 1921 und 1925 – 1932 sowie in Baden von 1919 – 1931 regierte, war weniger das Ergebnis weltanschaulicher Übereinstimmung, sondern das Ergebnis freier Wahlen, politischer Klugheit und eines republikanischen Minimalkonsenses. Im Übrigen machte auch die NSDAP nach ihrem Entschluss im Jahre 1925, an Wahlen teilzunehmen, von der Möglichkeit der Koalition oder zumindest der Tolerierung durch andere Parteien Gebrauch – so in Mecklenburg-Schwerin, wo die NSDAP nach der Landtagswahl vom 23. 6. 1929 die dortige Bürgerblockregierung tolerierte, in Thüringen, wo die NSDAP nach der Landtagswahl vom 8. 12. 1929 mit dem Thüringer Landbund, der Wirtschaftspartei, DNVP und DVP eine Koalition einging (zu einer weiteren Koalition der NSDAP mit der DNVP kam es in Thüringen nach der Landtagswahl vom 31. 7. 1932), oder in Braunschweig, wo die NSDAP nach der Landtagswahl vom 14. 9. 1930 mit der Bürgerlichen Einheitsliste koalierte. Auch die Machtübertragung an Hitler auf Reichsebene am 30. 1. 1933 war nur in Form einer Koalitionsregierung aus NSDAP und DNVP möglich.

Vgl. Winkler, Revolution, S. 136 – 150; Schulze, Weimar, S. 71 f.; Rudolph, Nationalsozialisten; Kap. I/11, Anm. 127; Kap. II/13, Anm. 82.

Frontarmee aber als unheimliche Sphinx85 aufzutauchen begann, mußte in der natürlichen Entwicklung der Revolution gebremst werden; das Gros der sozialdemokratischen Armee besetzte die eroberte Stellung und die Unabhängigen#1933: Unabhängigen ersetzt durch: unabhängigen und Spartakistischen#1930: Spartakistischen ersetzt durch: Spratakistischen [sic!];
1933: spartakistischen Sturmbataillone wurden beiseite geschoben#1937: beiseite geschoben ersetzt durch: beiseitegeschoben;
1939: beiseite geschoben;
1944: beiseitegeschoben.86

Dies ging jedoch nicht ohne Kampf.

Nicht nur, daß sich diese#1933: diese ersetzt durch: die aktivistischen Angriffsformationen der Revolution, weil nicht befriedigt, nun betrogen fühlten und von sich aus weiterschlagen wollten, war ihr unbändiges Randalieren den Drahtziehern der Revolution selber nur erwünscht. Denn kaum, daß der Umsturz vorbei war, gab es in ihm selber bereits scheinbar zwei Lager, nämlich: Die#1937: Die ersetzt durch: die Partei der Ruhe und Ordnung und die Gruppe des blutigen Terrors.87 Was aber war nun natürlicher, als daß unser Bürgertum sofort mit fliegenden Fahnen in das Lager der Ruhe und Ordnung einrückte? Jetzt war auf einmal für diese erbärmlichsten politischen Organisationen die Möglichkeit einer Betätigung gegeben, bei der sie, ohne es sagen zu müssen, dennoch im stillen bereits wieder einen Boden unter den Füßen gefunden hatten und in eine gewisse Solidarität mit der Macht kamen, die sie haßten, aber noch inständiger fürchteten. Das politische deutsche Bürgertum hatte die hohe Ehre erhalten, sich mit den dreimal verfluchten Marxistenführern zur Bekämpfung der Bolschewisten an einen Tisch setzen zu dürfen.88

So bildete sich bereits im Dezember 1918 und Januar 1919 folgender Zustand heraus:

Von einer Minderheit schlechtester Elemente ist eine Revolution gemacht worden, hinter die sofort die gesamten marxistischen Parteien traten. Die Revolution selbst hat ein scheinbar gemäßigtes Gepräge, was ihr die Feindschaft der fanatischen Extremisten zuzieht. Diese beginnen mit Handgranaten und Maschinengewehren herumzuknallen, Staatsbauten zu besetzen, kurz die gemäßigte Revolution zu bedrohen.89 Um den Schrecken einer solchen weiteren Entwicklung zu bannen, wird ein Waffenstillstand geschlossen zwischen den Trägern des neuen Zustandes und den Anhängern des alten, um nun gemeinsam gegen die Extremisten den Kampf führen zu