Der Spiegel der Vergangenheit <span class="pagenumber">[309]</span>

53 Auch hier finden sich Anklänge an Hans F. K. Günther: Spricht Hitler von »arischen Kulturwellen«, sind es bei Günther »Welle[n] der Nordrasse«, deren vorletzte und letzte in Europa die Kelten und Germanen gewesen seien. Günther war nicht der Erste, der die menschliche Kulturentwicklung als eine Abfolge von Zyklen beschrieb. Prominente Vorläufer waren etwa Joseph Arthur de Gobineau und Oswald Spengler, mit deren Werken Günther vertraut war. Gobineau, so Günther, habe als Erster den Gedanken des »Untergangs« des Abendlands geäußert; Spengler habe hingegen die Ursache des Verderbens – »das Versiegen des nordischen Blutes innerhalb der betrachteten Volkstümer« – nicht erkannt. Auch Hitler kannte Spenglers Hauptwerk Der Untergang des Abendlandes und nahm gelegentlich kritisch darauf Bezug, etwa am 14. 10. 1930, als er in einem Interview mit dem International News Service erklärte, ein »bolschewistisches Deutschland« würde eine »Katastrophe für die Welt« bedeuten. Oswald Spenglers Prophezeiung vom Untergang des Abendlands würde sich dann noch schneller erfüllen, als es Spengler selbst erwartet habe. Hitler hatte Spenglers Buch gelesen, bevor er Mein Kampf verfasste. So schrieb Rudolf Heß am 19. 5. 1924 aus Landsberg: »Den Spengler besorgen Sie um des Himmels Willen nicht; er ist wenigstens dreimal vorhanden. […] Werde ihn lesen u. beurteilen. Der Tribun [Hitler] ist nicht sehr erbaut von ihm.« Dies brachte Hitler auch am 1. 5. 1935 in seiner Rede zum Maifeiertag zum Ausdruck. In direktem Bezug auf Spengler verkündete er: »Nicht Untergang des Abendlandes muß es heißen, sondern Wiederaufstehung [sic!] der Völker dieses Abendlandes!«

Vgl. Hitler, Reden, Bd. IV/1, Dok. 7, Zitat S. 21; Heß, Briefe, Zitat S. 328; Domarus, Hitler, Bd. 2, Zitat S. 502; Günther, Rassenkunde (1923), S. 331, Zitate S. 307, 330.

54 Die Forderung nach einer rassenanthropologischen Geschichtsbetrachtung hatte bereits Julius Langbehn in Rembrandt als Erzieher (1890) erhoben: »Die ganze Geschichtsschreibung wird eine Umwälzung erfahren, wenn man sich erst entschließen wird, dem Einflusse des Blutes auf die Entwickelung der Völker[,] Stämme[,] Menschen gründlicher nachzugehen. Man wird dann das Völkerleben nicht mehr nach den unsicheren politischen Grenzen[,] sondern nach den mit oder gegen einander bewegten Blutströmungen, in Vergangenheit wie Gegenwart, schildern[,] studiren[,] beurtheilen.« Und Houston Stewart Chamberlain bemerkte 1900: »Wer die Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts darstellen und beurteilen will, kann die Frage nach den an dem Aufbau dieser Geschichte beteiligten Rassen nicht umgehen.« 1925 veröffentlichte der völkische Pädagoge und Schriftsteller Wilhelm Erbt eine Weltgeschichte auf rassischer Grundlage, die, so Erbt später, unter »dem unmittelbaren Eindruck der Grundlagen des 19. Jahrhunderts« von Chamberlain entstanden sei. Erbt beschrieb die »Arier« als kriegerisches und schöpferisches »Herrenvolk«, das andere Völker unterworfen und jeweils die neue »Herrenschicht« gebildet habe. »Rassenmischung« hielt Erbt für verderblich, denn dem Mischling fehle »das schöpferische Selbstbewußtsein«.

In einem Punkt unterscheidet sich Erbts Argumentation allerdings deutlich von den Ausführungen Hitlers: Die »Vollzeit« der kulturellen Entwicklung sei immer erst nach der Verschmelzung der »arischen Herrenschicht« mit den Unterworfenen eingetreten. Herrscher und Beherrschte hätten sich gegenseitig kulturell befruchtet und gemeinsam eine »Erweiterung des ursprünglichen Machtbereichs« angestrebt. Allerdings wären dann in der »Spätzeit« Spannungen aufgetreten, weil die wirtschaftlich erstarkte Unterschicht einen sozialen Ausgleich mit der »Herrenschicht« angestrebt habe. Ohne die Unterworfenen, so Erbt etwa in Bezug auf Griechenland, wäre keine kulturelle Blüte denkbar gewesen. Im völkischen Lager wurde Erbts Studie verhalten positiv aufgenommen. Alfred Rosenberg schrieb in seiner Zeitschrift Der Weltkampf im November 1925, Erbts Weltgeschichte auf rassischer Grundlage sei »stellenweise […] überzeugend geschrieben«, teilweise aber verwirrend und stilistisch schwach.

Vgl. Mecklenburger Warte vom 13. 5. 1925, »Eine Weltgeschichte auf rassischer Grundlage«; Der Weltkampf 2 (1925), Zitat S. 765 (»Bücherschau«); Langbehn, Rembrandt, Zitat S. 316 f.; Chamberlain, Rasse, Zitat S. 66 (Herv. i. Orig.); Erbt, Weltgeschichte (1925), Zitate S. 41, 45, 113; Erbt, Weltgeschichte (⁴1936), Zitat S. IV.

trachter des Augenblickes# 1937: Augenblickes ersetzt durch: Augenblicks;
1939: Augenblickes nur zu oft die Meinung, das Bild des jetzigen Volkes vor sich zu sehen, während es nur der Spiegel der Vergangenheit ist, in den sie blicken# 1930: sie blicken ersetzt durch: er blickt .52

Es kann dann vorkommen, daß solch ein Volk ein zweites Mal, ja selbst noch öfter im Leben seiner# 1926: öfter im Leben seiner ersetzt durch: öfter, während seiner Geschichte mit der Rasse seiner einstigen Kulturbringer in Berührung gerät, ohne daß eine Erinnerung an frühere Begegnungen noch vorhanden zu sein braucht. Unbewußt wird der Rest des einstigen Blutes seiner Herren sich dann# 1926: einstigen Blutes seiner Herren sich dann ersetzt durch: einstigen Herrenblutes sich der neuen Erscheinung zuwenden, und was erst nur dem Zwange möglich war, kann nun dem eigenen Wollen# 1944: Wollen ersetzt durch: Willen gelingen. Eine neue Kulturwelle hält dann# 1926: gestrichen: dann ihren Einzug und dauert an so lange# 1926: an so lange ersetzt durch: so lange an , bis ihre Träger wieder im Blute fremder Völker untergehen.53

Es wird die Aufgabe einer künftigen Kulturgeschichte# 1926: Kulturgeschichte ersetzt durch: Kultur- und Weltgeschichte sein, in diesem Sinne zu forschen54 und nicht in der Wiedergabe äußerer Tatsachen zu ersticken, wie dies bei unserer heutigen Geschichtswissenschaft leider nur zu oft der Fall ist.55

Schon aus dieser Skizze der Entwicklung »kulturtragender« Nationen ergibt sich aber auch das Bild des Werdens, Wirkens und – Vergehens der wahrhaftigen# 1930: wahrhaftigen ersetzt durch: wahrhaften Kulturbegründer dieser Erde, der Arier selber.

So wie im täglichen Leben das sogenannte Genie56 besonderer Veranlassung# 1930: besonderer Veranlassung ersetzt durch: eines besonderen Anlasses , ja oft eines förmlichen Anstoßes bedarf, um zum Leuchten gebracht zu werden, so im Völkerleben auch die geniale Rasse. Im Einerlei des Alltags pflegen oft auch bedeutende Menschen unbedeutend zu erscheinen und ragen dann# 1930: gestrichen: ragen dann kaum über den Durchschnitt ihrer Umgebung heraus# 1930: heraus ersetzt durch: herauszuragen ; sowie# 1930: sowie ersetzt durch: sobald jedoch erst# 1926: gestrichen: erst eine Lage an sie herantritt, in der andere verzagen oder irre würden, wächst aus dem unscheinbaren Durchschnittskind die geniale Natur ersichtlich empor, nicht selten zum Erstaunen aller derjenigen, die bisher Gelegenheit besaßen, den nun groß Gewordenen in der Kleinheit des bürgerlichen Lebens beobachten zu können, daher dann auch infolge dieses Vorganges# 1930: bisher Gelegenheit besaßen, den nun groß Gewordenen in der Kleinheit des bürgerlichen Lebens beobachten zu können, daher dann auch infolge dieses Vorganges ersetzt durch: es bisher in der Kleinheit des bürgerlichen Lebens sahen – daher denn auch der Prophet im eigenen Lande selten etwas zu gelten pflegt.57 Dies zu beobachten, hat man nirgends mehr Gelegenheit als im Kriege. Aus scheinbar harmlosen Kindern schießen da# 1926: gestrichen: da plötzlich in Stunden der Not, da andere verzagen, Helden empor von todes-