Die Träger des Bündnisgedankens <span class="pagenumber">[135]</span>

31 Der Dreibund war in der italienischen Öffentlichkeit und Politik stets umstritten. Schon in der ersten Marokkokrise (1904 – 1906) war Italien gegenüber Deutschland auf Distanz gegangen, während auf dem Balkan immer wieder italienische und österreichische Interessen kollidierten – insbesondere nach der Annexion Bosnien-Herzegowinas durch Österreich-Ungarn im Oktober 1908. Gleichsam zur Vollendung ihrer Nationalstaatsgründung wünschten viele Italiener eine Annexion der »Irredenta«, darunter Istrien, Dalmatien und auch das österreichische Trentino. Wie erbittert der Konflikt um diese Territorien war, zeigte ein Bombenattentat gegen österreichische Veteranen in Triest am 2. 8. 1882, bei dem zwei Menschen starben, sowie ein für September 1882 geplantes Attentat des Nationalisten Guglielmo Oberdan auf Franz Joseph I., das jedoch vereitelt wurde. Die Hinrichtung Oberdans wegen Desertion (nicht wegen des geplanten Anschlags) am 20. 12. 1882 sowie die anschließende Verehrung Oberdans in Italien als politischer Märtyrer in Form von Liedern, Denkmälern und Straßenumbenennungen sollten die Beziehungen zwischen den beiden Staaten nachhaltig belasten. Es überrascht daher nicht, dass der italienische Bündnispartner schon vor dem Ersten Weltkrieg in der deutschen Öffentlichkeit wenig galt. 1912 behauptete der Vorsitzende des Alldeutschen Verbands Heinrich Claß: »Italien ist nicht unser Bundesgenosse, sondern es spielt ihn; […] Was hat solch ein Bündnis mit einem so treulosen und untüchtigen Genossen für einen Wert?« Zweifel am Dreibund wurden indes nicht nur in der radikalen Rechten laut, wie ein (unveröffentlichter) Artikel illustriert, den der Journalist Arthur Bernstein für die Berliner Morgenpost vom 31. 7. 1914 verfasste. Hellsichtig heißt es darin: »Es gibt keinen Dreibund. Italien macht [im Krieg] nicht mit, jedenfalls nicht mit uns; wenn überhaupt, so stellt es sich auf die Seite der Entente.« Wie primitiv demgegenüber die Erklärungsmuster für das Verhalten Italiens in völkischen Schriften nach 1918 ausfallen konnten, zeigt das in der frühen NSDAP zur Lektüre empfohlene Pamphlet Judas Schuldbuch (1919): »Ethnographisch« sei Italien eine »Mischung von Juden und Zigeuner [sic!]. Dem entspricht dort die Politik.« Hitler hingegen verteidigt das Handeln der italienischen Staatsführung als Akt rationaler Machtpolitik; jedwede Bindung an die Habsburgermonarchie war in seinen Augen ein fataler Fehler.

Vgl. Frymann, Kaiser, Zitat S. 178; Meister, Schuldbuch (^3/41919), Zitate S. 146; Gatterer, Erbfeindschaft; Ara, Haltung; Afflerbach, Dreibund, S. 108 – 123, 363 ff.; Afflerbach, Bündnispartner; Ryback, Bücher, S. 86; Leonhard, Büchse, S. 47, Zitat S. 105; Kap. I/7, Anm. 47; Kap. II/13, Anm. 108.

das Wunder, daß Italien mit Österreich gemeinsam kämpfen würde, konnte jedem eben nicht mit diplomatischer Blindheit Geschlagenen einfach nur# 1930: einfach nur ersetzt durch: nur einfach unverständlich sein.31 Allein die Dinge lagen ja in Österreich selber um kein Haar anders.

Träger des Bündnisgedankens waren in Österreich nur die Habsburger und die Deutschen. Die Habsburger aus Berechnung und Zwang, die Deutschen aus gutem Glauben und politischer – Dummheit. Aus gutem Glauben, denn sie vermeinten durch den Dreibund dem Deutschen Reiche selber einen großen Dienst zu erweisen, es stärken und sichern zu helfen; aus politischer Dummheit aber, weil weder# 1944: weder ersetzt durch: nicht das erst Gemeinte zutraf, sondern im Gegenteil sie dadurch mithalfen, das Reich an einen Staatskadaver32 zu ketten, der beide in den Abgrund reißen mußte, vor allem aber, weil sie ja selber nur durch dieses Bündnis immer mehr der Entdeutschung anheimfielen. Denn indem die Habsburger durch das Bündnis mit dem Reiche# 1926: eingefügt: vor einer Einmengung von dieser Seite aus sicher waren und# 1930: sicher waren und ersetzt durch: sicher sein zu können glaubten und leider auch mit Recht sein konnten, vermochten sie nun# 1926: gestrichen: nun ihre innere Politik der langsamen Verdrängung des Deutschtums schon wesentlich leichter und risikoloser durchzuführen.33 Nicht nur, daß man bei der bekannten »Objektivität«34 einen Einspruch von Seiten# 1930: Seiten ersetzt durch: seiten der Reichsregierung gar nicht mehr# 1930: gestrichen: mehr zu fürchten# 1944: fürchten ersetzt durch: befürchten brauchte, konnte man nun auch# 1926: konnte man nun auch ersetzt durch: konnte man auch;
1939: man konnte auch;
1944: konnte man auch dem österreichischen Deutschtum selber jederzeit mit dem Hinweis auf das Bündnis den vorlauten Mund, der gegen eine etwa zu niederträchtige Art der Slawisierung sich auf deutscher Seite auftun wollte# 1930: sich auf deutscher Seite auftun wollte ersetzt durch: sich auftun wollte , sofort zum Schweigen bringen.

Was wollte# 1930: wollte ersetzt durch: sollte denn auch der Deutsche in Österreich noch tun, wenn doch das Deutschtum des Reiches selber der Habsburger Regierung# 1933: Habsburger Regierung ersetzt durch: Habsburger-Regierung;
1937: Habsburgerregierung;
1939: Habsburger-Regierung;
1944: Habsburgerregierung Anerkennung und Vertrauen aussprach? Sollte er Widerstand leisten, um dann in der ganzen deutschen Öffentlichkeit als Verräter am eigenen Volkstum gebrandmarkt zu werden? Er, der seit Jahrzehnten die unerhörtesten Opfer gerade für sein Volkstum gebracht hatte!# 1944: Ausrufezeichen ersetzt durch: Fragezeichen

Was aber besaß dieses Bündnis für einen Wert, wenn erst das Deutschtum der Habsburgischen Monarchie# 1933: Habsburgischen Monarchie ersetzt durch: Habsburger Monarchie;
1937: Habsburgermonarchie;
1939: Habsburger-Monarchie;
1944: Habsburgermonarchie ausgerottet worden wäre? War nicht der Wert des Dreibundes für Deutschland geradezu