<span class="pagenumber"></span>9. Kapitel Grundgedanken über Sinn und Organisation der S. A.

3 Der Vorwurf, die Republik, deren Verwaltung und die sie tragenden Parteien seien korrupt, war seit 1919 fester Bestandteil im propagandistischen Repertoire der deutschen Rechten. Begründet wurde dies mit dem Sklarz-, dem BEHALA- sowie dem Barmat-Kutisker-Skandal, dem Skandal um die Deutschen Werke, später auch dem Sklarek-Skandal sowie einigen kleineren Fällen – wie es etwa in der Broschüre Die Korruption im neuen Deutschland (1929) heißt. Dabei unterschlug diese Propaganda nicht nur die Tatsache, dass die illegale Privatisierung öffentlicher Ämter oder Mittel ein überzeitliches Phänomen ist. Die NS-Propaganda nützte es auch schamlos aus, dass es erst die parlamentarischen und rechtsstaatlichen Strukturen in der Weimarer Republik waren, welche die Aufklärung, Bekanntmachung und Bestrafung von Korruption ermöglichten. Im Gegensatz dazu wurde das Phänomen der Korruption nach 1933 infolge der Abschaffung von Gewaltenteilung und Pressefreiheit fast schon zu einem Strukturelement der totalitären NS-Herrschaft – ungeachtet aller drakonischen Maßnahmen, mit welcher der NS-Staat Vergehen dieser Art ahndete oder zu ahnden vorgab.

Vgl. Weberstedt, Korruption; Friedrich, Pathologie; Bellers, Korruption, S. 24 – 37; Ludwig, Korruption. Zur Korruption im Deutschen Reich der Jahre 1933 – 1945 vgl. Mommsen, Erlaß; Grieser, Mann; Gruchmann, Korruption; Angermund, Korruption; Ueberschär/ Vogel, Dienen; Bajohr, Parvenüs; Bajohr, Krise; Berg, Korruption; Bernard, Korruption; Bajohr, Korruption; Löhr, Sammler; Geyer, Barmat-Kutisker-Skandal; Geyer, Narratives.

4 Zwar dürfte Hitler – wenn überhaupt – die Schriften Max Webers nicht aus erster Hand gekannt haben, doch formuliert Hitler hier einen Gedanken, den auch Weber im Rahmen seiner Typologie von Herrschaft entwickelt hatte. In seinem posthum erschienen Werk Wirtschaft und Gesellschaft (1921/22) heißt es unter anderem: »Der Bestand der charismatischen Autorität ist ihrem Wesen entsprechend spezifisch labil: der Träger kann das Charisma einbüßen, sich als ›von seinem Gott verlassen‹ fühlen, wie Jesus am Kreuz, sich seinen Anhängern als ›seiner Kraft beraubt‹ erweisen: dann ist seine Sendung erloschen, und die Hoffnung erwartet und sucht einen neuen Träger. Ihn aber verläßt seine Anhängerschaft, denn das reine Charisma kennt noch keine andere ›Legitimität‹ als die aus eigener, stets neu bewährter Kraft folgende. Der charismatische Held leitet seine Autorität nicht wie eine amtliche ›Kompetenz‹ aus Ordnungen und Satzungen und nicht wie die patrimoniale Gewalt aus hergebrachtem Brauch oder feudalem Treueversprechen ab, sondern er gewinnt und behält sie nur durch Bewährung seiner Kräfte im Leben. Er muß Wunder tun, wenn er ein Prophet, Heldentaten, wenn er ein Kriegsführer sein will. Vor allem aber muß sich seine göttliche Sendung darin ›bewähren‹, daß es denen, die sich ihm gläubig hingeben, wohlergeht.«

Vgl. Weber, Gesamtausgabe, Bd. 22 – 4, Zitat S. 466 (Herv. i. Orig.). Zur Frage von Hitlers Charisma vgl. Wehler, Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4, S. 551 – 560, 623 – 642; Pyta, Charisma (2009); Pyta, Charisma (2010); kritisch hingegen: Herbst, Charisma.

5 Hitlers Entwurf berücksichtigt in geraffter Form bereits alle drei Strukturelemente, die für die NS-Herrschaft zumindest in ihren Anfangsjahren konstitutiv waren: Hitlers »Popularität«, die sich im Sinne Max Webers durchaus als Charisma definieren lässt, dann der nationalsozialistische Terror (»Kraft«) und schließlich das Bündnis mit den traditionellen nationalkonservativen Eliten und die Einbindung ihres Wertekanons (»Tradition«). Auch hier könnte es sich um »eine Anleihe bei den berühmten drei Herrschaftstypen Max Webers« handeln. Auf‌fallend »ist jedenfalls die Ähnlichkeit mit Webers Unterscheidung von charismatischer, legaler und traditionaler Herrschaft. Auch die ›Veralltäglichung des Charismas‹ und seine Wandlung in Tradition könnte Vorbild für Hitlers Herleitung der traditionalen Autorität gewesen sein. Bezeichnend ist allerdings die Differenz: Für Weber ist die durch Legalität begründete Herrschaft Ausdruck einer rationalen Legitimitätsgeltung. Hitler spricht im analogen Fall nur von Gewalt, auch wenn er damit wohl primär die Anerkennung des staatlichen Gewaltmonopols meint.«

Vgl. Zehnpfennig, Kampf (2000), Zitat S. 215.

9. Kapitel
Grundgedanken über Sinn und Organisation der S. A.#1937: S. A. ersetzt durch: SA.

Die Stärke des alten Staates ruhte auf drei Säulen: der monarchischen Staatsform, dem Verwaltungskörper und dem Heer.1 Die Revolution des Jahres 1918 hat die Staatsform beseitigt, das Heer zersetzt2 und den Verwaltungskörper der Parteikorruption3 ausgeliefert. Damit sind aber die wesentlichsten Stützen einer sogenannten Staatsautorität zerschlagen worden. Diese beruht an sich fast immer auf den drei Elementen, die grundsätzlich jeder Autorität zugrunde liegen.

Das erste Fundament zur Bildung von Autorität bietet stets die Popularität. Eine Autorität jedoch, die allein auf diesem Fundamente ruht, ist noch äußerst#1944: äußerst ersetzt durch: äußerlich schwach, unsicher und schwankend.4 Jeder Träger einer solchen rein auf Popularität fußenden Autorität muß deshalb trachten, die Grundlage dieser Autorität zu verbessern und zu sichern durch Bildung von Macht. In der Macht also, in der Gewalt, sehen wir die zweite Grundlage jeder Autorität. Sie ist bereits wesentlich stabiler, sicherer, durchaus aber nicht immer kraftvoller als die erste. Vereinen sich Popularität und Gewalt und vermögen so#1929: so ersetzt durch: sie gemeinsam eine gewisse Zeit zu überdauern, dann kann eine Autorität auf noch festerer Grundlage erstehen, die Autorität der Tradition. Wenn endlich Popularität, Kraft und Tradition sich verbinden, darf eine Autorität als unerschütterlich betrachtet werden.5

Durch die Revolution ist dieser letzte Fall vollständig ausgeschaltet

9. KapitelGrundgedanken über Sinn und Organisation der S. A.#1937: S. A. ersetzt durch: SA.

9. Kapitel
Grundgedanken über Sinn und Organisation der S. A.#1937: S. A. ersetzt durch: SA.