Das Versagen der Arbeitsgemeinschaft <span class="pagenumber">[162]</span>

36 In Wirklichkeit waren es Koalitionen, die in den meisten kriegerischen Auseinandersetzungen der frühneuzeitlichen und modernen Geschichte gesiegt hatten. Ein markantes Beispiel hierfür sind die Napoleonischen Kriege 1803 – 1815, in denen sich Napoleon nur durchzusetzen vermochte, solange seine Gegner uneinig waren. Auf dem Wiener Kongress 1814/15 traten unter den siegreichen Großmächten (Großbritannien, Österreich, Preußen und Russland) zwar gravierende Meinungsverschiedenheiten auf, Napoleons Rückkehr aus seiner Verbannung auf Elba im März 1815 führte die zerstrittenen Koalitionspartner jedoch schon bald wieder zum gemeinsamen Kampf zusammen. Selbst das Beispiel, das Hitler bis zum Ende seines Lebens am häufigsten anführte – den Sieg Friedrichs des Großen im Siebenjährigen Krieg (1756 – 1763) – kann nur bedingt als Gegenbeweis gelten: Der preußische König war bis 1761/62 wenigstens mit Großbritannien verbündet, das Preußen nicht nur finanziell unterstützte, sondern auch Frankreich daran hinderte, sich mit ganzer Kraft auf den Krieg in Europa zu konzentrieren.

Vgl. Schroeder, Transformation, S. 548 – 552; Duchhardt, Balance, S. 366 – 369; Erbe, Erschütterung, S. 343 – 350.

38 Da sich Hitler nach der Neugründung der NSDAP im Februar 1925 beharrlich weigerte, Arbeitsgemeinschaften völkischer Verbände beizutreten, wurde ihm von völkischen Konkurrenten und Kritikern vorgeworfen, als ein zum »Halbgott« erhobener Führer aufzutreten, der sich »zum Inbegriff der Sache selbst« gemacht habe. Politisch gesehen bestätigte die spätere Entwicklung der NSDAP Hitlers Alleinanspruch. Er widerstand der Versuchung, sich mit »Schwachen« zusammenzuschließen, und setzte dadurch auf lange Sicht die Stellung der NSDAP als stärkste Kraft im heterogenen und zerstrittenen völkischen Lager durch.

Vgl. Der Reichswart vom 10. 10. 1925, »Gründe für den Verfall der völkischen Bewegung und ihre Beseitigung« (Zitat); Das Gewissen vom 16. 11. 1925, »Neuordnung der vaterländischen Bewegung«; Der Reichswart vom 26. 12. 1925 (Beilage), »Einigung der deutsch-völkischen Bewegung«; Das deutsche Tageblatt vom 26. 2. 1927, »Hitler und wir«; Tyrell, Trommler, S. 102; Kap. I/12, Anm. 103.

nen Siegers war.36 Koalitionserfolge tragen schon durch die Art ihrer Herkunft den Keim zu künftigem Abbröckeln, ja zum Verlust des schon Erreichten.37 Große, wahrhaft weltumwälzende Revolutionen geistiger Art sind überhaupt nur denkbar und zu verwirklichen als Titanenkämpfe von Einzelgebilden, niemals aber als Unternehmen von Koalitionen.

So wird auch vor allem der völkische Staat niemals geschaffen werden durch das kompromißhafte Wollen einer völkischen Arbeitsgemeinschaft, sondern nur durch den stahlharten Willen einer einzigen Bewegung, die sich durchgerungen hat gegen alle.38