Die Kunst des Lesens <span class="pagenumber">[35]</span>

84 Laut Kubizek las Hitler in Linz und Wien zahllose Bücher, wobei die germanischen Götter- und Heldensagen zur Lieblingslektüre gezählt hätten, aber auch Klassiker wie Dante, Goethe, Schiller, Lessing, Stifter oder Ibsen, ferner philosophische Schriften von Schopenhauer und Nietzsche. Brigitte Hamann geht hingegen davon aus, dass Hitler zur schönen Literatur keinen wirklichen Bezug entwickelt habe; in dieser Hinsicht sei sein »Wissen« auf Spruchweisheiten und geflügelte Worte beschränkt geblieben. Noch am 10. 3. 1942 erklärte Hitler im kleinen Kreis: »Ich lese nie einen Roman und fast nie das Feuilleton, warum soll ich mir das antun: Ich würde mich nur ärgern!« Hitlers ehemaliger Reichspressechef Otto Dietrich hat dies in seinen Erinnerungen bestätigt: »Hitler las sehr viel, meist spät in der Nacht, wenn er sich zurückgezogen hatte und nicht einschlafen konnte. Seine persönliche Lektüre bestand in technischem Wissen, Biografien aller Art, in Darstellungen über seine Lieblingskünste, Architektur, Malerei, Plastik, Musik, Bühne und Film. Aber er beschäftigte sich grundsätzlich mit keinerlei geisteswissenschaftlichem oder schöngeistigem Schrifttum. Eine besondere Antipathie betonte er gegenüber dem Roman und jeglicher Dichtung. Gedichte waren ihm ein Greuel, Romane las er nie.« Unter den Büchern aus Hitlers ehemaliger Privatbibliothek, die den Zweiten Weltkrieg überstanden haben und die sich heute in der Library of Congress in Washington befinden, fehlen dementsprechend »vor allem Werke der Klassiker aller Literaturen. Außer einer zweibändigen Ausgabe von Kleist und ein paar Sammelbänden ist überhaupt nichts zu finden von den Werken der großen deutschen und ausländischen Dichter.«

Vgl. Hitler, Monologe, Zitat S. 317; Kubizek, Hitler, S. 226 – 228; Phelps, Hitler-Bibliothek, Zitat S. 923 f.; Dietrich, Jahre, Zitat S. 164; Hamann, Wien, S. 106 – 109; Gassert/ Mattern, Library.

dem allgemeinen Weltbilde seinen Platz an der ihm zukommenden Stelle erhält und so eben mithilft, dieses Bild im Kopfe des Lesers zu formen. Im anderen Falle entsteht ein wirres Durcheinander von eingelerntem Zeug, das ebenso wertlos ist, wie es anderseits# 1930: anderseits ersetzt durch: andererseits den unglücklichen Besitzer eingebildet und aufgeblasen# 1926: gestrichen: und aufgeblasen macht.83 Denn dieser glaubt nun wirklich allen Ernstes, »gebildet« zu sein, vom Leben etwas zu verstehen, Kenntnisse zu besitzen, während er mit jedem neuen Zuwachs dieser Art von »Bildung« in Wahrheit der Welt sich mehr und mehr entfremdet, bis er nicht selten entweder in einem Sanatorium oder als »Politiker« in einem Parlamente# 1944: Parlamente ersetzt durch: Parlament endet.

Niemals wird es so einem Kopfe gelingen, aus dem Durcheinander seines »Wissens« das für die Forderung einer Stunde Passende herauszuholen, da ja sein geistiger Ballast nicht in den Linien des Lebens geordnet liegt, sondern in der Reihenfolge der Bücher, wie er sie las und wie ihr Inhalt ihm nun im Kopfe sitzt.84 Würde das Schicksal bei seinen Anforderungen des täglichen Lebens ihn immer an die richtige Anwendung des einst Gelesenen erinnern, so müßte es aber auch noch Buch und Seitenzahl erwähnen, da der arme Tropf sonst in alle# 1926: alle ersetzt durch: aller Ewigkeit das Richtige nicht finden würde. Da es dies nun aber nicht tut, geraten diese neunmal Klugen# 1937: neunmal Klugen ersetzt durch: Neunmalklugen;
1939: neunmal Klugen bei jeder kritischen Stunde in die schrecklichste Verlegenheit, suchen krampfhaft nach analogen Fällen und erwischen mit tödlicher Sicherheit natürlich die falschen Rezepte.

Wäre es nicht so, könnte man die politischen Leistungen unserer gelehrten Regierungsheroen in höchsten Stellen nicht begreifen, außer man entschlösse sich, anstatt pathologischer Veranlagung schurkenhafte Niedertracht anzunehmen.

Wer aber die Kunst des richtigen Lesens inne hat# 1937: inne hat ersetzt durch: innehat;
1939: inne hat , den wird das Gefühl beim Studieren jedes Buches, jeder Zeitschrift oder Broschüre augenblicklich auf all das aufmerksam machen, was seiner Meinung nach für ihn geeignet (weil entweder zweckmäßig oder allgemein wissenswert) ist zur dauernden Festhaltung# 1930: für ihn geeignet (weil entweder zweckmäßig oder allgemein wissenswert) ist zur dauernden Festhaltung ersetzt durch: für ihn zur dauernden Festhaltung geeignet ist, weil entweder zweckmäßig oder allgemein wissenswert . Sowie nun# 1926: gestrichen: nun das auf solche Weise Gewonnene seine sinngemäße Eingliederung in das immer schon irgendwie vorhandene Bild, das sich die Vorstellung